Im Hinblick auf die Einwanderung von Grossraubtieren hat der Vorsteher des Bau-, Verkehrs- und Forstdepartements (BVFD) im Jahre 1999 die Arbeitsgruppe Grossraubtiere Graubünden eingesetzt. Darin sind alle betroffen Amtsstellen, Organisationen und Verbände vertreten. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, msetzbare Strategien und Lösungen für den Kanton Graubünden zu diskutieren und zu entwickeln. Im Auftrag des Bundes betreibt das LBBZ Plantahof zusammen mit drei Aussenstationen, welche durch Private betrieben werden, ein Kompetenznetz Kleinviehschutz für die Ostschweiz. Die Aufgaben des Kompetenznetzes und deren Abgeltung sind in einer Leistungsvereinbarung mit der Schweizerischen Vereinigung für die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums (AGRIDEA) geregelt. Der Plantahof ist für die Ausbildung und Beratung von Schafhaltern und Hirten zuständig. Die Aussenstationen halten und züchten geeignete Herdenschutzhunde in ihren eigenen Herden. Bei Bedarf ist das Kompetenznetz in der Lage, in Risikogebieten praktische Herdenschutzmassnahmen einzuleiten und zu begleiten. Die Führung des Kompetenznetzes obliegt einer Strategiekommission, bestehend aus Vertretern des Bundesamts für Umwelt (BAFU), der AGRIDEA, des Bündner Schafzuchtverbands, des LBBZ Plantahof sowie der Ämter für Jagd und Fischerei (AJF) und für Landwirtschaft und Geoinformation (ALG). Die Zahl der in die Schweiz eingewanderten Wölfe hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Parallel dazu verläuft die Zunahme der Wolfsbeobachtungen im Kanton Graubünden. Wie auch in anderen Regionen festgestellt werden konnte, ist bei beginnender Rudelbildung mit einem rasanten Anstieg der Wolfspopulation zu rechnen. Erste weibliche Tiere befinden sich in der Schweiz. Im Kanton Graubünden konnte mit den bisher erhobenen DNA-Analysen noch keine weiblichen Tiere nachgewiesen werden. Seit 2005 sind vier Bären in die Schweiz bzw. Graubünden eingewandert.
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Risse durch Wölfe in Graubünden
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Risse durch Bären in Graubünden
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Jahr
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Anzahl Risse
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Schadenssumme in Fr.
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Anzahl Risse
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Schadensumme in Fr.
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2001
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61
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16'450
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2002
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12
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4'200
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2003
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12
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3'850
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2004
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10
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3'350
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2005
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4
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1'550
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32
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14'850
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2006
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11
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2'200
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2007
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0
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0
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65
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42'660
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2008
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20
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7'000
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2009
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24
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5'000
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Die Schäden an Tieren (Risse) werden zu 80% durch den Bund und zu 20% vom Kanton (BVFD, AJF: Konto 6500.3660) bezahlt.
Dank der frühzeitig eingeführten Präventionsmassnahmen konnten die Risse an Nutztieren durch Grossraubtiere im Kanton Graubünden stabil gehalten werden. Die gewonnen Erfahrungen haben aber auch die Grenzen und Schwierigkeiten mit den Herdenschutzhunden aufgezeigt. Für den Ankauf eines solchen Hundes bezahlt der Halter rund Fr. 1'500.-- pro Tier (Beitrag BAFU: Fr. 500.--). Die Mehrarbeit und die durch Futter und Tierarzt verursachten Kosten belaufen sich auf ca. Fr. 2'000.-- pro Tier und Jahr (Beitrag BAFU Fr. 1'000.--). Die Inkonvenienzen der Tierhalter, bestehend aus Haftungsrisiko für Bisse an Wanderern, streunende Hunde, Lärmbelästigung der Nachbarn durch ständiges Bellen sowie mangelnde Gewichtszunahme der Schafe auf den Alpen (Unruhe in der Herde bei Integration der Hunde, Einpferchung nachts), sind kaum bezifferbar, bilden aber wesentliche Faktoren in der Beurteilung des Herdenschutzes mit Herdenschutzhunden. Trotz der Zunahme von Grossraubtieren bzw. der Wolfspopulation in der Schweiz und steigenden Bedarfs an Herdenschutzmassnahmen steht dem BAFU dafür seit Jahren derselbe Betrag von Fr. 800'000.-- zur Verfügung, der auf immer mehr Kantone aufzuteilen ist. Eine Beteiligung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) ist in Diskussion. Für die einzelnen Kantone bedeutet dies eine Abnahme der Finanzierung durch den Bund. So wurde der Beitrag des Bundes für die Prävention im Kanton Graubünden von Fr. 130'000.-- im Jahre 2006 auf Fr. 70'000.-- im Jahre 2009 und Fr. 55'000.-- im 2010 reduziert.
Zu Frage 1: Das Wolfskonzept Schweiz ist eine Vollzugshilfe und basiert auf den internationalen Verpflichtungen im Rahmen der Berner Konvention, dem eidgenössischen Jagdgesetz und der dazugehörigen Verordnung. Der Spielraum für ein kantonales Konzept ist daher sehr eingeschränkt. Mit der Arbeitsgruppe Grossraubtiere verfügt der Kanton über eine Stelle, bei welcher die betroffenen Ämter, Organisationen und Verbände ihre Anliegen anbringen können. Zudem verfügt der Kanton mit dem Kompetenznetz Kleinviehschutz über ein wirksames Instrument zur Umsetzung der Prävention und die Begleitung von Herdenschutzmassnahmen in Risikogebieten. Der Herdenschutz Graubünden verfügt über eine Strategiekommission, in der alle kantonalen Partner, aber auch die nationalen Vertreter, Einsitz haben. Die bisher gemachten Erfahrungen haben eine hohe Flexibilität und laufende Anpassungen verlangt. Das wird auch in den nächsten Jahren der Fall sein. Aus den genannten Gründen erübrigt sich die Schaffung eines eigenständigen Konzeptes.
Zu Frage 2: Primär ist es eine Bundesaufgabe, für Herdenschutzmassnahmen aufzukommen. Die Beiträge des BAFU sind aber stark rückläufig. Kommt der Bund seinen Verpflichtungen nicht nach, verbleibt es dem Kanton, die Defizite zu tragen. Beispielsweise muss schon im 2009 der nicht gedeckte Personalaufwand vom LBBZ Plantahof getragen werden (Beitrag Bund Fr. 70'000.--, Aufwand Kanton Fr. 71'338--, davon Aussenstationen Fr. 43'288.-- und Personal Fr. 28'050.--). Zudem ist der Kanton gezwungen, den Aussenstationen für deren Arbeit die Entschädigung zu reduzieren, was unbefriedigend ist – derzeit müssen jedes Jahr neu Verhandlungen geführt werden (Jahresvereinbarungen). In Anbetracht der massiv ansteigenden Wolfszahlen verbunden mit Bildung erster Wolfsrudel muss in den nächsten vier Jahren mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der gegenwärtigen Kosten für den Herdenschutz gerechnet werden. Wird der Bund künftig seine finanziellen Mittel für die Herdenschutzmassnahmen nicht erhöhen und folglich dem Kanton weiter tiefe Beiträge ausrichten, könnte das Herdenschutzprogramm im Kanton Graubünden gefährdet werden.
27. August 2010