Ende Mai 2014 eröffnete der Bundesrat ein Vernehmlassungsverfahren zur Kulturbotschaft 2016 - 2019. Zu den wichtigsten Grundlagen der kulturpolitischen Tätigkeit des Bundes gehört danach die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes im Zeichen der Vielfalt (S. 25). Zu den entsprechend vorgesehenen Massnahmen gehört es:
- das Bewusstsein der Bevölkerung im Hinblick auf die in der Schweiz geschichtlich verankerten Kulturen zu stärken,
- den Austausch zwischen den Sprach- und Kulturgemeinschaften zu fördern,
- die Mehrsprachigkeit als Besonderheit der Schweiz auf den Ebenen der Einzelpersonen und der Einrichtungen zu erhalten,
- die Rechte der Sprach- und Kulturminderheiten zu schützen,
- die Sprachfreiheit sowie den Schutz und die Förderung der Minderheitensprachen zu gewähren.
Die Unterzeichnenden erachten die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhaltes als Grundanliegen für unseren Kanton, insbesondere auch im Zusammenhang mit der am 23. Dezember 2013 eingereichten Volksinitiative „Nur eine obligatorische Fremdsprache in der Primarschule“.
Deshalb unterbreiten wir der Regierung folgende Fragen:
1. Der Bund beabsichtigt, den zweisprachigen Unterricht in Italienisch ausserhalb der italienischsprachigen Schweiz mit jährlich CHF 800'000 zu unterstützen:
- Wird sich die Regierung dafür stark machen, dass der Bund diese Unterstützung ähnlich gewähre wie im Art. 16 der Sprachenverordnung des Kantons Graubünden festgesetzt?
- Wird die Regierung darauf hinwirken, dass diese Unterstützung auch zum Unterricht des Rätoromanischen entsprechend erweitert werden kann?
- Wird sich die Regierung dafür einsetzen, dass diese Fördermittel auch den Kindergärten, beispielsweise in Chur (deutsch/rätoromanisch und deutsch/italienisch), sowie den Berufsschulen mit einer zweisprachigen Berufsmaturität zukommt?
2. Gemäss Art. 15 des Sprachengesetzes fördert der Kanton den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften:
- Welche Mittel hat der Kanton in dieser Hinsicht bereits dafür verwendet?
- Der Bund beabsichtigt, den Kulturaustausch zwischen der italienischsprachigen Schweiz und den übrigen Landesteilen mit jährlich CHF 450'000 zu fördern. Wie beabsichtigt die Regierung, diese Mittel im Hinblick auf die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes auf kantonaler Ebene zu nutzen?
- Wird die Regierung darauf hinwirken, diese Unterstützung auf die rätoromanische Kultur zu erweitern?
Chur, 29. August 2014
Jaag, Blumenthal, Michael (Castasegna), Albertin, Alig, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther, Brandenburger, Bucher-Brini, Caduff, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casanova (Ilanz), Caviezel (Chur), Caviezel (Davos Clavadel), Clalüna, Darms-Landolt, Della Vedova, Deplazes, Dosch, Epp, Fasani, Felix (Scuol), Foffa, Gartmann-Albin, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jenny, Locher Benguerel, Marti, Michael (Donat), Monigatti, Nay, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pfäffli, Pfenninger, Pult, Rosa, Salis, Schutz, Stiffler (Chur), Thomann-Frank, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Weber, Weidmann, Widmer-Spreiter, Tuor
Antwort der Regierung
In der Sitzung vom 16. September 2014 hat die Regierung die Stellungnahme des Kantons zur Kulturbotschaft des Bundes für den Zeitraum 2016-2019 verabschiedet. Zu den beiden in der Kulturbotschaft enthaltenen sprachpolitischen Schwerpunkten («Förderung der italienischen Sprache und Kultur ausserhalb der italienischen Schweiz» sowie «Förderung des kulturellen Austauschs im Inland») äussert sich die Regierung grundsätzlich positiv. Allerdings hat die Regierung in ihrer Stellungnahme betont, dass die vorgesehenen Projekte und Massnahmen in gewissen Punkten präzisiert resp. ergänzt werden müssen. Diese Punkte werden teilweise auch in der Anfrage Jaag aufgegriffen. Die einzelnen Fragen lassen sich entsprechend wie folgt beantworten:
1. Zweisprachiger Unterricht in Italienisch ausserhalb der italienischsprachigen Schweiz:
- Da der Kanton Graubünden mit dem kantonalen Sprachengesetz bereits über Erfahrung bezüglich Entrichtung von Beiträgen an entsprechende Projekte verfügt, regt die Regierung an, die Auszahlungsmodalitäten auf Bundesebene analog zu regeln (Pauschalbeiträge an die Einrichtung sowie Pro-Kopf-Beiträge an den Betrieb entsprechender Schulen).
- Analog zur vorgeschlagenen Unterstützung des Italienischunterrichts sind gemäss Stellungnahme der Regierung auch Massnahmen zu Gunsten der rätoromanischen Sprache vorzusehen.
- Die Fördermittel sollen allen Schulstufen zugutekommen: Volksschulen, Mittelschulen, aber auch entsprechenden Projekten in Kindergärten oder an Berufsschulen. Schliesslich sind neben einsprachig italienischen resp. rätoromanischen Projekten auch mehrsprachige Schulen mit Italienisch und/oder Rätoromanisch zu berücksichtigen.
2. Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften:
- Die Förderung des Austauschs zwischen den Sprachgemeinschaften erfolgt über Beiträge an Austauschprogramme für Schulklassen und Lehrpersonen auf allen Schulstufen. In Art. 18 Abs. 2 und 3 der Sprachenverordnung ist die Höhe der Beiträge an Austauschtage bzw. -wochen festgelegt. Im Budget waren ab dem Jahr 2009 für die Position «Beiträge an Gemeinden für Sprachaustauschaktivitäten» zwischen 60 000 und 100 000 Franken vorgesehen. Die geleisteten Beiträge des Kantons an Sprachaustauschaktivitäten der Gemeinden bewegen sich zwischen rund 25 000 Franken und 58 000 Franken.
- Die «ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit» erhebt jedes Jahr eine «Austauschstatistik zwischen den schweizerischen Sprachregionen». Auf der Primarstufe weist Graubünden per Schuljahr 2012/13 eine durchschnittliche Beteiligung im gegenseitigen Klassenaustausch auf; auf der Sekundarstufe I ist die Beteiligung unterdurchschnittlich und auf der Sekundarstufe II überdurchschnittlich. Ferner zeigt sich im Innern des Kantons eine unterschiedlich hohe Beteiligung der einzelnen Sprachgruppen an den Austauschprogrammen. Die Regierung strebt auf Grundlage statistischer Auswertungen sowie mit Hilfe der zusätzlichen finanziellen Anreize des Bundes auf allen Schulstufen und in allen Sprachgruppen eine überdurchschnittliche Beteiligung an den Austauschprogrammen an.
- Auch bezüglich Ausweitung der bisherigen Austauschprogramme verlangt die Regierung in ihrer Stellungnahme zu Handen des Bundesamtes für Kultur, dass den beiden nationalen Minderheitensprachen Rätoromanisch und Italienisch aufgrund ihrer speziellen sprachpolitischen Situation besondere Berücksichtigung zuteilwerde.
23. Oktober 2014