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Session: 19.10.2010
Wie allseits bekannt, ist in der Öffentlichkeit ein Disput entstanden betreffend Sprachkompetenzen der Angehörigen der Minderheitensprachen Romanisch und Italienisch einerseits und andererseits, daran angelehnt, eine Diskussion bezüglich des Fremdsprachenunterrichts vom Zaun gerissen worden. Aufgrund dieser öffentlichen Diskussionen, die als bekannt vorausgesetzt werden, bitten die Unterzeichnenden die Regierung um Beantwortung folgender Fragen:

1. Sind die Schlussfolgerungen von Andreas Wieland, die Romanen einerseits und die Italienischsprachigen andererseits beherrschten die Deutsche Sprache nicht in genügenden Masse, zutreffend?

Wie beurteilt die Regierung insbesondere die Sprachkompetenzen der Real- und Sekundarschulabgänger italienscher und romanischer Muttersprache?

2. Sollte die Regierung die Sachlage gleich einschätzen wie Andreas Wieland, was gedenkt sie hiegegen wann und mit welchen Instrumenten zu tun?

3. Sollten die Vorhalte von Andreas Wieland nicht zutreffen, wie beurteilt die Regierung die öffentlichen Äusserungen von Andreas Wieland, seines Zeichens auch Präsident von Graubünden Ferien? Wie beurteilt die Regierung insbesondere die Aussage, dass Italien für die Exportwirtschaft kaum mehr von Bedeutung sei? Ist Andreas Wieland diesfalls aus Sicht der Regierung als Präsident von Graubünden Ferien am richtigen Platz?

4. Drängen sich nach Ansicht der Regierung generell Änderungen am geltenden (Italienisch/Deutsch ab 3. Klasse ab Schuljahr 2010/2011) bzw. beschlossenen (Englisch ab 5. Klasse ab Schuljahr 2012/2013) Sprachenkonzept der Volksschule Graubündens auf? Wie beurteilt die Regierung dieses Konzept speziell aus der Optik der kaufmännischen Berufsschulen?

5. Wie beurteilt die Regierung die Entwicklung, wonach nicht nur an der ETHZ Englisch auf Masterstufe zur Norm wird, sondern offenbar auch an den kantonalen Universitäten und Fachhochschulen ähnliche Entwicklungen zu beobachten sind? Wie sieht es diesbezüglich in Graubünden (THC, HTW) aus? Drängen sich Massnahmen auf?

Chur, 19. Oktober 2010

Augustin, Pedrini, Hartmann (Champfèr), Bezzola (Zernez), Candinas, Casutt, Darms-Landolt, Dermont, Dosch, Fallet, Fasani, Florin-Caluori, Giacomelli, Gunzinger, Heiz, Holzinger-Loretz, Jenny, Michael (Castasegna), Niederer, Papa, Parolini, Righetti, Steck-Rauch, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Wieland

Antwort der Regierung

Die Fragen des vorliegenden parlamentarischen Vorstosses können aus der Sicht der Regierung folgendermassen beantwortet werden:

Zu den Fragen 1 und 2:
Zurzeit liegen zu den Deutsch-Sprach-Kompetenzen der Angehörigen der Minderheitssprachen Romanisch und Italienisch keine umfassenden Studien vor, welche auf die Fragen 1 und 2 gesicherte Antworten zuliessen. Bei Andreas Wielands Äusserungen handelt es sich um wissenschaftlich nicht belegte, subjektive Wahrnehmungen aus einem speziellen Blickwinkel. Die Pädagogische Hochschule Graubünden plant, mittels fundierter Studien, welche alle Schulstufen von der Primarschule bis hin zu den Berufsfachschulen umfassen, den Sachverhalt der Sprachkompetenzen zu analysieren und damit einen Beitrag zur Diskussion der sprachlichen Nachhaltigkeit zu leisten.

Zu Frage 3:
Wie jeder Bürgerin und jedem Bürger steht auch Andreas Wieland das elementare Recht zu, eine persönliche Meinung zu äussern. Gleichwohl hat er präzisiert, dass er seine Aussagen als Vertreter der Industrie verstanden haben will. Seine Rolle als Präsident von Graubünden Ferien ist deshalb aus Sicht der Regierung nicht Gegenstand der Diskussion.
Die Regierung ist sich im Übrigen der Bedeutung des italienischen Marktes für die Bündner Wirtschaft sehr bewusst. Italien ist der zweitwichtigste Absatzmarkt für Bündner Warenexporte. Von grosser Bedeutung ist der italienische Markt u.a. vor allem für die Bündner Elektrizitätswirtschaft sowie für den Tourismus.

Zu Frage 4:
Die ersten Schülerinnen und Schüler, welche die Volksschule gemäss geltendem Sprachenkonzept (zweite Kantonssprache ab 3. Klasse, Englisch ab 5. Klasse) durchlaufen, werden frühestens im Sommer 2017 in eine Ausbildung an einer kaufmännischen Berufsfachschule eintreten. Deshalb ist es heute in keiner Weise möglich, konkrete Aussagen zu Erfahrungen mit diesem Konzept aus der Optik der kaufmännischen Berufsfachschulen zu machen.
Generell gilt in diesem Zusammenhang folgende Ausgangslage: Die für den Berufsabschluss geforderten Sprachkompetenzen sind in den für die einzelnen Berufe gültigen Bildungsverordnungen und für die Berufsmaturität in der Berufsmaturitätsverordnung vorgegeben. Die Berufsfachschulen werden rechtzeitig über die Neuerungen in der Volksschule informiert, so dass ihnen bis 2017 genügend Vorbereitungszeit zur Verfügung steht, um den Schulabgängerinnen und Schulabgängern den Sprachunterricht anzubieten, welcher ihre Kompetenzen aus der Volksschule berücksichtigt und im Hinblick auf den Abschluss auf der Sekundarstufe II zu vertiefen und zu erweitern vermag.

Zu Frage 5:
Die Regierung ist sich der Tatsache bewusst, dass die Bedeutung von Englisch als Unterrichtssprache an den Hochschulen stark zugenommen hat. Dies gilt für die HTW in geringerem Masse als für die ETHZ, für die THC kaum. Die Regierung hat deshalb im Rahmen der Mittelschulreform 2008 (vgl. Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 11/2007-2008, S. 634) die Anforderungen für die Mittelschülerinnen und Mittelschüler im Fach Englisch stark erhöht. Angestrebt wird heute, dass möglichst viele Mittelschülerinnen und Mittelschüler Englisch auf dem Niveau C1 (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen, GER) abschliessen. Die Umsetzung dieser Auflage erfordert allerdings ebenfalls die dazu notwendige Zeit. An verschiedenen Mittelschulen des Kantons werden zudem Projekte mit immersivem Sprachunterricht in Englisch durchgeführt. Es drängen sich somit aus Sicht der Regierung keine Massnahmen auf.

12. Januar 2011