Das geltende Strassengesetz (StrG; BR 807.100) sieht den Anspruch jeder politischen Gemeinde auf eine kantonale Verbindung vor (Art. 7 Abs. 1 StrG). Dasselbe steht einer Gemeindefraktion zu, sofern sie wenigstens 30 Einwohner zählt (Art. 7 Abs. 2 StrG). Falls die Einwohnerzahl einer Fraktion das Quorum von 30 Einwohnern während drei aufeinander folgenden Jahren unterschreitet, ist ein Grund für die Aberkennung als kantonale Verbindungsstrasse gegeben. Im Rahmen von Gemeindezusammenlegungen kann die Regierung die kantonale Erschliessung vertraglich regeln (Abs. 5).
Die Frage der Aberkennung von Verbindungsstrassen im Zusammenhang mit Gemeindezusammenschlüssen ist bei vielen Fusionsprojekten ein Thema. In Anwendung von Art 9 Abs. 5 sicherte die Regierung der zusammengeschlossenen Gemeinde Andeer zu, auf die Aberkennung der Strasse nach Clugin als kantonale Verbindung während zwölf Jahren nach Inkrafttreten des Zusammenschlusses zu verzichten, auch wenn die Mindesteinwohnerzahl in Clugin unterschritten werden sollte. Dieselbe Regelung wurde ebenfalls für das Fusionsprojekt der Gemeinden des Schamserberges und Zillis-Reischen vorgeschlagen.
Es ist nicht einsichtig, weshalb eine bis anhin kantonale Verbindungsstrasse alleine aus dem Grund eines Gemeindezusammenschlusses der neuen Gemeinde zu Eigentum übertragen werden soll. An dieser unverständlichen Vorgehensweise vermag auch eine zeitliche Übergangsregelung nichts zu ändern.
Zurzeit stehen zahlreiche weitere Gemeinden in konkreten Verhandlungen über einen Zusammenschluss. Im Projekt llanz plus, in welchem zwölf Gemeinden eine Fusion prüfen, könnte die Frage der kantonalen Verbindungsstrasse, zum Beispiel nach Pigniu, ein Fusionshemmnis sein. Es darf doch nicht sein, dass Regelungen, die für früher massgebende Rahmenbedingungen geschaffen worden sind, heute unter anderen Voraussetzungen zukunftsweisende Projekte verhindern.
Wir beantragen, dass im Falle von Gemeindezusammenschlüssen keine Verschlechterung der kantonalen Strassenerschliessung erfolgt. Daher soll Art. 9 Abs. 5 des Strassengesetzes so geändert werden, dass der gleiche Anspruch auf die Erschliessung gemäss Art. 7 Abs. 1 bestehen bleibt, wenn durch einen Gemeindezusammenschluss die bisherige Gemeinde zu einer Fraktion wird.
Chur, 16. Februar 2010
Caviezel (Pitasch), Montalta, Darms-Landolt, Augustin, Barandun, Bezzola (Zernez), Blumenthal, Brandenburger, Buchli, Bühler-Flury, Caduff, Campell, Casparis-Nigg, Castelberg-Fleischhauer, Caviezel-Sutter (Thusis), Christoffel-Casty, Clavadetscher, Dermont, Feltscher, Hartmann (Chur), Hartmann (Champfèr), Hasler, Jaag, Jenny, Kessler, Kleis-Kümin, Krättli-Lori, Kunz (Chur), Michel, Nigg, Peer, Pfister, Portner, Quinter, Ratti, Rizzi, Sax, Stiffler, Stoffel (Hinterrhein), Thomann, Tuor, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Cattaneo, Furrer-Cabalzar, Hartmann (Küblis), Kunz (Fläsch), Loi
Antwort der Regierung
Gemäss Art. 7 Abs. 1 des Strassengesetzes (StrG) haben politische Gemeinden, ungeachtet ihrer Einwohnerzahl, Anspruch auf eine kantonale Strassenverbindung. Das Recht auf eine kantonale Strassenverbindung steht Fraktionen von Gemeinden nur zu, falls die Einwohnerzahl nicht dauernd unter 30 Personen fällt (Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 StrG). Zur Vermeidung von Härtefällen erlaubt Art. 9 Abs. 4 StrG, dass auf eine Aberkennung als Kantonsstrasse verzichtet werden kann, wenn der Gemeinde dadurch eine unverhältnismässige Belastung erwachsen würde. Zusätzlich hat die Regierung gestützt auf Art. 9 Abs. 5 StrG die Möglichkeit, im Rahmen von Gemeindezusammenlegungen spezielle vertragliche Regelungen zu treffen. Bei verschiedenen zwischenzeitlich erfolgten Fusionen hat die Regierung im Sinne einer Abfederung die Aberkennung zeitlich aufgeschoben. In diesen Fällen behält eine Verbindungsstrasse vorderhand den Rang einer Kantonsstrasse, unabhängig davon, ob das Einwohnerquorum der Fraktion erfüllt ist oder nicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass selbst unter Berücksichtigung der Ausnahmeregel von Art. 9 Abs. 5 StrG das Mindestquorum für Gemeindefraktionen in Art. 7 StrG ein Fusionshemmnis darstellen kann, wenn für eine aus einer Fusion entstandene Fraktion bezüglich des Strassenanspruchs nicht dieselben Regeln wie für die (nicht zusammen geschlossene) politische Gemeinde gelten.
Der Bericht über die Gebietsreform soll bekanntlich in der Dezembersession 2010 durch den Grossen Rat beraten werden. Unter anderem wird sich dieser Bericht auch mit den Hemmnissen befassen müssen, welche die Reform der Strukturen behindern. Mitunter sollen Gemeinden, welche sich zusammenschliessen, durch sektoralpolitische Entscheide jedenfalls keine Nachteile erwachsen. Im Gegenteil sollen diese so ausgestaltet werden, dass sich ein Zusammenschluss auch finanziell lohnt. Im Rahmen dieser Auslegeordnung sogenannter Fusionshemmnisse ist die Regierung bereit, auch die Anerkennungsvoraussetzungen für eine Kantonsstrasse zu überprüfen, und zwar in dem Sinne, dass die heutige kantonale Erschliessung einer politischen Gemeinde durch den Umstand einer Fusion nicht verändert wird. Eine solche Regelung müsste allerdings nicht zu einer dauerhaften Bevorteilung einzelner Gemeinden führen. Ebenso müsste im Rahmen einer Neuauflage der Neugestaltung des Finanzausgleichs auf das Fusionshemmnis der Strassenaberkennung hinreichend Rücksicht genommen werden.
Aus den dargelegten Gründen ist die Regierung bereit, den Auftrag entgegenzunehmen und im Nachgang zur Behandlung des Berichts über die Gebietsreform gegebenenfalls auch eine Anpassung des Strassengesetzes in die Wege zu leiten.
12. Mai 2010