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Session: 20.03.2012
Auf Grund des Beschlusses des Grossen Rates in der Aprilsession 2008 werden ab dem Schuljahr 2012/2013 auf der Primarschulstufe im Kanton Graubünden zwei Fremdsprachen unterrichtet. Der Unterricht in der ersten Fremdsprache beginnt in der 3. Primarklasse, der Unterricht in Englisch in der 5. Primarklasse.

Auf der Oberstufe werden folglich mindestens eine Kantonssprache sowie Englisch als Fremdsprache unterrichtet. Diese Regelung des Fremdsprachenunterrichts entspricht dem Gesamtsprachenkonzept der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und ist auch im Lehrplan 21 vorgesehen, den alle deutschsprachigen Kantone gemeinsam festlegen wollen.

Anlässlich der Beratung der Totalrevision des Gesetzes für die Volksschulen des Kantons Graubünden hat sich in der Diskussion innerhalb der Kommission für Bildung und Kultur (KBK) gezeigt, dass betreffend der Einführung von zwei Fremdsprachen auf der Primarschulstufe Bedenken vorhanden sind.

Damit dieses Sprachenkonzept längerfristig zielführend ist und einer allfälligen Überforderung der Schülerinnen und Schüler entgegengewirkt werden kann, beauftragt die KBK die Regierung, auf kantonaler und nationaler Ebene wie folgt aktiv zu werden:

1. Auf kantonaler Ebene

Die Regierung wird ersucht für Schülerinnen und Schüler der Volksschule, welche mit dem Erlernen von zwei Fremdsprachen stark überfordert sind, in begründeten Fällen eine Möglichkeit zur Dispensation von einer Fremdsprache zu schaffen zu Gunsten einer Stärkung der Erstsprache. Die Dispensation soll von der Lehrperson zusammen mit den Erziehungsberechtigten beantragt und von der Schulträgerschaft beschlossen werden. Vom Entlastungsangebot sollen auch Schülerinnen und Schüler ohne Lernzielanpassung Gebrauch machen können.

2. Auf nationaler Ebene

Die Regierung wird aufgefordert, innerhalb der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) das Fremdsprachenkonzept zu thematisieren. Dabei wird die Regierung gebeten, eine Standortbestimmung mit dem Ziel anzuregen, bisher gemachte Erfahrungen mit zwei Fremdsprachen auf der Primarschulstufe aufzuzeigen und zu analysieren. Daraus resultierende Erkenntnisse sind in der weiteren Erarbeitung des Lehrplans 21 zu berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang soll weiter geklärt werden, ob die Lehrpersonen, welche an den Pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden, über die entsprechenden Sprachkompetenzen verfügen.

Die Regierung wird gebeten, die Antworten der EDK der Kommission für Bildung und Kultur in geeigneter Weise zu unterbreiten.

Chur, 20. März 2012

Locher-Benguerel, Berther (Disentis/Mustér), Bezzola (Samedan), Burkhardt, Casty, Clalüna, Dermont, Fasani, Furrer-Cabalzar, Krättli-Lori, Mani-Heldstab

Antwort der Regierung

Die Regierung teilt die Auffassung der Kommission für Bildung und Kultur (KBK), dass das heute gültige Fremdsprachenkonzept, welches die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) verfolgt, für Lehrpersonen und namentlich auch die Schülerinnen und Schüler anspruchsvoll ist. Auch in anderen Kantonen wird darüber diskutiert, einzelne Schülerinnen und Schüler vom Fremdsprachenunterricht zu befreien. Der aktuelle Bündner Lehrplan für die Volksschul-Oberstufe sieht bereits heute für die Realschule das „Abwählen“ von Fremdsprachen im Pflichtfachbereich ausnahmsweise vor.

1. Zu den Aufträgen der KBK auf kantonaler Ebene:
Im Rahmen der regierungsrätlichen Ausführungsbestimmungen zum neuen Schulgesetz ist vorgesehen, auch künftig eine Möglichkeit zu schaffen, um Schülerinnen und Schüler der Volksschule, welche mit dem Erlernen von zwei Fremdsprachen stark überfordert sind, in begründeten Fällen vom Unterricht in einer Fremdsprache zu befreien. Dies soll in der Regel zu Gunsten der Stärkung der Erstsprache erfolgen, ausnahmsweise auch zur Förderung in einem anderen Fachbereich. Die Befreiung von einem Fach soll mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten von der Lehrperson beantragt und vom Amt für Volksschule und Sport genehmigt werden.

Aufgrund des vom Grossen Rat am 21. März 2012 verabschiedeten Schulgesetzes und der darin festgehaltenen Definitionen sieht die Regierung jedoch keine Möglichkeit, eine Dispensation auch für Schülerinnen und Schüler ohne Lernzielanpassung vorzusehen. Nach Meinung der Regierung entspricht die Befreiung von einem Fach der grösstmöglichen Lernzielanpassung – mit entsprechenden Konsequenzen für den Lehr- und Lektionenplan der Schülerin bzw. des Schülers. Diese Lernzielanpasung kommt faktisch einer Dispensation gleich, entspricht aber den neuen gesetzlichen Bestimmungen und sieht ein Verfahren vor, das der Tragweite des Entscheides gerecht wird.

2. Zu den Aufträgen der KBK auf nationaler Ebene:
Eine Standortbestimmung der bisher gemachten Erfahrungen mit zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe ist zurzeit noch verfrüht. Der Kanton Graubünden startet nun im kommenden Schuljahr 2012/13 mit der zweiten Fremdsprache im 5. Schuljahr der Primarstufe. Ferner beginnen all jene Kantone, welche wie Graubünden eine Landessprache ab der 3. Klasse sowie Englisch ab der 5. Klasse unterrichten und somit für eine Standortbestimmung für unseren Kanton ebenfalls interessante Vergleichsresultate liefern könnten, frühestens im Schuljahr 2013/14 mit der zweiten Fremdsprache auf der Primarstufe. Aus einer allfälligen Evaluation resultierende Erkenntnisse könnten somit erst in eine erste Überarbeitung der nationalen Bildungsstandards bzw. des Lehrplans 21 einfliessen. Eine solche Überarbeitung wird jedoch primär durch die Kantone erfolgen, welche dem Konkordat HarmoS beigetreten sind. HarmoS sieht zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe verbindlich vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass zentrale Eckwerte dieses Konkordates auf Antrag eines Nicht-HarmoS-Kantons abgeändert würden.

Durch das HarmoS-Konkordat hat die EDK eine rechtliche Grundlage, um nationale Bildungsstandards für die obligatorische Schule zu entwickeln. Die Erreichung dieser Standards wird in Zukunft unter anderem im Bereich Fremdsprachen am Ende des 6. und 9. Schuljahres schweizweit geprüft. Aus dieser Evaluation können Schlüsse gezogen werden zur Frage, ob Schülerinnen und Schüler mit zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe tendenziell überfordert sind. Eine zusätzliche aufwändige Standortbestimmung, wie sie die KBK anregt, ist aus Sicht der Regierung deshalb nicht angezeigt.

Die Pädagogischen Hochschulen schliessen mit ihren Standortkantonen Leistungsverträge ab und orientieren sich an interkantonalen Vorgaben der EDK. Darin sind die nötigen Sprachkompetenzen der Studienabgänger definiert und die Ausgestaltung der Ausbildungsgänge und der Sprachabschlüsse verbindlich festgehalten. Dazu müssen aus Sicht der Regierung keine weiteren Massnahmen getroffen werden.

Die Regierung ist bereit, den Kommissionsauftrag entgegenzunehmen.

27. Juni 2012