Wie schon in den letzten Jahren führte die Nachjagd/Herbstjagd auch im Herbst/Winter 2010 zu heftiger Kritik gegenüber der Jagdberatungskommission, dem Jagdinspektorat sowie der Jägerschaft. Diese Kritik ging sowohl von Teilen der nichtjagenden Bevölkerung wie auch vereinzelt von Jägern aus. So wird zum Beispiel angeführt, dass Tiere in Siedlungsgebieten geschossen und ausgenommen werden. Weiter stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre die verbindliche Auflage zu machen, vor dem Abschuss einer Hirschkuh vorerst das Kalb zu erlegen. Dies, da das Jungtier ohnehin den Winter ohne das Muttertier kaum überleben würde.
Obwohl die Notwendigkeit der Nachjagd/Herbstjagd anerkannt wird, stellt sich doch die Frage, ob diese nicht noch mit geringen Anpassungen verbessert werden könnte, um somit auch mehr Akzeptanz aus der Bevölkerung und des Tierschutzes zu erhalten.
Aus diesem Grunde bitten wir die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:
1. Durch die Organisation und Leitung der Wildhüter und Jagdaufseher verlief die Nachjagd/Herbstjagd viel effizienter und ruhiger als heute. Es stellt sich nun die Frage, ob nicht wieder auf dieses altbewährte System (analog der Steinbockjagd) zurückgegriffen werden muss? Dadurch könnte die Nachjagd/Herbstjagd effizienter gestaltet werden.
2. Hirschkühe dürfen ohne vorherigen Abschuss des Kalbs geschossen werden. Dies, obwohl das Jungtier nach dem Abschuss des Muttertiers kaum den Winter überleben kann. Wäre es da nicht sinnvoller, die Weisung zu erlassen, dass vor dem Abschuss der Hirschkuh zuerst das Kalb erlegt werden muss?
3. Des Öftern werden Tiere ganz in der Nähe von Siedlungsgebieten erlegt und ausgeweidet, was bei der nichtjagenden Bevölkerung als abstossend wirkt und zum Teil gar als Gefährdung wahrgenommen wird. Dem würde eine Weisung entgegenwirken, bei welcher Tiere bspw. nur ausserhalb von 200 m zum Siedlungsgebiet geschossen werden dürfen. Wie sieht das die Regierung?
4. Um eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung zum Thema Nachjagd/Herbstjagd zu erreichen, wäre es nicht angezeigt, die Öffentlichkeitsarbeit um diese Jagd einmal ganz anders zu organisieren ? Dies nicht als klassisches Hick-Hack, sondern auf der Basis einer zeitgemässen Kommunikation mit verschiedenen kompetenten Partnern aus den Bereichen Wildbiologie, Ethik, Tierschutz und Jagd?
Chur, 19. April 2011
Gartmann-Albin, Frigg-Walt, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Casutt, Locher Benguerel, Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Pult, Thöny, Trepp, Michel (Igis), Monigatti, Pedrini (Soazza)
Antwort der Regierung
Das Management des Hirschbestandes ist eine anspruchsvolle Aufgabe, da der Bestand jährlich um einen Drittel zunimmt. Die Zielsetzung besteht darin, den Hirschbestand mit der jagdlichen Entnahme und unter Berücksichtigung des Fallwildanteils zu stabilisieren. In den letzten zehn Jahren sind daher rund 4'000 Hirsche pro Jahr erlegt worden. Die Umsetzung der Jagdplanung hat sich im Rahmen der Septemberjagd, verbunden mit einer ergänzenden Nachjagd im Spätherbst, bewährt. Der Haupteingriff erfolgt auf der Hochjagd. Im September wird der Abschussplan zu rund 75 Prozent erfüllt. Allerdings werden deutlich mehr männliche als weibliche Tiere erlegt. Daher müssen während der Herbstjagd die noch fehlenden Abschüsse unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten getätigt werden.
1. Die Herbstjagd muss möglichst effizient erfolgen. Entscheidende Erfolgsfaktoren sind der richtige Zeitpunkt für die Durchführung der Jagd sowie eine ausreichende Anzahl Jägerinnen und Jäger. Günstig ist der Zeitpunkt, wenn die Wanderpopulationen (Nationalpark, eidgenössische Banngebiete usw.) die Wintereinstände bezogen haben. Daher wird die Herbstjagd in den einzelnen Regionen gestaffelt eröffnet. Die Organisationsform der Jagden ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Das heutige System ist daher gleich effizient wie die frühere Organisation der Jagden durch die Wildhut. Überdies findet die heutige Regelung mehrheitlich Akzeptanz bei der Jägerschaft.
2. Laut den Vorgaben des Bundes muss der weibliche Anteil an der Gesamtstrecke des Hirschwildes 50 Prozent betragen. Dies kann erfahrungsgemäss nur durch den Abschuss führender Hirschkühe erreicht werden. Das Anliegen, wonach zuerst das Kalb erlegt werden soll, ist berechtigt. Die meisten Jägerinnen und Jäger sind sich dieser Verantwortung bewusst. Im Rahmen der diesjährigen Jagdbetriebsvorschriften ist die Jägerschaft erneut aufgerufen worden, diesem Grundsatz nachzuleben. Verbindliche Weisungen sind jedoch nicht praxistauglich. Auf der Herbstjagd ist nämlich - im Gegensatz zur Hochjagd - der Abschuss säugender Hirschkühe gestattet. Auf dieser Jagd kann daher in der Regel kaum nachgewiesen werden, ob der Abschuss des Kalbes vor oder nach demjenigen der Hirschkuh erfolgte. Hirschkühe bleiben nämlich auch nach dem Abschuss des Kalbes noch einige Zeit laktierend.
3. Die Jägerinnen und Jäger haben sich bei der Jagdausübung waidgerecht zu verhalten. Zudem ist die Jagd an Orten untersagt, wo Menschen oder fremdes Eigentum gefährdet werden. Diese Grundsätze gelten für alle Jagden und haben sich bewährt. Eine Regelung, wonach Wild nur 200 m vom Siedlungsgebiet entfernt erlegt werden darf, würde zu erheblichen Vollzugsschwierigkeiten führen. Dies gilt namentlich im Bereich von Streusiedlungen. Daher ist eine solche Regelung keine zielführende Lösung.
4. Die Notwendigkeit der Herbstjagd ist in breiten Kreisen der Jägerschaft, aber auch in der Öffentlichkeit, anerkannt. Die Regierung verkennt keineswegs, dass diese Jagd nach wie vor Anlass kritischer Diskussionen ist. Die Jagdbehörden haben daher seit Jahren auf Grundlage einer zeitgemässen Kommunikation mit verschiedenen Verbänden aus den Bereichen Jagd, Wildbiologie, Tierschutz usw. anstehende und auch jagdethische Fragen im Zusammenhang mit der Herbstjagd erörtert. Diese Öffentlichkeitsarbeit ist von massgebender Bedeutung und wird auch künftig die nötige Aufmerksamkeit erfahren.
23. Juni 2011