Wenn jemand eine schulische Ausbildung auf der Tertiärstufe absolviert, werden den Studierenden während dem schulischen Teil keine Entgelte (sprich Lohn) bezahlt. Sind in den Studiengängen Praktikumseinsätze geplant, werden diese in der Regel von den Einsatzbetrieben durch einen Praktikumslohn entschädigt.
Dies wird seit der Einführung der HF-Pflege im Jahre 2007 auch im Kanton Graubünden so gehandhabt und ist mit der Schule (BGS) und den Betrieben geregelt. Dieses Modell macht auch Sinn, da die Ausbildungskosten Bestandteil der Tarife im Gesundheitswesen sind und bei den Spitälern mit der Einführung von SwissDRG explizit in den Pauschalen berücksichtigt werden.
Der Kanton hat nun auf den 1. Januar 2012 einen Systemwechsel beschlossen. Mit dem neuen System HF-Pflege wird die Ausbildung HF in die Hände der Schule gelegt. Die Anzahl der Ausbildungsplätze richtet sich so nach dem Angebot der Schule und nicht nach dem Markt.
In diesem Zusammenhang bitten wir die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:
1. Warum wird nun für die Ausbildung HF-Pflege im Kanton Graubünden, entgegen den Normprinzipien, Lohn während der Studienzeit durch das BGS bezahlt. Gleichzeitig haben die Heime einen Ausbildungsfonds gebildet und mit dem revidierten KVG, welches per 1. Januar 2011 eingeführt wurde, sind auch die gleichen Grundlagen geschaffen worden, damit die Ausbildung quantitativ und finanziell sichergestellt werden kann?
2. Weshalb nun dieser Systemwechsel und aus welchem Grund übergibt man die Ganzheit der Ausbildung wieder an die Schule? Ist sich die Regierung der Tatsache bewusst, dass mit diesem System die Schule die Rolle des Regulators und nicht die des Dienstleisters übernimmt?
3. Hat sich das jetzige System in der HF-Pflege nicht bewährt? Wenn nein, warum nicht?
4. Wurde die Praxis in den Meinungsbildungsprozess einbezogen? Wenn ja, wie?
Chur, 19. April 2011
Holzinger-Loretz, Kleis-Kümin, Niggli-Mathis (Grüsch), Albertin, Augustin, Barandun, Berther (Camischolas), Bezzola (Samedan), Blumenthal, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Caluori, Candinas, Casanova-Maron, Casutt, Casutt-Derungs, Clalüna, Darms-Landolt, Dermont, Dosch, Engler, Felix, Florin-Caluori, Furrer-Cabalzar, Gasser, Geisseler, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Heiz, Hitz-Rusch, Jenny (Arosa), Kappeler, Kasper, Koch (Igis), Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Michel (Davos Monstein), Nick, Niederer, Niggli (Samedan), Noi-Togni, Papa, Pedrini (Roveredo), Pfäffli, Righetti, Rosa, Steck-Rauch, Stiffler (Chur), Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wieland, Zweifel-Disch, Michel (Igis), Müller (Susch)
Antwort der Regierung
Im Zusammenhang mit dem sich abzeichnenden Pflegepersonalmangel und dem vom Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit initiierten Runden Tisch beauftragte die Regierung am 23. Februar 2010 eine interdepartementale Arbeitsgruppe, die im 2007 neu eingeführte Praxis zur Abgeltung der Arbeitsleistungen der Lernenden der neurechtlichen schulgestützten HF-Pflege (Höhere Fachschule) umfassend zu überprüfen. Die Ergebnisse zeigten einen klaren Handlungsbedarf. Gestützt auf Artikel 24 des Krankenpflegegesetzes, welcher der Regierung die Kompetenz zur Festlegung des Systems und der Höhe der Abgeltung zuweist, fasste die Regierung am 14. Dezember 2010 Beschlüsse, um die Anstellungsbedingungen der Auszubildenden zu verbessern.
Von den derzeit 126 HF-Lernenden am Bildungszentrum Gesundheit und Soziales (BGS) verfügen 21 Prozent über eine schulische Vorbildung, 44 Prozent über einen einschlägigen Lehrabschluss im Gesundheitswesen (FaGe) und 35 Prozent über einen Lehrabschluss in einem anderen Beruf (Quereinsteigende). Die Ausbildung am BGS erfolgt nach den Vorschriften des Bundes und beinhaltet neben der Theorie auch qualifizierende praktische Anteile in mindestens drei verschiedenen Arbeitsfeldern der Pflege.
Beantwortung der einzelnen Fragen
1. Mit der aktuellen Regelung wird gegen keine Norm verstossen, im Gegenteil. Sie entspricht der langjährigen bewährten Praxis, wonach die Lernenden HF-Pflege, welche während der Ausbildung in mindestens drei Arbeitsfeldern der Pflege und damit auch in verschiedenen Betrieben Praktika absolvieren müssen, von der Schule einen monatlichen Lohn erhalten. Diesen legt die Regierung unter Einbezug allfälliger Empfehlungen der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und der Entwicklung in anderen deutschschweizer Kantonen fest. Mit dem Beschluss der Regierung vom 14. Dezember 2010 wird diese Praxis wieder aufgenommen, weil sich das 2007 eingeführte System nicht bewährt hat. An Stelle der Stationsgelder (als Entgelt für die von den Lernenden in den Praktika erbrachten Arbeitsleistungen), welche die Praktikumsbetriebe an die jeweilige Schule zu entrichten hatten, erfolgt durch das Gesundheitsamt eine pauschale Verrechnung anhand der von der Regierung festgelegten Praktikumsplätze HF-Pflege pro Institution mit den Betriebsbeiträgen des Kantons. Dadurch werden sowohl die Finanzflüsse vereinfacht als auch die durch das KVG vorgesehene Berücksichtigung der Ausbildungskosten in den Tarifen sichergestellt. Der vom Bündner Verband der Spitäler und Heime (BSH) und dem kantonalen Spitex-Verband initiierte Ausbildungsfonds hat mit der Entlöhnung der HF-Lernenden nichts zu tun. Er löst das Problem des Trittbrettfahrens im Bereich Ausbildung zwischen den Institutionen und stellt weder die Finanzierung der Ausbildungsaufwendungen in den Betrieben sicher, noch schafft er in verbindlicher Weise Ausbildungsplätze, da sich die Institutionen im Prinzip durch Einzahlung in den Fonds von ihrer Ausbildungspflicht freikaufen können.
2. Die Rückkehr zum alten System erfolgt, weil sich das neue nicht bewährt hat (vgl. Antwort zu Frage 3). Die Schule hat keine regulatorische Aufgaben. Ihre Funktion im Bereich der HF-Ausbildungen mit integrierten Praktika legt der Bund durch Mindestvorschriften und Rahmenlehrplan fest. Demnach werden sowohl die Auswahl der Praktika als auch deren Anforderungen vom Bildungsanbieter (Schule) festgelegt. Die Schulen tragen gemäss den eidgenössischen Bestimmungen die Gesamtverantwortung für die HF-Ausbildung und durchlaufen, wie in anderen Bereichen auch, das Anerkennungsverfahren des Bundes. In Bezug auf die Entlöhnung der Lernenden übernimmt die Schule eine Dienstleistung. Für die Regierung hingegen drängt sich im Bereich der Pflege- und Betreuungsausbildungen aufgrund des drohenden Pflegepersonalmangels und im Interesse der Versorgungssicherheit eine direkte Steuerung auf.
3. Das System, das 2007 für die neurechtlichen Ausbildungen HF-Pflege schrittweise eingeführt wurde, hat sich nicht bewährt. Nachteilig war neben der Bemessung der Löhne (insbesondere für Unterstützungspflichtige und ältere Lernende) vor allem die Tatsache, dass die Löhne nicht monatlich und durchgehend ausbezahlt werden konnten. Dies machte die HF-Pflege unattraktiv, weil sie zu einem hohen Prozentsatz eine Zweit- bzw. Grundausbildung nach dem Erwerb eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses bzw. eines Sekundarstufe II-Abschlusses ist. Ebenso wurden von den Lernenden die unterschiedliche Handhabung der Entlöhnung in den Praktikumsbetrieben während der Praktika und die Verteilung der Lohnsumme auf die drei Ausbildungsjahre beanstandet.
4. Gemäss den einschlägigen Gesetzesgrundlagen liegt die Zuständigkeit bei der Regierung. Im Rahmen der Erstellung der BASS-Studie „Pflegeausbildung und Pflegepersonalmangel im Kanton Graubünden“ vom 5. Januar 2010 und des Runden Tisches wurden zusätzlich alle wichtigen Institutionen der Gesundheitsbranche begrüsst.
16. Juni 2011