In den letzten Jahren wurde der bestehende und zukünftige Mangel an Pflege- und Betreuungspersonal vermehrt thematisiert, in verschiedenen Studien untersucht und am runden Tisch des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) besprochen. So wurde im Kanton Graubünden im Jahr 2009 vom Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) zum Thema ein runder Tisch installiert und in Zusammenarbeit mit dem Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement eine Studie zur Pflegeausbildung und zum Pflegepersonalmangel in Graubünden in Auftrag gegeben, deren Resultate Anfang 2010 vorlagen.
Zusammengefasst zeigt sich die Situation in Bezug auf die praktischen Ausbildungsplätze derzeit wie folgt:
Dreijährige Lehre zur Fachperson Gesundheit (FaGe): Zwar wurden in den letzten Jahren Lehrstellen geschaffen, im Vergleich zu anderen Kantonen bewegt sich die Anzahl Lehrstellen in Graubünden jedoch immer noch im unteren Bereich. In grösseren Spitälern werden vielfach nur etwa 15 bis 20 Prozent der Bewerbungen berücksichtigt. Da Personen mit einem grösseren Lernpotential mehrheitlich eine Lehrstelle in einem Akutspital anstreben, ist beispielsweise das Angebot für die lehrbegleitende Berufsmatura neben der Rekrutierung direkt von der Anzahl Lehrstellen in den Spitälern abhängig. In der Vergangenheit konnte nicht jedes Jahr eine Berufsmaturaklasse geführt werden, was wiederum den Mangel bei den höheren Ausbildungen verschärft.
Pflegeausbildung Höhere Fachschule (HF): Ab dem Jahr 2013 fehlen mindestens acht Praktikumsplätze in Akutspitälern, Tendenz steigend. In diesem Sommer mussten aufgrund fehlender Praktikumsplätze gute Bewerbungen abgewiesen werden, weil die praktische Ausbildung nicht garantiert werden konnte. Einblick-/Spezialpraktika für HF Lernende auf der Intensivstation, im Notfall/bei der Rettung, in den Kinderkliniken oder im Operationssaal werden von den Spitälern in den letzten Jahren nicht mehr angeboten, somit werden diese Bereiche auch weniger nachgefragt. Kantone mit einem breiten Praktikumsangebot – insbesondere im Akutbereich – sind gegenüber Graubünden klar im Vorteil.
Berufsbegleitende Spezialausbildungen für diplomierte Pflegefachpersonen HF wie Nachdiplomstudium in Intensivpflege, Operationsfachfrau/-mann, Notfall/Rettungssanität, Spitex: Hier ist die Zahl der praktischen Ausbildungsplätze seit Jahren rückläufig.
Berufsbegleitende Ausbildung in Aktivierungstherapie mit Schwerpunkt im Langzeitbereich: Trotz des besonders im Langzeitbereich erwarteten gravierenden Personalmangels im Pflege- und Betreuungsbereich zeigt eine kürzlich durchgeführte Umfrage bei potentiellen Ausbildungsbetrieben im Kanton, dass in Graubünden lediglich zwei bis drei Praktikumsplätze bereitgestellt würden. Obwohl in dieser Ausbildung auch in Graubünden ein Potential liegt, das Berufsfeld im Langzeitbereich attraktiver zu gestalten und weitere Personensegmente für die Betreuung von gebrechlichen und von Demenz betroffenen Personen zu gewinnen. Sofern die praktischen Ausbildungsplätze nicht gesichert werden können, wird es weiterhin nicht möglich sein, diese praxisnahe Ausbildung in Graubünden anzubieten, obwohl seitens weiterbildungswilliger Personen dafür eine Nachfrage besteht.
Trotz der Bemühungen und den Anstrengungen seitens des DJSG, die Pflicht zur Ausbildung von Pflege- und Betreuungspersonal auch in der einschlägigen Gesetzgebung zu verankern, hat sich in Bezug auf das Angebot an praktischen Ausbildungsplätzen (Praktikumsplätze/Lehrstellen) bisher wenig geändert. Das Angebot ist gegenüber den Vorjahren teilweise sogar rückläufig. Der limitierende Faktor in Bezug auf Ausbildung ist nicht mehr nur die Nachfrage nach einer Ausbildung im Pflege- und Betreuungsbereich, sondern auch das ungenügende Praktikumsplatzangebot, insbesondere im Bereich der Spitäler und der Spezialgebiete.
Neben der Erhöhung der Anzahl Ausbildungsplätze bzw. Abschlüsse muss der Erhöhung der Berufsverweildauer (BVD) von Pflege- und Betreuungspersonen ein ebenso grosses Gewicht eingeräumt werden (heute beträgt die BVD lediglich etwa 8 bis 12 Jahre). Erstens ist die Hebelwirkung einer solch bestandeswirksamen Intervention grösser und zweitens ist sie ökonomisch interessant, da die Ausbildung von zusätzlichen Pflege- und Betreuungsfachpersonen sehr kostenintensiv ist.
Um die nachhaltige Schaffung von Praktikumsplätzen und Lehrstellen für Pflege- und Betreuungsberufe (Ausbildungsplätze) und die sukzessive Erhöhung der Berufsverweildauer sicherzustellen, ersuchen die Unterzeichnenden die Regierung Folgendes zu unternehmen:
1. Das Angebot an Ausbildungsplätzen für die verschiedenen Pflege- und Betreuungsausbildungen im Kanton jährlich nach einheitlicher statistischer Grundlage zu erheben, diese mit dem approximativen Bedarf an ausgebildetem Personal pro Beruf zu vergleichen und im Rahmen des Jahresprogramms Bericht zu erstatten.
2. Die Vorgaben in Bezug auf das Angebot an Ausbildungsplätzen für die verschiedenen Ausbildungen und Betriebe zu konkretisieren und verbindlich zu erklären.
3. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe im Gesundheitsbereich nachhaltig zu fördern und dazu weitergehende Regelungen für ein gezieltes finanzielles Anreizsystem zu implementieren.
4. Am zukünftigen Personalbedarf in den Pflege- und Betreuungsberufen orientierte und zahlenmässig definierte Leistungsaufträge an Spitäler, Heime und Spitexorganisationen zu erteilen unter besonderer Berücksichtigung der pflegerischen Spezialausbildungen und der Ausbildung in Aktivierungstherapie und Gerontologie.
5. Die Finanzierungssysteme von Pflegeheimen (u.a. in Bezug auf die Abrechnungskategorie Betreuungskosten), sowie von Spitex und Spitälern (Abrechnungskategorie gemeinwirtschaftliche Leistungen) mit Blick auf die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zu überprüfen bzw. zu spezifizieren.
6. Der Verlängerung der Berufsverweildauer in den Pflege- und Betreuungsberufen als Hauptansatz gegen den Personalmangel Nachachtung zu verschaffen und wo notwendig Rahmenvorgaben zur Steuerung zu erlassen, z.B. durch Unterstützung von flexibleren Arbeitszeitmodellen und die Einrichtung von umfassenden Kinderbetreuungsangeboten; dazu ist unter anderem die Verweildauer in den Bündner Betrieben als Grundlage periodisch zu ermitteln.
Chur, 24. Oktober 2012
Bucher-Brini, Hensel, Furrer-Cabalzar, Baselgia-Brunner, Dermont, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Jeker, Kappeler, Locher Benguerel, Meyer-Grass, Müller (Davos Platz), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pult, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Lauber, Monigatti, Rischatsch-Casaulta
Antwort der Regierung
Die Regierung stellt mit Befriedigung fest, dass die Massnahmen zur Motivation von Jugendlichen für Ausbildungen im Gesundheitswesen und die Umsetzung der neuen Bildungssystematik in den Betrieben zu greifen beginnen und dass es dank verschiedener Ausbildungswege insgesamt mehr Lernende im Gesundheitsbereich gibt. Unbefriedigend erachtet sie insbesondere auch auf dem Hintergrund des sich abzeichnenden Mangels an Pflege- und Betreuungspersonal demgegenüber den Umstand, dass auf Grund von fehlenden Lehrstellen und Praktikumsplätzen nicht allen geeigneten Personen eine Ausbildung ermöglicht werden kann. Zu den im Vorstoss diesbezüglich erwähnten Zahlen ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass diese eine punktuelle Situation zu ausgewählten Berufen darstellen. Dass nicht alle genau jene Ausbildung absolvieren können, die sie sich wünschen, ist eine Tatsache, die für verschiedene Berufe zutrifft. Das Spezielle im Fall der Berufe im Gesundheitswesen ist jedoch, dass es gleichzeitig auch an ausgebildeten Fachkräften fehlt und diese in grosser Zahl im Ausland rekrutiert werden müssen.
Zu dem im Auftrag aufgelisteten Massnahmenkatalog zur Erhöhung der Anzahl Praktikumsplätze und Lehrstellen und der Erhöhung der Berufsverweildauer nimmt die Regierung wie folgt Stellung:
1. Das Gesundheitsamt veröffentlicht bereits heute in seinen Kenndatenbüchern jährlich eine Übersicht zu den im Gesundheitswesen tätigen und den in Ausbildung zu einem Pflege- und Betreuungsberuf stehenden Personen. Ebenso kann dem Jahresbericht des BGS die Anzahl der in Ausbildung stehenden Personen entnommen werden. Eine weitergehende Berichterstattung hält die Regierung zurzeit für nicht notwendig.
2. Die Alters- und Pflegeheime sowie die Spitexorganisationen werden bereits heute durch Art. 22 des Krankenpflegegesetzes und Art. 17 Abs. 6 lit. a und b sowie Art. 21 lit. d und e der Verordnung zum Gesundheitsgesetz verpflichtet, eine definierte Anzahl Lehrstellen und Praktikumsplätze bereit zu stellen. Für den Akutbereich werden entsprechende Vorgaben auf den 1. Januar 2013 erfolgen.
3. Die Regierung ist der Meinung, dass die bestehenden gesetzlichen Grundlagen zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe genügen. Ein finanzielles Anreizsystem ist bereits heute gegeben, indem die Beiträge des Kantons an Betriebe, welche ihrer Ausbildungsverpflichtung nicht nachkommen, gekürzt werden können.
4. Die Verordnung zum Gesundheitsgesetz enthält in Art. 16 und 17 sowie in
Art. 20 und 21 detaillierte qualitative und quantitative Vorgaben an die Pflegeheime und die Spitex-Dienste zu deren Personalbestand. Per 1. Januar 2013 werden auch entsprechende Vorgaben an die Spitäler erfolgen, wobei hier detaillierte Vorgaben auf Grund des teilweise rasch sich ändernden Patientengutes schwierig sind.
5. Wie in Ziffer 3 aufgezeigt, ist das Finanzierungssystem der Spitäler, Pflegeheime und Spitex-Dienste durch die Möglichkeit der Kürzung der Betriebsbeiträge bei fehlenden Ausbildungsplätzen so konzipiert, dass die Betriebe angehalten werden, Ausbildungsplätze bereitzustellen. Eine Überprüfung beziehungsweise Spezifizierung des Finanzierungsproblems drängt sich somit nicht auf.
6. Die Spitäler sowie die Alters- und Pflegeheime werden in Art. 7 lit. g beziehungsweise Art. 11a lit. a der Verordnung des Krankenpflegegesetzes verpflichtet, dem Gesundheitsamt bis am 31. März des Folgejahres die Fluktuationsrate des Vorjahres mitzuteilen. Die Verweildauer in den Bündner Betrieben ist nur beschränkt aussagekräftig für die gesamte Verweildauer im Beruf. Die gesamte Berufsverweildauer kann nur mittels einer Umfrage bei aktiven und ehemaligen Berufsangehörigen ermittelt werden. Eine entsprechende Erhebung ist mit erheblichen Kosten verbunden und wird entsprechend von der Regierung abgelehnt. Die in der Frage anvisierten Vorgaben des Kantons zur Verlängerung beziehungsweise Steuerung der Berufsverweildauer sind operativer Natur. Sie sind entsprechend von den Betrieben mit Unterstützung des Spital- und Heimverbandes zu entwickeln und umzusetzen.
Wie vorstehend dargelegt, sind die im Auftrag aufgelisteten Massnahmen, soweit sie in den Zuständigkeitsbereich des Kantons fallen, von der Regierung und dem zuständigen Departement bereits ergriffen und umgesetzt worden, teilweise in anderer Form als im Auftrag formuliert, jedoch mit dem gleichen Ergebnis beziehungsweise mit der gleichen Wirkung. Die Regierung beantragt entsprechend, den Auftrag, da bereits erfüllt, abzulehnen.
17. Dezember 2012