Auf eine entsprechende Frage in einem Vorstoss im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit in der Oktobersession 2008 antwortete die Regierung in der Februarsession 2009, dass im Kanton Graubünden keine Sensibilisierungskampagne bei den Zweitwohnungsbesitzern geplant werde. Ziel dieser Kampagne wäre das sehr hohe Missbrauchspotenzial bei den Hausangestellten im Zweitwohnungsbereich gewesen.
In den vergangenen Jahren ist nun auch ein stetiger Anstieg von aus der EU entsandten Arbeitern festzustellen, die direkt von Zweitwohnungsbesitzern bei Um- und Ausbauarbeiten – speziell im Innenausbau- und im Innendekorationsbereich – eingesetzt werden. Inwieweit bei diesen Arbeiten die in der Schweiz geltenden Lohnstandards und gesetzlichen Arbeitsbedingungen eingehalten werden, ist oft unklar. Aufgrund der zahlreichen Arbeitseinsätze während der Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen sind in diesem Zusammenhang Fragezeichen wohl mehr als nur angebracht.
Schwarzarbeit und Verstösse gegen das als wichtige flankierende Massnahme bei der Personenfreizügigkeit eingesetzte Entsendegesetz sind im Kanton Graubünden speziell in den Orten mit hohem Zweitwohnungsanteil und in den grenznahen Regionen ein sehr ernst zu nehmendes Problem. Einheimische Arbeitnehmer, Handwerker und Gewerbebetriebe sind mit einer nicht fass- und kontrollierbaren Konkurrenz konfrontiert und müssen unverschuldet persönliche und wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen. Den Gemeinden entgehen Steuereinnahmen und die Sozialwerke müssen auf erhebliche Beiträge verzichten.
Für Graubünden mit seiner starken Tourismusabhängigkeit ist die Personenfreizügigkeit mit der EU sowohl heute als auch in Zukunft ein zentrales Fundament für den wirtschaftlichen Erfolg und die internationale Konkurrenzfähigkeit. Gleichzeitig wird der vorhandene Zweitwohnungsbestand in unserem Kanton als Wirtschaftsfaktor weiter an Bedeutung gewinnen. Dies heisst aber auch, dass das Missbrauchspotenzial, welches die Personenfreizügigkeit zweifelsohne mit sich bringt, gezielt bekämpft werden und die Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung gegenüber dem Zweitwohnungsbestand erhalten und gefestigt werden muss. Dies wiederum kann nur durch eine konsequente Anwendung des Entsendegesetzes und des Gesetzes gegen die Schwarzarbeit gelingen.
Vor diesem Hintergrund wird die Regierung um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:
1. Mit welchen Massnahmen gedenkt die Regierung zukünftig das Entsendegesetz vom 1.6.2004 und das Gesetz gegen die Schwarzarbeit vom 1.1.2008 in unserem Kanton insbesondere bei ausländischen Zweitwohnungsbesitzern und in den grenznahen Regionen durchzusetzen?
2. Plant die Regierung aufgrund der oben geschilderten Situation Zweitwohnungsbesitzer künftig vermehrt und gezielter auf das Entsendegesetz und das Gesetz gegen Schwarzarbeit hinzuweisen?
3. Mit welchen Bussen müssen – speziell ausländische - Zweitwohnungsbesitzer allenfalls rechnen, wenn ihnen Verstösse gegen diese beiden Gesetze nachgewiesen werden?
Chur, 16. Juni 2011
Pfäffli, Augustin, Peyer, Aebli, Barandun, Baselgia-Brunner, Bezzola (Samedan), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Burkhardt, Campell, Casanova-Maron, Clalüna, Claus, Clavadetscher, Conrad, Engler, Fallet, Fasani, Fontana, Furrer-Cabalzar, Gartmann-Albin, Gasser, Geisseler, Giacomelli, Grass, Gunzinger, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Jeker, Jenny, Joos, Kappeler, Kasper, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Locher Benguerel, Mani-Heldstab, Meyer-Grass, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Michel, Müller, Nick, Niederer, Parolini, Pedrini, Perl, Pfenninger, Pult, Rathgeb, Righetti, Rosa, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Thöny, Troncana-Sauer, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Waidacher, Wieland, Zweifel-Disch, Buchli (Felsberg), Kindschi, Lauber, Paterlini, Pfister
Antwort der Regierung
Im Rahmen des Vollzuges der Flankierenden Massnahmen (FLAM) und des Schwarzarbeitsgesetzes konnte festgestellt werden, dass Verstösse gegen die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen durchwegs von den ausländischen Entsendebetrieben zu verantworten sind. Dass ausländische Zweitwohnungsbesitzer selbst ausländische Bauarbeitskräfte illegal beschäftigen und damit gegen das Entsendegesetz resp. das Schwarzarbeitsgesetz verstossen, kommt äusserst selten vor. In Fällen, da Immobilieneigentümer ausländische selbstständig Erwerbstätige beauftragen, ist lediglich zu prüfen, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt. Selbständig Erwerbstätige sind nicht an Minimallöhne und Arbeitszeitbestimmungen gebunden.
1. Der Vollzug FLAM in Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (ave-GAV) ist nicht Sache der Kantone, sondern Aufgabe der Paritätischen Berufskommissionen. Mit Ausnahme des Fliesenleger-, Bodenleger- und Innendekorateurgewerbes verfügen alle übrigen 12 Branchen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes über ave-GAV, weshalb der Kanton in diesen Branchen nichts unternehmen kann. Zur Gewährleistung eines effizienten FLAM-Vollzuges haben sich diese ave-GAV-Branchen zum Verein Arbeitskontrollstelle Graubünden (AKGR) zusammengeschlossen, welcher vom Kanton mit jährlich Franken 50‘000.-- subventioniert wird. Der Kontrolleur des AKGR arbeitet eng mit den Arbeitsmarktinspektoren des KIGA zusammen. Im Bauhaupt- und Baunebengewerbe waren im vergangenen Jahr 2‘293 Unternehmungen mit 4‘919 entsandten Arbeitskräften in unserem Kanton tätig. Davon wurden 1‘100 Betriebe mit 2‘500 Arbeitskräften kontrolliert; d.h., 50% der entsandten Arbeitskräfte sind kontrolliert worden. Gemäss Definition des SECO fallen bei Entsendungen lediglich Verstösse gegen das Bewilligungsverfahren und bei selbständig Erwerbstätigen Verstösse gegen das Meldeverfahren in den Regelungsbereich des Schwarzarbeitsgesetzes. Diese Verstösse werden durch das KIGA geahndet. Bei Verstössen gegen das Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot gemäss Arbeitsgesetz ist das KIGA auf Meldungen seitens der Gemeindebehörden oder Dritter angewiesen. Solche Meldungen gehen nur selten ein.
2. Wie dargelegt, sind es nicht die Zweitwohnungsbesitzer, sondern die ausländischen Unternehmer, welche in der Verantwortung stehen. Irgendwelche Informationskampagnen bei den auftraggebenden Zweitwohnungsbesitzern stossen daher ins Leere. Im Meldeverfahren bestätigt der ausländische Arbeitgeber entweder schriftlich oder im Rahmen der elektronischen Meldung, dass er die Entsendevorschriften kennt und sich verpflichtet, die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten. Über verschiedene Links beim Eingabeportal sind die Arbeitgeber, welche sich mehrheitlich des elektronischen Meldeverfahrens bedienen, ohne weiteres in der Lage, sich über die aktuellen Lohn- und Arbeitsbedingungen zu orientieren. Angesichts dieser Verfügbarkeit der Informationen sieht die Regierung keinen zusätzlichen Informationsbedarf.
3. Gemäss Art. 117 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AUG) können Auftraggeber, welche vorsätzlich Dienstleistungen von Entsandten in Anspruch nehmen, die über keine Arbeitsbewilligung verfügen, bestraft werden. Dieser theoretische Fall kommt in der Praxis kaum vor, da der Entsendebetrieb die Zulassungsformalitäten erledigt. In Frage kommen die Bestrafung des Entsendebetriebes wegen Verstössen gegen das Entsendegesetz, gegen das Arbeitsgesetz, ave-GAV sowie sehr selten gegen das Schwarzarbeitsgesetz. Je nach Art des Verstosses und Grössenordnung des Auftrages bewegen sich die Bussen zwischen einigen hundert und wenigen tausend Franken. Wirksamer sind Arbeitsverbote, welche das KIGA bei festgestellten Verstössen für max. 5 Jahre verfügt.
02. September 2011