Die öffentliche Hand, vorliegend der Kanton, vergibt Aufträge an die Privatwirtschaft für Studien, Machbarkeitsprüfungen, Analysen, Grundlagenpapiere und dergleichen. Zudem werden offenbar auch Steuermittel eingesetzt für Referate oder "Sparrings". Ein häufiger Auftragnehmer für solche Aufgaben ist das in Zürich beheimatete Büro Hanser und Partner, das auch für das hauptsächlich vom Kanton Graubünden finanzierte Wirtschaftsforum Graubünden die Geschäftsführung besorgt. Das Büro Hanser und Partner hat in den letzten Jahren gemäss eigener Referenzliste für den Kanton Graubünden zumindest folgende Aufträge erhalten:
Grosser Rat
- Referat in der Vorberatungskommission zum Thema „Strommarkt-Liberalisierung“ (1998)
Regierungsrat
- Erfolgskontrolle der Kantonalen Wirtschaftsförderung und Stossrichtungen für zukünftige wirtschaftspolitische Aktivitäten (1986)
Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement Graubünden (BVFD)
- Engadin Airport Samedan, Argumentarium Regionalwirtschaftliche Effekte sowie Projekt-Begleitung (2011)
Departement des Innern und der Volkswirtschaft
- Konzept für ein Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (1989)
- Volkswirtschaftliche Bedeutung der Fachhochschulen für den Kanton Graubünden (1999)
Amt für Berufsbildung
- Überprüfung möglicher Organisationskonzepte für Berufsschulen (2006)
Amt für Landwirtschaft und Geoinformation
- Evaluation der Marktpotenziale und der kantonalen Förderpolitik der Ernährungswirtschaft im Kanton Graubünden (ab 2009)
- Referat „Problematik Verarbeitung der Silo-Milch“ (2010)
Amt für Mittelschulen
- Analyse zur Zukunft des Untergymnasiums aus ökonomischer Sicht (2003)
Amt für Raumentwicklung
- Gutachten zur Behandlung des Tourismus in der kantonalen Richtplanung (1999)
- Werkzeugkasten und Konzepte für die Zweitwohnungspolitik (2008)
Amt für Tertiärbildung
- Leitfaden und Coaching für Analyse der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Höheren Fachschulen (2005)
Amt für Wirtschaft und Tourismus
- Unterstützung bei der Entwicklung von wettbewerbsfähigen Strukturen und Aufgabenteilung im Bündner Tourismus (2006)
- Umsetzungsprogramm zur Neuen Regionalpolitik für die Periode 2008 – 2011 (2007)
- Sparringpartner in Fragen der Entwicklung der Zweitwohnungspolitik (2008)
- Referenzen Öffentliche Hand, NGO’s, gemischtwirtschaftliche Institutionen Oktober 2011
- Unterstützung bei der Konzeption und Einführung einer kantonalen Tourismusabgabe (KTA) (2008)
- Grundlagen zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Feriendorf-Projekten (2010)
- Machbarkeitsprüfung für die touristische Umnutzung in potentialarmen Räumen in Graubünden: Ungenutzte Wohnräume und Ställe (2010)
- Leitfaden für Gemeinden, Behörden und Promotoren zur Ansiedlung von Feriendörfern und Hotels in alpinen Tourismusdestinati-onen (2010)
- Umsetzungsprogramm 2012 – 2015 für die Kantonale neue Regionalpolitik (2010)
- Standortentwicklung Graubünden (2010)
- Pilotprojekte für die kommunale Zweitwohnungspolitik (2010)
- Investorensuche Sägerei Domat/Ems (2011)
In diesem Zusammenhang stellen die Unterzeichnenden der Regierung folgende Fragen:
1. In welchem finanziellen Umfang vergibt der Kanton jährlich Arbeiten im vorstehenden Sinne?
2. Welcher Anteil davon ging in den letzten Jahren an das Büro Hanser und Partner?
3. Wie hoch ist der Anteil der Arbeitsvergabe im Kanton und ausserhalb des Kantons?
4. Nach welchen Kriterien werden die AuftragnehmerInnen ausgewählt?
5. Was unternimmt die Regierung, um keine einseitigen Bevorzugungen entstehen zu lassen und damit unter potenziellen Auf-tragsnehmerInnen ein gewisser Wettbewerb bestehen bleibt?
6. Wie beurteilt die Regierung die Meinung, dass die Vergabe solcher Aufträge öffentlich ausgeschrieben werden sollte?
Chur, 19. März 2012
Peyer, Pult, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Thöny, Trepp, Deplazes, Hensel, Monigatti
Antwort der Regierung
1. Der Kanton vergab in den letzten vier Jahren im Durchschnitt für rund 14 Millionen Franken pro Jahr Arbeiten unter dem Titel Dienstleistungen Dritter, womit die Aufträge im weiteren Sinne der Anfrage erfasst sind. Das Auftragsvolumen für Beratungsmandate lässt sich der Vergabestatistik nicht entnehmen. Dieses dürfte jedoch im Vergleich zum gesamten Dienstleistungsvolumen eine untergeordnete Rolle spielen. Den mit Abstand grössten Anteil machen die Baudienstleistungen aus (insbesondere Ingenieur- und Architekturleistungen).
2. Das Büro Hanser und Partner AG erhielt zwischen 2007 und 2011 Aufträge für rund 400 000 Franken pro Jahr, was einem Anteil am erwähnten Auftragsvolumen von rund 2,8 Prozent entspricht. Das Büro ist eines von mehreren Unternehmungen, welches von der kantonalen Verwaltung Beratungsaufträge erhalten hat. Eine auffällige Häufung von Auftragsvergaben an diese Firma ist lediglich beim Amt für Wirtschaft und Tourismus festzustellen. Ganz grundsätzlich gilt es zu bemerken, dass der Anbieterkreis von hinreichend qualifizierten Beratungsfirmen, welche Aufgabenstellungen in der geforderten Qualität zu bearbeiten vermögen, in Graubünden relativ klein und eingeschränkt ist.
3. Der Anteil der Arbeitsvergabe im Kanton betrug in dieser Zeit rund 60 Prozent. Die restlichen 40 Prozent gingen an Auftragnehmer ausserhalb des Kantons Graubünden.
4. Bei Dienstleistungen steht die qualitative Eignung des Anbieters wie Erfahrung der Firma und des eingesetzten Personals, Referenzen, Projektorganisation bzw. -abwicklung, Konzept oder Auftragsanalyse meistens an oberster Stelle. Der Preis spielt eine wichtige, aber meistens nicht die entscheidende Rolle. Gemäss der ständigen Rechtsprechung des Bündner Verwaltungsgerichts kann bei komplexeren Aufträgen dem Preis eine untergeordnete Bedeutung zukommen; dies im Gegensatz zu einfacheren Aufträgen, wo der Preis gemäss der verwaltungsgerichtlichen Doktrin mit mindestens 50 Prozent zu gewichten ist.
5. Es kann festgestellt werden, dass sich die kantonalen Beschaffungsstellen an die Submissionsgesetzgebung halten und den Hauptzielen des Beschaffungsrechts wie wirtschaftlicher Einsatz öffentlicher Mittel, Förderung des Wettbewerbs, Gleichbehandlung der Anbieter, Sicherstellung von Transparenz und Rechtsschutz bei ihren Vergaben Rechnung tragen. Gleiches hat auch eine Prüfung durch die Finanzkontrolle im letzten Jahr ergeben. Aufgrund dieser etablierten Vergabepraxis sieht die Regierung keinen Anlass für zusätzliche Massnahmen wie Erlass von Weisungen und dergleichen. Die Abhängigkeit von Einzelfirmen (sog. "Hoflieferanten") gilt es zu vermeiden und für einen genügenden Wettbewerb ist zu sorgen.
6. Aufträge sind gemäss dem geschätzten Auftragswert im vom Gesetz vorgesehenen Verfahren durchzuführen. Für Dienstleistungen bedeutet dies, dass Aufträge mit einem Gesamtwert von unter 100 000 Franken grundsätzlich freihändig, von 100 000 bis 250 000 Franken im Rahmen eines Einladungsverfahrens und erst ab einer Summe von mehr als 250 000 Franken im Rahmen eines offenen Verfahrens mit Amtsblattausschreibung zu beschaffen sind. Mit dem Ausnützen dieser gesetzlichen Schwellenwerte wird den Interessen der einheimischen Volkswirtschaft bestmöglich Rechnung getragen. Um zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden und einen gewissen Handlungsspielraum zu erhalten, ist die freiwillige öffentliche Ausschreibung sämtlicher Aufträge nicht empfehlenswert.
29. Juni 2012