Im März 2014 wurden die neuen Vergaberichtlinien von der EU veröffentlicht. Nebst den bekannten Richtlinien zu Auftragsvergaben wurde neu auch eine Richtlinie über die Vergabe von Konzessionsverträgen veröffentlicht. Diese Richtlinien traten im April 2014 in Kraft und sie sind von den EU-Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen.
Die Konzessions-Richtlinie hat zwar keine Wirkung auf bestehende Verträge. Doch ist es nicht zulässig, die Laufzeiten zu verlängern. Als von der Konzessions-Richtlinie betroffene Sektoren sind beispielsweise die Energie- und Wärmeversorgung oder die Abfallentsorgung erwähnt.
Die Schweiz gehört zwar nicht zur EU. Es ist jedoch denkbar, dass seitens der EU Druck gemacht wird, dass die Konzessions-Richtlinie auch in der Schweiz umgesetzt wird.
In diesem Zusammenhang bitten die Unterzeichnenden die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:
1. Sind der Regierung entsprechende Aktivitäten seitens der EU bekannt?
2. Hat die Regierung Kenntnis von entsprechenden Bestrebungen in der Schweiz?
3. Hätte die Einführung der Konzessions-Richtlinie in der Schweiz auch Auswirkungen auf die Wasserkraft in Graubünden resp. auf allenfalls vorzeitig geplante Heimfälle?
Chur, 28. August 2015
Kappeler, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Caluori, Casanova (Ilanz), Casutt-Derungs, Cavegn, Deplazes, Kasper, Kollegger, Lorez-Meuli, Michael (Castasegna), Paterlini, Peyer, Pult, Tomaschett-Berther (Trun), Vetsch (Pragg-Jenaz), von Ballmoos, Degiacomi
Antwort der Regierung
Die Frage nach der Ausschreibungspflicht einer Konzession sowie deren Verhältnis zum öffentlichen Vergaberecht ist komplex und wird in der Praxis kontrovers diskutiert. Eine erste wichtige Klärung brachte die Teilrevision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) sowie des Wasserrechtsgesetzes (WRG) im Jahre 2012. Gemäss diesen Bundeserlassen besteht keine Ausschreibepflicht für die Verleihung der entsprechenden Konzessionen.
In den aktuellen Vernehmlassungsentwürfen für ein neues Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) sowie für eine neue Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) werden die Konzessionen erstmals vergaberechtlich geregelt. Neu soll die Verleihung einer Konzession oder die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe ebenfalls als öffentlicher Auftrag gelten, wenn dem Anbieter ausschliessliche oder besondere Rechte zukommen, die er im öffentlichen Interesse wahrnimmt, und ihm dafür direkt oder indirekt ein Entgelt oder eine Abgeltung zukommt. Konzessionen, die nicht im Zusammenhang mit öffentlichen Aufgaben stehen (z.B. Sondernutzungskonzessionen), werden demgegenüber weiterhin praxisgemäss nicht erfasst. Diese Abgrenzung erachtet die Regierung als sachgerecht, denn eine generelle Unterstellung sämtlicher Konzessionsvergaben unter das Vergaberecht hätte eine unüberschaubare Fülle von Verfahren zur Folge und würde sich zudem in verschiedenen Fällen als völlig unpraktikabel erweisen. Im Übrigen harmoniert die gewählte, limitierende Konzeption weitestgehend mit der neuen EU-Richtlinie über die Konzessionsvergabe (Richtlinie 2014/23/EU vom 26. Februar 2014).
Zu Frage 1: Im völkerrechtlichen Bereich bestehen heute für die Schweiz keine Verpflichtungen, die Verleihung von Konzessionen öffentlich auszuschreiben. Die EU-Konzessionsrichtlinie bringt in dieser Hinsicht ebenfalls keine neuen staatsvertraglichen Pflichten für die Schweiz, da sie nur für die EU-Mitgliedstaaten Rechtswirkungen entfaltet. Der Regierung sind keine Druckversuche der EU gegenüber der Schweiz bekannt, die auf eine Übernahme der selbst in der EU noch nicht überall ins nationale Recht überführten Konzessionsregelungen zielen. Vielmehr haben der Bund und die Kantone bei den Konzessionsvergaben von sich aus gesetzgeberischen Handlungsbedarf gesehen und diesbezüglich im Rahmen der parallelen Revision des Beschaffungsrechts von Bund und Kantonen eine entsprechende Klärung vorgenommen.
Zu Frage 2: Mit der vorgesehenen Aufnahme der Konzessionen in die schweizerische Vergaberechtsordnung werden bestehende Rechtsunsicherheiten behoben. Von der Unterstellung befreit bleiben aber die Sondernutzungskonzessionen, da das Beschaffungsrecht keinen passenden Rahmen hierfür bietet. Ebenso gehen verschiedene spezialgesetzliche Regeln (StromVG, WRG) den Vergabestimmungen weiterhin vor. Ähnliche Ausnahmen kennt auch die EU-Konzessionsrichtlinie. So ist z.B. der Bereich der Wasserkonzessionen vom Geltungsbereich der Richtlinie explizit ausgenommen.
Zu Frage 3: Der Regierung sind keine Anhaltspunkte bekannt, wonach die spezial-gesetzlichen Bestimmungen des WRG über das Verleihungsverfahren rückgängig gemacht werden sollten. Ausserdem ist die Konzessionsrichtlinie bis April 2016 ins nationale Recht der EU-Staaten umzusetzen, sodass sich die Rechtsprechung hierzu erst noch bilden muss. Abgesehen davon ist es heute nicht vorstellbar, inwieweit eine allenfalls ins schweizerische Recht überführte EU-Konzessionsrichtlinie etwa die Spezialvorschriften des WRG verdrängen sollte. Auf vorzeitig geplante Heimfälle hätte diese Richtlinie keinen Einfluss, da es dort gerade darum geht, unter Ausschluss der Konkurrenz (d.h. ohne Ausschreibung) mit dem bisherigen Konzessionär in Verhandlungen zu treten.
14. Oktober 2015