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Session: 18.06.2015
Das Misshandlungsphänomen spitzt sich in der heutigen Gesellschaft zu und ein Rückgang desselben ist nicht zu erwarten, zumal die Gesellschaftsstruktur die Prämissen zu liefern scheint, welche zu mehr Gewalt führen können. Die Menschen werden immer älter und somit immer mehr pflegebedürftig und abhängig, die Familien ökonomisch bedrängt, was zur physischen und psychischen Belastung führt. All dies in einer Welt, wo immaterielle Werte nicht mehr paradigmatisch sind, was zu Desorientierung über sich selbst und den anderen führen kann. So könnten sich gewisse Taten erklären, u. a. das Phänomen Gewalt, das für unschuldige und nicht wehrfähige Personen (Kinder, alte Menschen) Schmerz und Gefahr bedeuten kann. Betroffen ist das private Umfeld der Familie, aber auch das öffentliche der Alters- und Pflegeheime und der Sanitätsinstitutionen allgemein. Die Politik kann diesbezüglich nicht alles verhindern, aber sie sollte doch tun was ihr möglich ist. Dies wird nicht immer gemacht. Ein Beispiel war die gleichgültige Behandlung des Antrags, welcher mehr Prävention für misshandelte Kinder in Graubünden verlangte, in unserem Grossen Rat in der Aprilsession 2015. Diese wurde auch von der Presse zu Recht als unwürdig kritisiert (Leitartikel Bündner Tagblatt vom 2. Mai 2015).

Im Bewusstsein dessen und in der Überzeugung, dass mehr in vorbeugendem Sinn gemacht werden kann, stellen wir folgende Fragen:

1. Entspricht aktuell die Personaldotation (quantitativ und qualitativ) in den Pflege- und Altersheimen Graubündens den Vorgaben des kantonalen Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes und dessen Verordnungen?

2. Wird entsprechend genug Pflegepersonal in Graubünden ausgebildet?

3. Die regelmässige Kontrolle der Kantonsbeauftragten in den Pflege- und Altersheimen Graubündens erfolgen in Intervallen von 4 Jahren. Ist dies genug, um ein tiefgreifendes Bild der Pflege- und Altersheime in ihrer Funktion und im Verhalten den Bewohnern gegenüber zu gewinnen?

4. Beharrt die Regierung darauf, unangemeldete Kontrollen in den Pflege- und Altersheimen ohne explizite Denunzierung seitens der Verwandten oder Bewohner nicht einführen zu wollen?

5. Auf schweizerischer Ebene wird die Kritik laut betreffend einer Überbelastung des Pflegepersonals durch eine, zum Teil unsinnige, zeitraubende und technokratisierende Bürokratie in den Institutionen (das Pflegepersonal muss jede Minutenbehandlung aufschreiben!). Der Bundesrat Johann Schneider-Ammann zeigte sich vor ein paar Monaten beim Besuch eines Altersheims in der Innerschweiz schockiert über die übermässige Bürokratie, welche zur Behinderung und Belastung in der Pflege wird. Er sagte diesbezüglich, die Politik solle handeln. Bestehen in unseren Pflegebetrieben - wie in der Industrie - wiederkehrende Programme und entsprechende Verantwortliche, um die erhobenen Daten stets auf ihre Notwendigkeit zu prüfen und sie auf die wirklich einfachste und bequemste Weise zu produzieren?

6. Mit einigem Erstaunen wurde bei der Auseinandersetzung über Kindsmisshandlungen festgestellt, dass Graubünden keine statistischen Daten diesbezüglich führt, was eine qualifizierte Prävention dieses Missstands im Kanton verunmöglicht. Gedenkt die Regierung die Erhebung statistischer Daten über Gewalt allgemein einzuführen? Und gegen Gewalt auf gesetzlicher Stufe aktiv zu werden? (Es gibt heutzutage Kantone, wo - per Gesetz - die Ärzte verpflichtet werden, jedes verdächtige Trauma des Patienten den Behörden anzumelden).

Arosa, 18. Juni 2015

Noi-Togni, Epp, Atanes, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Cahenzli-Philipp, Casty, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Deplazes, Fasani, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Monigatti, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Stiffler (Davos Platz), Thöny

Antwort der Regierung

Die Regierung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:

1. Ja. Die Personaldotation in den Pflege- und Altersheimen des Kantons entspricht den Vorgaben des Gesundheitsgesetzes und der Verordnung dazu. Die Fachstelle Spitex und Alter des Gesundheitsamtes überwacht vierteljährlich die Einhaltung der aus den qualitativen und quantitativen personellen Vorgaben der Verordnung zum Gesundheitsgesetz resultierenden Richtstellenpläne. Die meisten Institutionen überschreiten das geforderte Minimum. In denjenigen Alters- und Pflegeheimen, in denen die erfüllten Vorgaben nur knapp erfüllt werden, wird die Einhaltung monatlich überwacht.

2. Insgesamt wird in den Alters- und Pflegeheimen genug Pflegepersonal ausgebildet. Über den ganzen Kanton gesehen, bestehen bei einem Soll von 175 Lehrstellen Fachfrau/-mann Gesundheit aktuell 195 Lehrverhältnisse. Pflegefachfrauen/-männer HF werden demgegenüber in den Alters- und Pflegeheimen bei einem Soll von 57 nur 39 ausgebildet. Bezüglich Pflegefachpersonen HF besteht somit in den Alters- und Pflegeheimen ein Ausbildungsdefizit.

3. Ja. Die Inspektionsbesuche haben zum Ziel, Aufschluss über die Führung und Organisation einer Institution zu geben. Es geht bei diesen Besuchen nicht darum, ein tiefgreifendes Bild über das Verhalten der einzelnen Mitarbeiter zu erhalten. Für die Qualität der Leistungserbringung beziehungsweise das Verhalten der Mitarbeitenden den Bewohnerinnen und Bewohnern gegenüber ist die Leitung der Institution verantwortlich.

4. Nein. Das Gesundheitsamt kann jederzeit die Erfüllung der Betriebsbewilligungsvoraussetzungen überprüfen. Eine unangemeldete Überprüfung soll indessen nur dann erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine mangelhafte Qualität oder physische oder psychische Gewaltanwendung gegenüber Bewohnerinnen oder Bewohnern vorhanden sind.

5. Das Gesundheitsamt ist bestrebt, die Vorgaben bezüglich der Datenerhebung auf das Notwendige zu beschränken. Bezüglich des Umfangs der Datenerhebung gilt es zu beachten, dass die Alters- und Pflegeheime vermehrt unter Rechtfertigungsdruck der Krankenversicherer und der Angehörigen stehen. Alters- und Pflegeheime riskieren eine Rückstufung der Bewohnerinnen und Bewohner in der Pflegestufe durch die Krankenversicherer, wenn nicht sämtliche KVG-pflichtigen Leistungen schriftlich nachgewiesen werden können. Für eine fundierte Beantwortung von Reklamationen und Anfragen ist eine aussagekräftige Dokumentation unumgänglich.

6. Nein. Die Stellen, die häufig mit Gewalt zu tun haben (Kantonspolizei, Opferhilfe-Beratungsstelle, Frauenhaus, Kantonsspital Graubünden), erheben bereits heute spezifische statistische Daten zu Kindsmisshandlungen. Die Daten fliessen in verschiedene nationale Statistiken ein und sind öffentlich zugänglich (z.B. die jährliche polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) und die Opferhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik).
Für Fachpersonen aus Medizin, Pflege und weiteren Berufen, die in Ausübung ihres Berufs Kenntnis einer akuten Fremd- oder Eigengefährdung eines Kindes oder einer erwachsenen Person erhalten, besteht bereits heute im Kanton eine Meldepflicht an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Art. 61 Abs. 1 Einführungsgesetz zum ZGB).

02. September 2015