Die Versorgungssicherheit ist ein wichtiger Standortfaktor. Wir tun gut daran, die in unserem Land benötigte elektrische Energie auch in unserem Land zu produzieren. Neue Kernkraftwerke scheinen aus heutiger Sicht nicht mehr mehrheitsfähig. Daher müssen nun alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Kraftwerke aus erneuerbaren Energien zu realisieren.
Damit der Ausstieg aus der Kernenergie wirklich gelingt, muss vorgängig analysiert werden, welche Gründe zur Verhinderung der Kraftwerkprojekte führten. Die grössten Hindernisse müssen aus dem Weg geschafft werden, damit die notwendige Kraftwerkkapazität in der Schweiz realisiert werden kann.
Die Regierung wird beauftragt, einen Bericht über die in den letzten 20 Jahren in Graubünden verhinderten Kraftwerkprojekte für Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie zu erstellen (Neubauten, Erweiterungen, Sanierungen oder grössere Teile von Kraftwerkprojekten, beispielsweise eine von mehreren Turbinen). Dabei sind bei jedem verhinderten Projekt folgende Punkte aufzuzeigen:
• Art des Projektes (Wasserkraftwerk, Windenergieanlage, Solaranlage, etc.);
• Nennleistung des Projektes;
• Gründe der Verhinderung (präzise gesetzliche Bestimmung, Einsprachen, Einstellung durch Bauherr aufgrund langer Verzögerungen);
• Kategorien der Einsprecher (Umweltverbände, Private, Anstösser, Behörden wie Heimatschutz);
• Stadium des Projektes bei der Einstellung (z.B. Vorprojekt, Richtplanverfahren, Baugenehmigungsverfahren).
Im Bericht ist zusammenfassend aufzuzeigen, welche installierte Leistung durch welche Hauptgründe verhindert wurde.
Zudem ist aufzuzeigen, welche gesetzlichen Bestimmungen geändert werden müssten, um zumindest einen Teil dieser Projekte dennoch realisieren zu können.
Chur, 19. April 2011
Kollegger (Chur), Jeker, Aebli, Buchli-Mannhart, Campell, Casty, Clalüna, Felix, Grass, Heinz, Koch (Tamins), Komminoth-Elmer, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Michael (Donat), Montalta, Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parolini, Pedrini (Roveredo), Stiffler (Davos Platz), Tscholl, Fausch, Gugelmann, Haltiner, Müller (Haldenstein)
Antwort der Regierung
Die Unterzeichner des Auftrages fordern von der Regierung eine detaillierte und umfassende Auslegeordnung zu den in den letzten 20 Jahren im Kanton "verhinderten" Kraftwerkprojekten. Zudem fordern sie die Nennung der gesetzlichen Bestimmungen, welche geändert werden müssen, um zumindest einen Teil solcher Projekte realisieren zu können.
Der Kanton Graubünden hat lediglich Kenntnis von Wasserkraftprojekten, für welche ein Konzessionsgesuch eingereicht wurde, und von geplanten Photovoltaik- und Windkraftanlagen ausserhalb der Bauzonen. Für Anlagen und Technologien innerhalb der Baugebiete sind hingegen die Gemeinden die zuständige Instanz bzw. Bewilligungsbehörde. Der Kanton hat somit keine abschliessende Kenntnis von sämtlichen nicht realisierten bzw. "verhinderten" Kraftwerkprojekten. Es ist auch davon auszugehen, dass diese Angaben nicht öffentlich zugänglich sind und z.T. unter Datenschutz stehen.
Projekte werden aus den verschiedensten Gründen und in unterschiedlichen Projektstadien zurück gezogen oder sistiert. Neben ökologischen und landschaftlichen Bedenken führen vielfach wirtschaftliche Überlegungen der potenziellen Investoren und Bewerber zum Verzicht auf die Realisierung derartiger Vorhaben.
Als Folge der ausgeschöpften Mittel bei der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus erneuerbaren Energien wurden ab 1. Februar 2009 sämtliche Beitragsgesuche von Stromproduktionsanlagen aus Wasserkraft (bis 10 Megawatt), Photovoltaik, Windenergie, Geothermie, Biomasse sowie Abfällen aus Biomasse auf eine Warteliste gesetzt. Dies mit der Folge, dass die Realisierung vieler dieser Projekte verhindert oder zurückgestellt wurde.
Allein in Graubünden stehen auf der Warteliste der nationalen Netzgesellschaften swissgrid insgesamt 415 Projekte mit einer Leistung von total 24 Megawatt (MW) und einer erwarteten Stromproduktion von 288 Gigawattstunden (GWh). Aufgeschlüsselt sind dies 39 Projekte im Bereich Wasserkraft, 293 Photovoltaikanlagen, 82 Windkraftanlagen und eine Biomassenanlage. Mit einer Öffnung oder Aufstockung der KEV könnten voraussichtlich viele dieser Anlagen in den nächsten Jahren realisiert werden.
Angesichts der vorhandenen Fülle an gesetzlichen Vorgaben auf Bundes- und Kantonsebene wäre es ein hoffnungsloses Unterfangen, alle Bestimmungen aufzählen zu wollen, die geändert werden müssten, um die Realisierung von Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Abgesehen von der Unmöglichkeit der Benennung der einzelnen Bestimmungen gilt es ausserdem zu bedenken, dass die Gesetzgebungskompetenz auf verschiedenen Stufen angesiedelt ist (Bund, Kanton).
Bei dieser Sachlage erachtet die Regierung die Erstellung eines Inventars im geforderten Sinn sowie die Auflistung der revisionsbedürftigen Bestimmungen als unmöglich und nicht geeignet für eine verstärkte Förderung der Stromproduktion aus erneuerbarer Energie. Der Kanton wird statt dessen im Rahmen seiner Strategieerarbeitung zur Bündner Strompolitik (vgl. Auftrag Heiz, RB vom 29. März 2011, Prot. Nr. 275) auch die Potenziale der erneuerbaren Energien für die Stromproduktion abschätzen und Leitlinien für die Projektierung und Realisierung entsprechender Anlagen ausarbeiten. Damit soll für die Projektanten und Investoren eine möglichst gesicherte Grundlage für die Planung und Realisierung von Kraftwerksanlagen geschaffen werden.
Aus den dargelegten Gründen lehnt die Regierung den Auftrag ab.
7. Juli 2011