Gemäss Art. 2 des Gesetzes über die Unterstützung Bedürftiger (Kantonales Unterstützungsgesetz, BR 546.250) bestimmt die zuständige Sozialbehörde Art und Mass der Unterstützung nach dem ausgewiesenen Bedarf unter Würdigung der örtlichen und persönlichen Verhältnisse.
In den Ausführungsbestimmungen zum kantonalen Unterstützungsgesetz ist in Art. 1 der Grundsatz geregelt. Demnach gelten für die Bemessung der Unterstützung durch die zuständige Gemeinde grundsätzlich die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Lediglich bei den Wohnkosten ist auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen.
Zusätzlich ist bei Erwerbstätigkeit ein Einkommensfreibetrag zu gewähren resp. bei der Ausübung von zugewiesener Gemeindearbeit oder anerkannter gemeinnütziger Arbeit ist eine Integrationspauschale auszurichten.
Demgegenüber kann bei ungenügenden Integrationsanstrengungen der Grundbedarf um maximal 15% während 12 Monaten gekürzt werden.
Bei Personen mit geringer Ausbildung zeigt sich in der Praxis, dass die Höhe der so berechneten Sozialhilfe praktisch keinen Anreiz zur Aufnahme einer bezahlten Erwerbstätigkeit darstellt. Die Differenz zwischen erzielbarem Lohn und zustehender Sozialhilfe ist zu gering. Mit den geltenden Ansätzen ist die finanzielle Möglichkeit zur Belohnung integrationswilliger Unterstützungsbedürftiger und den Kürzungsmöglichkeiten bei resistenter Verweigerung zur Integration zu bescheiden und eine nachhaltige Wirkung wird verfehlt.
Aus diesen Gründen stellen die Unterzeichneten folgende Fragen an die Regierung:
1. Sind die Lebenshaltungskosten in Graubünden mit einem gesamtschweizerisch geltenden Ansatz gemäss SKOS für den Grundbedarf tatsächlich richtig abgebildet?
2. Mit welchen Anpassungen kann der Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erhöht werden?
Samnaun, 13. Juni 2012
Casanova-Maron, Kleis-Kümin, Kollegger (Chur), Berther (Camischolas), Blumenthal, Brandenburger, Burkhardt, Casutt, Cavegn, Claus, Clavadetscher, Conrad, Dosch, Engler, Fontana, Furrer-Cabalzar, Geisseler, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Holzinger-Loretz, Jenny, Kasper, Koch (Igis), Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Lorez-Meuli, Marti, Meyer-Grass, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Michel (Davos Monstein), Montalta, Nick, Niederer, Nigg, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parpan, Pedrini, Perl, Pfäffli, Rosa, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tomaschett (Breil), Troncana-Sauer, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wieland, Zweifel-Disch, Berther (Segnas), Kuoni
Antwort der Regierung
Die Rechtsgrundlagen zur Ausrichtung der Sozialhilfe sehen Massnahmen vor, die den Anreiz zur Erwerbstätigkeit oder zu eigenen Integrationsanstrengungen fördern (Einkommensfreibetrag und Integrationspauschale). Sie definieren auch Sanktionsmassnahmen, die bei ungenügenden Integrationsanstrengungen ergriffen werden können.
Die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) definieren, wie die Sozialhilfe berechnet wird. Die Richtlinien sind anerkannt und werden auch als Basis der gerichtlichen Praxis verwendet. Diese breite Abstützung war ausschlaggebend dafür, die Richtlinien als Grundlage für die Bemessung der Unterstützungsleistungen in die Ausführungsbestimmungen zum kantonalen Unterstützungsgesetz aufzunehmen. Dass diese Berechnung gesamtschweizerisch nach gleichen Grundsätzen erfolgt, ist nach Auffassung der Regierung richtig. Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit sind im Bereiche der Sozialhilfe genauso erforderlich, wie in anderen Bereichen der sozialen Sicherheit.
1. Die Lebenshaltungskosten werden mit den gesamtschweizerischen Ansätzen der SKOS-Richtlinien auch für den Kanton Graubünden richtig abgebildet.
Das soziale Existenzminimum umfasst die materielle Existenzsicherung bestehend aus dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt, den Wohnkosten für eine bescheidene Wohnung nach ortsüblichen Mietpreisen und der medizinischen Grundversorgung. Der in den Richtlinien der SKOS festgelegte Grundbedarf basiert wesentlich auf den Preisen für die Grundnahrungsmittel. Diese sind insbesondere bei den Grossverteilern in allen Kantonen vergleichbar. Die örtlichen Verhältnisse und die regionalen Unterschiede zeigen sich vor allem bei den Wohnkosten und den Krankenkassenprämien. Diese Kostenkategorien sind ausdrücklich nicht Bestandteil der Unterhaltspauschalen sondern werden separat nach den jeweiligen Ansätzen in den Kantonen und Gemeinden berechnet.
Die Ansätze für den Grundbedarf in den SKOS-Richtlinien basieren auf einem Warenkorb, der vom Bundesamt für Statistik berechnet wurde. Die Zusammensetzung der Ausgabenpositionen und die Höhe des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt entsprechen dem Konsumverhalten des untersten Einkommensdezils, d.h. der einkommensschwächsten zehn Prozent der Schweizer Haushalte. Auf diese Weise wird statistisch abgesichert, dass die Lebensunterhaltskosten von Unterstützten mit den Ausgaben nichtunterstützter Haushalte, die in sehr bescheidenen Verhältnissen leben, übereinstimmen.
2. Missbrauch durch Einzelne wird auch im Bereich der Sozialhilfe nicht komplett zu verhindern sein. Die Gemeinden sind gefordert, die möglichen Sanktionsmassnahmen wie Kürzung oder Streichung der Sozialhilfe konsequent durchzusetzen. Den stärksten Anreiz, von der Sozialhilfe loszukommen, bieten gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und möglichst existenzsichernde Löhne. Mit der Realisierung von Beschäftigungsprogrammen oder einer Sozialfirma werden Arbeitsmöglichkeiten für leistungsschwächere Personen geschaffen, die diese herausfordern, trotz Leistungsdefiziten das Möglichste zu tun und sie darauf vorbereiten, wieder in den Arbeitsmarkt zu gelangen.
23. August 2012