Gemäss Art. 75 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) legt der Bund die Grundsätze der Raumplanung fest. Die Raumplanung obliegt indessen den Kantonen. In den vergangenen Jahren hat der Bund seine Grundsatzkompetenz leider sehr grosszügig ausgelegt. Ausserhalb der Bauzone legen das Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) und die Raumplanungsverordnung (RPV; SR 700.1) fast abschliessend fest, welche Bauvorhaben zulässig sind. Auf die grundlegenden Unterschiede der einzelnen Kantone wird dabei keine Rücksicht genommen, obschon Nichtbauland in den ländlich geprägten Kantonen eine ganz andere Bedeutung hat als in städtisch geprägten Kantonen. Diesem Unterschied gilt es in Zukunft vermehrt Rechnung zu tragen.
Im Kanton Graubünden prägen ausserhalb der Bauzone (ehemals) landwirtschaftlich genutzte Bauten das Landschaftsbild stark. Um dieses wertvolle Landschaftsbild zu erhalten, ist es wichtig, ehemals landwirtschaftlich genutzte und erstellte Bauten ausserhalb der Bauzone (namentlich Maiensässbauten) nicht sich selbst zu überlassen. Hier soll die Möglichkeit eröffnet werden, dass sie – unabhängig von ihrer ursprünglichen Nutzung – massvoll umgenutzt und umgestaltet werden können und eine Wohnnutzung ermöglicht wird. Ansonsten wird sich das für Graubünden typische Landschaftsbild mit Maiensässbauten in den nächsten Jahren massiv verändern: Wenn ehemals landwirtschaftlich genutzte Bauten ihrem ursprünglichen Zweck nicht mehr dienen und nicht umgenutzt werden können, werden sie verfallen. Ihre Eigentümer haben in der Regel kein Interesse daran, eine Baute zu unterhalten, die für sie keinen Zweck mehr erfüllt. Mit der Möglichkeit der Umnutzung soll neben dem Landschaftsbild der Werterhalt dieser Bauten und Anlagen sichergestellt werden.
Aus diesen Gründen ist die Bundesgesetzgebung (namentlich RPG und RPV) dahingehend anzupassen, dass der Bestandesschutz der ausserhalb der Bauzone gelegenen Bauten erweitert wird. Landwirtschaftlich nicht mehr genutzte, altrechtliche Bauten (sog. Maiensässbauten) sollen massvoll zur Wohnnutzung umgenutzt werden können – und zwar unabhängig von der ursprünglichen oder derzeitigen Nutzung –, solange ihre Identität gewahrt bleibt. Der öffentlichen Hand dürfen keine zusätzlichen Kosten oder Verpflichtungen – wie Erschliessungen – entstehen. Die Erweiterung nach aussen soll mindestens im bestehenden Umfang weiterhin möglich bleiben.
Die Regierung wird gestützt auf Art. 160 BV und Art. 59 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Graubünden (KV; BR 110.100) beauftragt:
- der Bundesversammlung eine Standesinitiative einzureichen, die eine Anpassung der Bundesgesetzgebung entsprechend den vorstehenden Erwägungen verlangt; und
- sich in sämtlichen Organisationen der Raumplanung, in denen Vertreter des Kantons Graubünden Einsitz nehmen, einzusetzen, dass die Bundesgesetzgebung entsprechend den vorstehenden Erwägungen angepasst wird.
Chur, 9. Dezember 2015
Crameri, Claus, Felix (Haldenstein), Albertin, Alig, Berther (Disentis/Mustér), Blumenthal, Brandenburger, Bucher-Brini, Burkhardt, Caduff, Caluori, Casanova (Ilanz), Casanova-Maron (Domat/Ems), Cavegn, Caviezel (Davos Clavadel), Danuser, Darms-Landolt, Davaz, Della Vedova, Dosch, Engler, Epp, Fasani, Felix (Scuol), Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Geisseler, Giacomelli, Gunzinger, Hardegger, Hartmann, Heinz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Hug, Joos, Kasper, Koch (Tamins), Koch (Igis), Kunfermann, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Mathis, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Müller, Nay, Niederer, Niggli (Samedan), Papa, Paterlini, Rosa, Salis, Sax, Schneider, Schutz, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Valär, von Ballmoos, Waidacher, Weber, Wieland, Zanetti, Andri, Berther (Segnas), Föhn, Natter, Ratti, Spreiter, Tuor
Antwort der Regierung
Der vorliegende Auftrag thematisiert die aufgrund des landwirtschaftlichen Strukturwandels funktionslos gewordenen landwirtschaftlichen Bauten ausserhalb der Bauzonen. Die aktuelle Rechtslage ist abschliessend im eidg. Raumplanungsrecht (RPG und RPV) geregelt und lässt sich in den Grundzügen wie folgt kurz skizzieren:
1) Landwirtschaftliche Wohnbauten können nach der im Jahre 2000 erfolgten bundesrechtlichen Anerkennung des Grundsatzes „wohnen bleibt wohnen“ auch zu nichtlandwirtschaftlichen Wohnzwecken genutzt und massvoll erweitert werden;
2) Reine Stallbauten dürfen im Grundsatz nach wie vor nicht zu Wohnzwecken umgebaut werden. Von diesem grundsätzlichen Umnutzungsverbot sieht das Bundesrecht jedoch in dreifacher Hinsicht Ausnahmen vor, nämlich für:
a) Gruppen von mindestens fünf Stallbauten in Erhaltungszonen (Art. 33 RPV);
b) Verstreute Stallbauten, die landschaftsprägend sind (Art. 39 Abs. 2 RPV);
c) Schützenswerte Stallbauten (Art. 24d Abs. 2 RPG).
Der Grund für diese im Verlaufe der Jahre eingeführten drei Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot zur Umnutzung reiner Stallbauten bildete die Erkenntnis, dass ein generelles Umnutzungsverbot zu einem allmählichen Zerfall der hergebrachten bäuerlichen Bausubstanz führen würde, was in den drei erwähnten Sondersituationen ein Verlust für die Landschaft bedeuten kann.
Der vorliegende Auftrag geht nun weit über das rechtskräftige Regime hinaus. Er zielt darauf ab, dass man künftig sämtliche bestehenden Stallbauten ausserhalb der Bauzonen zu Wohnzwecken umnutzen können soll, unbesehen darum, ob sie in Erhaltungszonen liegen oder landschaftsprägend resp. schützenswert sind.
Einen derartigen pauschalen und radikalen Umnutzungsfreipass kann die Regierung nicht befürworten: Wie erwähnt, hat der Bund im Verlaufe der Jahre auf Druck der Kantone das ursprüngliche grundsätzliche Umnutzungsverbot speziell für Stallbauten, die als Bestandteil einer Gebäudegruppe oder als verstreute Einzelbauten das Prädikat landschaftsprägend verdienen, unter bestimmten Voraussetzungen (Kant. Richtplan; kommunale Nutzungsplanung) gelockert. Der Kanton hat die nötigen Voraussetzungen mit dem kantonalen Richtplan (KRIP) im Jahre 2000 sowie mit der Revision des kantonalen Raumplanungsgesetzes im Jahre 2004 (Art. 31 und 84 KRG) umgehend geschaffen. Dabei hat er sich dafür entschieden, die Regionen in die Umsetzung einzubinden, indem er diese beauftragte, in ihren regionalen Richtplänen bei gegebenem Bedürfnis Standorte für Erhaltungszonen (EZ) und/oder für Landschaften mit landschaftsprägenden Bauten (LPB) festzulegen, beides als unerlässliche Bedingung für entsprechende kommunale Nutzungsplanungen. Während die Umsetzung im Bereich EZ mehr oder weniger funktioniert hat, haben die Regionen resp. Gemeinden ihre Planungsaufgaben bezüglich der Landschaften mit LPB bislang (ausser für das Val Schons) noch nicht erfüllt. Solange aber die Regionen und Gemeinden noch nicht einmal die Möglichkeiten ausgeschöpft haben, die ihnen das geltende Recht bietet, kann die Regierung einen Auftrag, der vom Bund verlangt, sein Recht dahingehend anzupassen, dass sämtliche Stallbauten in Ferienwohnungen umbaubar werden sollen, nicht unterstützen.
Gegen eine Überweisung des Auftrages sprechen ausserdem grundlegende raumordnungspolitische Bedenken. Es geht um die riesige Menge von gegen 20 000 Ställen, die einem schleichenden Umnutzungsdruck zu Wohnsiedlungszwecken ausgesetzt wären. Angesichts der Lage dieser Stallbauten in der unbesiedelten Landschaft resp. in Räumen, die für Siedlungszwecke überhaupt nicht geeignet und vorbereitet sind, würde eine freie, ungezügelte Umnutzungsmöglichkeit den Hauptpfeiler der Schweizerischen Raumplanung, nämlich den Grundsatz der Trennung von Siedlungs- und Nichtsiedlungsgebiet, in gravierender Weise durchbrechen. Ein Ausbau eines jeden Stalles zu Wohnzwecken wäre sodann aus landwirtschaftlicher Sicht klar abzulehnen, weil dies u.a. zu Behinderungen der landwirtschaftlichen Nutzung sowie zu unabsehbaren Folgen für das bäuerliche Bodenrecht führen würde. Lediglich für Ställe, bei denen der Bund wegen ihres besonderen landschaftsprägenden Charakters eine Umnutzung in Kauf nimmt, besteht ein öffentliches Erhaltungsinteresse; bei allen anderen ist ein allmählicher natürlicher Abgang in Kauf zu nehmen, auch wenn sie noch eine gewisse Zeit als Ruinen resp. als Zeugen einer vergangenen bäuerlichen Betriebskultur in der Landschaft sichtbar sind.
Die Regierung beantragt nach dem Gesagten Ablehnung des Auftrages. Sie wird jedoch den Gründen nachgehen, weshalb es den Regionen resp. Gemeinden bislang derart schwer fällt, die vorgeschriebene planerische Basis zu schaffen, damit wenigstens die effektiv landschaftsprägenden Stallbauten umgenutzt werden könnten. Sofern die Gründe in der Gesetzgebung liegen, wird sich die Regierung für deren Überprüfung einsetzen. Gelegenheit bietet die jetzt angelaufene Phase 2 der RPG-Revision resp. die kantonale Folgegesetzgebung. Dabei ist auch eine gezielte Erweiterung der Handlungsspielräume anzustreben, so etwa zugunsten touristischer Nutzungen zur Befriedigung der sich rasch wandelnden Gästebedürfnisse.
08. März 2016