Die Schweiz bildet heute weniger als halb so viele Informatikerinnen und Informatiker aus, wie der Arbeitsmarkt heute und in den nächsten Jahren benötigt. Die Dachorganisation der Informatik- und Kommunikationstechnologieberufe «ICT- Berufsbildung Schweiz» bestätigt, dass der Anteil der Lernenden im Verhältnis zu den ICT-Beschäftigten nur 3,7 Prozent beträgt, gegenüber dem Landesdurchschnitt in anderen Branchen von 5,4 Prozent.
Laut aktuellen Studien geht man davon aus, dass ohne Gegenmassnahmen bis ins Jahr 2017 32‘000 ICT-Fachkräfte (Informatiker/-innen und Mediamatiker/innen) auf allen Qualifikationsstufen fehlen werden; dies in einem Berufsfeld, das von entscheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz ist. Der BIP-Anteil der ICT-Branche selbst beträgt 5 Prozent bzw. 25 Mrd. Franken.
Der Nachwuchs an Fachkräften in der Informatik ist für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Kantons und der ganzen Schweiz zentral. Sowohl die Privatwirtschaft als auch die öffentliche Hand sind darum gleichermassen gefordert, entsprechende Massnahmen einzuleiten.
Die Frage des Fachkräftenachwuchses ist grundsätzlich auf verschiedenen Stufen anzugehen. Aktivitäten müssen bereits auf der Volksschulstufe beginnen und auf der Sekundarstufe weitergeführt werden. Bei der Umsetzung der geplanten Massnahmen soll auch das Ziel verfolgt werden, verstärkt das Interesse von Mädchen und jungen Frauen für ICT-Berufe zu wecken.
Aus obigen Erwägungen resultieren folgende Aufträge:
1. Das Erziehungsdepartement soll im Rahmen eines gesamtdepartementalen ICT-Projektes die strategische Steuerung und die Koordination der bestehenden und geplanten Massnahmen im ICT-Bereich auf allen Bildungsstufen klären.
2. Es sind seitens der Regierung Massnahmen zu ergreifen, mit denen der Mangel an ICT-Fachkräften, insbesondere an Informatikerinnen und Informatikern, entgegengewirkt werden kann. Namentlich soll der Kanton die Schaffung entsprechender Lehrstellen in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft propagieren und fördern. Besonderes Augenmerk soll insbesondere auf Mädchen und junge Frauen gerichtet werden, die heute immer noch zu wenig ihren beruflichen Start in einem ICT-Beruf sehen.
Chur, 19. Oktober 2011
Kollegger (Chur), Koch (Igis), Cavegn, Aebli, Brandenburger, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Caluori, Campell, Candinas, Casutt, Clalüna, Clavadetscher, Conrad, Dosch, Foffa, Gasser, Jaag, Kappeler, Koch (Tamins), Mani-Heldstab, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Müller, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Parolini, Pedrini, Steck-Rauch, Tomaschett (Breil), Tscholl, Buchli (Felsberg), Deplazes, Fausch, Haltiner, Liesch, Monigatti
Antwort der Regierung
Der Fachkräftemangel in der Schweiz betrifft nicht nur Informatikerinnen und Informatiker, sondern umfasst den gesamten technischen Arbeitsbereich sowie das Gesundheitswesen. Bedingt durch die demografische Entwicklung wird sich der Mangel an Fachkräften in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Gemäss Angaben des Bundesamtes für Statistik sinken die Lebendgeburten in der Schweiz von 82'203 (GR: 2'135) im Jahre 1995 (Geburtsjahr der heute 16-jährigen) auf 71'848 (GR: 1'689) im Jahre 2003, um bis zum Jahre 2010 wieder auf 80'290 (GR: 1'602) anzusteigen. Während gesamtschweizerisch in den Jahren 2003 bis 2010 wieder eine Zunahme der Lebendgeburten zu beobachten ist, sinken die entsprechenden Zahlen im Kanton Graubünden weiter. Der Wettbewerb um leistungsfähige Jugendliche für anspruchsvolle Berufe und weiterführende Ausbildungen wird sich verstärken. Die Regierung hat deshalb für das Regierungsprogramm 2013 – 2016 die strategische Absicht formuliert, den Fachkräftebedarf der Unternehmungen mit gut ausgebildeten Berufsleuten zu decken und die Attraktivität des Ausbildungs- und Forschungsstandortes Graubünden zu stärken.
Wie in der Arbeitswelt üblich, liegt auch in den Berufsfeldern Informatik und Mediamatik die Zuständigkeit für die Schaffung und Propagierung von Lehrstellen bei den entsprechenden Organisationen der Arbeitswelt. Der Kanton unterstützt diese Aktivitäten bereits seit Jahren mit verschiedenen Massnahmen. So erhält beispielsweise das Informatik-Ausbildungszentrum Engadin als Lehrwerkstätte jährlich namhafte Subventionen, um die Ausbildung von Fachkräften in der ICT im Engadin sicherstellen zu können. Ferner hat der Kanton zur Propagierung von Lehrstellen für Mediamatik den Berufsfachschulstandort von Uzwil wieder nach Chur verlegt und bei den Bestrebungen der Wirtschaft zur Schaffung von zusätzlichen Lehrstellen mitgearbeitet. Der Kanton unterstützt die Anstrengungen der Wirtschaft über seine Informations- und Dokumentationskanäle in der Berufsberatung und der Lehraufsicht weiterhin. Ein eigenständiges Projekt für die ICT unter der Federführung des Kantons würde aber dem Grundsatz der Gleichbehandlung mit anderen Branchen mit dem gleichen Anliegen widersprechen.
Um vermehrt junge Frauen für die technischen Berufe motivieren zu können, unterstützte der Kanton in den vergangenen Jahren verschiedene Projekte wie zum Beispiel "Mädchen-Informatik-los!" oder "Studien- und Laufbahn-Inputs für naturwissenschaftliche Berufe an Gymnasien". Es werden Projekte geprüft, um vermehrt Frauen für typische Männerberufe zu begeistern und umgekehrt.
Im Weiteren stellt die Studie "Ingenieur-Nachwuchs Schweiz 2011" fest, dass die Anzahl der technischen Berufsmaturitäten heute einen Viertel aller Berufsmaturitäten ausmacht und damit nach der kaufmännischen Berufsmaturität an zweiter Stelle liegt.
Gesamtschweizerisch wird derzeit der Lehrplan 21 erarbeitet. Dieser enthält den Kompetenzbereich ICT und Medien mit entsprechenden Vorgaben für den Unterricht an der Volksschule. Voraussichtlich im Jahre 2014 wird der Lehrplan 21 zur Einführung in den Kantonen freigegeben. Es ist deshalb nicht zielführend, wenn der Kanton Graubünden eigene ICT-Vorgaben für die Volksschule entwickelt.
Die Regierung nimmt zu den Teilaufträgen folgendermassen Stellung und ist bereit, den Auftrag im Sinne dieser Ausführungen entgegen zu nehmen.
1. Unter Beachtung des Zeitplanes für die Einführung des Lehrplanes 21 wird ein Bericht zuhanden des Grossen Rates erstellt, welcher eine Situationsanalyse mit Handlungsempfehlungen enthält. Der Bericht hat einen Vergleich mit der Situation in Nachbarkantonen zu enthalten und die Gleichstellung von Mann und Frau zu beachten.
2. Die durch den Kanton bereits getroffenen Massnahmen werden in Zusammenarbeit mit den Organisationen der Arbeitswelt weiter geführt und die Motivierung von jungen Frauen für technische Berufe weiter gefördert.
15. Dezember 2011