Die Schulträger wurden mit dem Regierungsbeschluss vom 15. Januar 2013 gestützt auf Art. 29 SG verpflichtet, ab dem 1. August 2013 bis zur Inkraftsetzung des neuen Lehrplans 21, eine wöchentliche Kindergartenzeit von im Minimum 20 Stunden anzubieten, wobei die Randauffangzeiten auch darin integriert sein können. Es steht den Schulträgern frei, diese Kindergartenzeit auf die fünf Vormittage und weitere Nachmittage oder nur auf die fünf Vormittage zu verteilen.
Die Erhöhung der Kindergartenzeit von vorher 8 bis 20 Stunden auf 20 Stunden stellt kleine und dezentrale Schulen vor eine grosse organisatorische und finanzielle Herausforderung.
In kleinen Kindergärten werden 5 bis 10 Kinder betreut und das einzelne Kind geniesst in der Kleingruppe während seiner Kindergartenzeit einen intensiven Unterricht.
Um nun diese geforderte Kindergartenzeit an den fünf Vormittagen anbieten zu können, müssen die Schulträger die drei Stunden Blockzeit auf vier Stunden ausweiten, was mit Randauffangzeiten erzielt wird. Zwischen den Postautoverbindungen (organisiertem Schulweg) erreichen die Kindergärtner deshalb die geforderten betreuten 4 Stunden am Morgen nicht. Dies hat zur Folge, dass der Schulträger in einem solchen Fall seine Kindergärtnerin wöchentlich für bis zu 1½ Lektionen Auffangzeit, ohne Kinderbetreuung entschädigen müssen (Kindergärtner sind entweder noch nicht oder nicht mehr anwesend).
Aufgrund der langen Schulwege müssen die Kindergärtner zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr vom Postautotransport Gebrauch machen. Diese Kinder können die nicht obligatorischen Randauffangzeiten nie nutzen, einige müssen beim zusätzlichen Nachmittagsunterricht die Mittagszeit in der Schule verbringen. Diese fünf- und sechsjährigen Kindergärtner bewältigen mit einem zusätzlichen Nachmittag dasselbe wöchentliche Pensum wie ein siebenjähriger Erstklässler.
Die Regierung wird ersucht, folgende Fragen zu beantworten:
- Warum hat die Regierung nicht die 15 Stunden obligatorische Blockzeit als minimale Stundendotation für den Kindergarten festgelegt?
- Mit den beschlossenen 20 Stunden Kindergartenzeit liegt der Kanton Graubünden im Vergleich mit den Kantonen, welche sich am Lehrplan 21 beteiligen, zur Spitzengruppe. Aus welchem Grund setzt die Regierung die Stundendotation für den Kindergarten derart hoch an?
- Der Besuch des Kindergartens ist nicht obligatorisch; befürchtet die Regierung nicht, dass Eltern ihre Kinder aufgrund der hohen Präsenzzeit nicht mehr zum Unterricht schicken?
- Teilt die Regierung die Auffassung, dass eine Flexibilisierung der Stundendotation (18 bis 20 Stunden) die Bedürfnisse der Bündner Kindergärten besser abdecken würde?
Chur, 30. August 2013
Blumenthal, Caduff, Buchli-Mannhart, Albertin, Barandun, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Camischolas), Bondolfi, Caluori, Casutt-Derungs Silvia, Cavegn, Darms-Landolt, Dermont, Dosch, Fasani, Felix, Florin-Caluori, Furrer-Cabalzar, Grass, Hardegger, Holzinger-Loretz, Joos, Kleis-Kümin, Koch (Tamins), Kollegger (Malix), Lorez-Meuli, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Papa, Pedrini, Pfenninger, Righetti, Sax, Steck-Rauch, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Waidacher, Wieland, Zweifel-Disch, Bürgi-Büchel, Decurtins-Jermann, Degonda, Deplazes, Gugelmann
Antwort der Regierung
Der Kindergarten wurde mit der Totalrevision des Gesetzes für die Volksschulen des Kantons Graubünden vom 21. März 2012 (Schulgesetz; BR 421.000) in die Volksschule integriert und ist damit näher an die weiterführenden Schulstufen gerückt. Der Übergang von der Kindergarten- in die Primarstufe soll in fachlich-propädeutischer und sozialer Hinsicht optimiert werden und möglichst nahtlos verlaufen. Zudem sollen in Bezug auf die Entwicklungschancen von Kindern mit verschiedensten Voraussetzungen in allen Schulträgerschaften die gleichen Bedingungen gelten.
Gestützt auf die Botschaft zur Totalrevision des Schulgesetzes vom 5. Juli 2011 hat die Regierung mit Beschluss vom 15. Januar 2013 die Stundendotation auf der Kindergartenstufe deshalb auf mindestens 20 Stunden festgelegt. Damit soll der Kindergarten zukunftsweisend positioniert werden.
Die bisherige gesetzliche Vorgabe zur Stundendotation im Kindergarten war mit 8 bis 20 Stunden flexibel festgelegt. Effektiv betrug die Unterrichtszeit jedoch bereits bis anhin in vielen Kindergärten 20 Stunden und mehr. Die im Rahmen der Erarbeitung der Botschaft zum Schulgesetz erhobenen Daten aus dem Schuljahr 2009/10 belegen, dass die wöchentliche Unterrichtszeit (inkl. Auffangzeiten) in 93 von 111 Trägerschaften bei mindestens 20 Stunden festgelegt war (z. B. Chur 22,5 Std., Grono 25 Std., Luzein 20,08 Std., Consorzi Mundaun 21,28 Std.). Einige Gemeinden lagen im Bereich von 18 bis 20 Stunden und nur einzelne tiefer.
Zur Frage 1: Die Blockzeit am Vormittag, welche auf der Kindergartenstufe mindestens drei aufeinander folgende Stunden umfasst, soll veränderten Familienstrukturen und der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie Rechnung tragen, indem ein verbindlicher zeitlicher Rahmen für die Unterrichtszeit am Morgen vorgegeben wird. Die Blockzeit entspricht jedoch weder auf der Kindergarten- noch auf der Primarstufe der gesamten wöchentlichen Unterrichtszeit.
Zur Frage 2: Die wöchentliche Unterrichtszeit war in einer Mehrheit der Kindergärten bereits bisher im Rahmen von 20 Stunden festgelegt. Die neu vorgegebene Mindestdotation führt deshalb für viele Gemeinden zu keiner bzw. nur zu einer geringen Erhöhung der Unterrichtszeit.
Mit der neuen Mindestdotation liegt der Kanton Graubünden im Vergleich mit anderen Kantonen leicht über dem Durchschnitt. Die von der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz ermittelten maximalen Unterrichtszeiten liegen in einer Spannweite von 11,7 und 22 Stunden (erstes Kindergartenjahr) bzw. 16,5 und 25 Stunden (zweites Kindergartenjahr), wobei darin aber nur die obligatorische Präsenzzeit enthalten ist, während Auffangzeiten nicht mitgerechnet wurden. Beim Vergleich muss also berücksichtigt werden, dass in den im Kanton Graubünden vorgeschriebenen 20 Stunden wöchentlicher Unterrichtszeit auch die nicht obligatorisch zu besuchenden Auffangzeiten enthalten sein dürfen.
Die Unterrichtszeit wurde darüber hinaus auch unter finanziellen Gesichtspunkten auf 20 Stunden festgelegt. Die Berechnung der jährlichen Schülerpauschale, welche die Schulträgerschaften gemäss Art. 72 des Schulgesetzes erhalten, wurde nämlich auf eine Minimaldotation von 20 Stunden abgestützt (vgl. dazu die Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, S. 686).
Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass die Stundendotation in Zukunft in noch engerem Zusammenhang mit dem Lehrplan steht und gemäss Art. 29 des Schulgesetzes in dessen Rahmen von der Regierung festgelegt wird. Auf der Kindergartenstufe haben weiterhin die Leitideen und die Richtziele des „Erziehungsplans Kindergarten“ für alle Schulträgerschaften Gültigkeit. Mit der Festlegung der Stundendotation hat die Regierung zudem bewusst auch einen Schritt in Richtung Umsetzung des Lehrplans 21 auf Kindergartenstufe gemacht.
Zur Frage 3: Aufgrund der Tatsache, dass die Kindergartenzeit wie oben erwähnt in vielen Kindergärten bereits bis anhin bei 20 Stunden und höher lag, teilt die Regierung die Befürchtung der Fragestellenden nicht. Aus Sicht der Erziehungsberechtigten bzw. der Kinder besteht zudem ein gewisser Spielraum, da die Auffangzeiten für die Kinder freiwillig sind.
Zur Frage 4: Die oben aufgeführten Gründe sprechen für eine einheitlich festgelegte Mindestdotation von 20 Stunden, zumal eine Flexibilisierung mit den Auffangzeiten möglich ist und im Ermessen der Schulträgerschaften liegt.
14. Oktober 2013