Aus einer Medienmitteilung des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) vom 2. Dezember 2015 ist was folgt zu entnehmen: „Die Zahl der in den letzten Monaten den Kantonen und damit auch dem Kanton Graubünden zugewiesenen Asylsuchenden ist massiv angestiegen und bleibt konstant hoch. (…) In diesem Jahr wurden dem Kanton bis Ende Oktober 814 Asylsuchende neu zugewiesen. Derart hohe Zugänge waren seit dem Ausbruch des Kosovokonfliktes Ende der 90-er Jahre nicht mehr zu verzeichnen. Der Kanton Graubünden muss auch im kommenden Jahr mit mindestens gleichbleibend hohen Zahlen an zugewiesenen Asylsuchenden rechnen.“
Diese Tatsache bedeutet, dass immer mehr und anhaltend Asylsuchende an Kollektivunterkünfte in Gemeinden in unserem Kanton zugewiesen werden. Diese Asylsuchenden werden durch das Amt für Migration und Zivilrecht (AfM) betreut. Auch kommt der Kanton in dieser Phase für die Unterbringungs- und Betreuungskosten auf.
Anerkannte Flüchtlinge (B-Ausweis) hingegen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden, d.h. die Gemeinden haben für allfällige Sozialhilfekosten aufzukommen. Da gemäss Information zum Thema Flüchtlinge und UMF vom 25.11.2015 an Gemeindevertreter des Grossen Rates nur etwa 10-15% der anerkannten Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, wird die überwiegende Mehrheit von ihnen von der Sozialhilfe leben müssen. Mit ihrer Anerkennung können Flüchtlinge sich individuell auf Wohnungssuche in den Gemeinden begeben. Es zeichnet sich nun ab, dass diese Menschen aufgrund ihrer Situation nur sehr schwer eine Wohnung finden werden und damit weiter am gewohnten Ort oder in den kommunalen Transitzentren verbleiben. Damit bleibt aber auch die Gemeinde, auf der das Transitzentrum steht, für die Sozialhilfe zuständig. Somit konzentriert sich eine übermässige Belastung auf einige Gemeinden mit Transitzentrum, während viele andere Gemeinden davon befreit bleiben. Diese massive Belastung muss solidarisch getragen werden, umso mehr als Gemeinden mit Transitzentrum diese Lasten nicht selbst verschuldet haben und der Lastenausgleich bei Weitem nicht genügt.
Aufgrund der vorerwähnten Erläuterungen fordern die Unterzeichnenden die Regierung auf, dem Grossen Rat binnen Jahresfrist die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Solidarisierung der Sozialhilfekosten von Gemeinden mit Transitzentren zu unterbreiten.
Chur, 9. Dezember 2015
Niederer, Hitz-Rusch, Dudli, Albertin, Baselgia-Brunner, Berther (Disentis/Mustér), Blumenthal, Bucher-Brini, Caduff, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casanova (Ilanz), Cavegn, Caviezel (Chur), Caviezel (Davos Clavadel), Crameri, Danuser, Darms-Landolt, Davaz, Della Vedova, Deplazes, Dosch, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Foffa, Gartmann-Albin, Geisseler, Hardegger, Heiz, Hug, Jaag, Jenny, Joos, Kappeler, Koch (Igis), Komminoth-Elmer, Kunfermann, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Mathis, Nay, Noi-Togni, Papa, Paterlini, Pedrini, Perl, Pfenninger, Pult, Sax, Schneider, Tenchio, Thomann-Frank, Thöny, Tomaschett (Breil), Valär, Vetsch (Klosters Dorf), von Ballmoos, Waidacher, Weber, Widmer-Spreiter, Wieland, Andri, Berther (Segnas), Degiacomi, Natter, Spreiter, Tuor
Antwort der Regierung
Asylsuchende, denen Asyl gewährt wird oder die als Flüchtlinge anerkannt werden, fallen in die Zuständigkeit der Gemeinden, die auch die Sozialhilfekosten zu tragen haben. Dies trifft auch für Personen zu, die ohne Flüchtlingseigenschaft vorläufig aufgenommen werden und sich länger als sieben Jahre in der Schweiz aufhalten. Die Gemeinden erhalten ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Asylgesuchs während längstens fünf Jahren für anerkannte Flüchtlinge und sieben Jahren für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge eine Globalpauschale des Bundes vergütet. Damit trägt der Bund der Tatsache Rechnung, dass ein grosser Teil der Flüchtlinge - zumindest in der ersten Zeit - nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten.
Ab 2016 beträgt die Flüchtlingspauschale des Bundes für den Kanton Graubünden Fr. 1473.59 pro Person und Monat. Im 2016 behält der Kanton davon Fr. 272.– zurück, dies vorwiegend zur Deckung der Kosten für die Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Bereits ab 2017 sollen diese UMF- bedingten Kosten solidarisch pro Einwohnerin/pro Einwohner auf alle Gemeinden verteilt werden. Die dafür erforderliche Teilrevision des Unterstützungsgesetzes ist in Arbeit. Den Gemeinden wird ab 2017 im Wesentlichen die volle Flüchtlingspauschale des Bundes weitergeleitet. Diese Pauschale entspricht gemäss den Berechnungen des Staatssekretariats für Migration (SEM) den durchschnittlichen Kosten für die unterstützungsbedürftigen Flüchtlinge. Gemäss Art. 25 der Asylverordnung 2 des Bundes (SR 142.312) sind mit der Flüchtlingspauschale sämtliche vergütbaren Aufwendungen der Kantone für die Sozialhilfe bei kostengünstigen Lösungen abgegolten. Nicht bekannt ist jedoch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Sozialhilfekosten der Bündner Gemeinden die Bundespauschale übersteigen.
Sobald Asylsuchende als Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen werden, können sie selbstständig eine Wohnung suchen. Sie werden dabei im Auftrag des Kantons von der Caritas Graubünden unterstützt. Sie sind frei, ihre Wohngemeinde auszuwählen. Tatsächlich möchten Flüchtlinge in erster Linie in der städtischen Agglomeration wohnen. Dieser Wunsch kann aber in vielen Fällen nicht realisiert werden. Die Feststellung im Auftrag Niederer, wonach die Personen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht in der Schweiz hauptsächlich in der Standortgemeinde des Transitzentrums eine Wohnung suchen, lässt sich nicht bestätigen. Wichtiger als der gewohnte Ort ist die Verfügbarkeit von bezahlbarem, geeignetem Wohnraum. Entsprechend trifft die im Auftrag dargestellte übermässige Belastung der Standortgemeinden von Transitzentren als Folge der vom Kanton betriebenen Zentren so nicht zu.
Die Regierung hat am 15. Dezember 2015 eine weitere Massnahme beschlossen, um die Standortgemeinden der Transitzentren administrativ und finanziell zu entlasten. Die Finanzierung jener Flüchtlinge, welche noch keine eigene Wohnung gefunden haben und deshalb noch in den Transitzentren untergebracht sind, erfolgt ab dem 1. Januar 2016 über den Kanton. Dies wurde den Gemeinden mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 des kantonalen Sozialamts mitgeteilt.
Weiter ist zu beachten, dass die Standortgemeinden von Kollektivzentren ab 2016 vom neu eingeführten Ressourcenausgleich (RA) profitieren. Jene Asylsuchenden, welche über zwölf Monate Aufenthalt in der Schweiz haben, zählen zur ständigen Wohnbevölkerung. Durch den Einbezug dieser Personen erhöht sich die für den RA massgebende Bevölkerungszahl und vermindert sich die Ressourcenstärke pro Einwohnerin/pro Einwohner der Standortgemeinden. Daraus resultieren höhere RA-Beiträge.
Es ist anzunehmen, dass mit der Wohnsitznahme durch Flüchtlinge einige Gemeinden durch diese Personengruppe mit höheren Sozialhilfekosten belastet werden als andere. Davon betroffen sind vorwiegend Gemeinden mit einer bereits relativ hohen Sozialhilfequote. Diese Gemeinden werden durch den neu eingeführten Lastenausgleich Soziales (SLA) vom Kanton entsprechend stark unterstützt. SLA-Beiträge werden ausgerichtet, sobald die Nettoaufwendungen für Unterstützungsleistungen 3 Prozent der für die RA-Berechnung massgebenden Einnahmen übersteigen. Diese Beiträge nehmen mit steigenden Nettoaufwendungen überproportional stark zu. Sie betragen für jene Kosten, welche 9 Prozent der Einnahmen übersteigen, 100 Prozent. Gestützt auf aktuelle Hochrechnungen beträgt der durchschnittliche SLA-Beitrag an jene Gemeinden mit unterstützungsbedürftigen Flüchtlingen über 50 Prozent der Sozialhilfekosten, sofern und soweit sie für diese Personengruppe nicht durch die Bundespauschale gedeckt werden. Der SLA stellt somit - ergänzend zur Bundespauschale - auch für diese Personengruppe sicher, dass keine Gemeinde durch Sozialhilfekosten übermässig belastet wird.
Im Bericht über das Regierungsprogramm und den Finanzplan für die Jahre 2017–2020 hat die Regierung eine strategische Absicht mit folgendem Wortlaut formuliert:
"Stärkung der Solidarität unter den Bündner Gemeinden durch einen Ausgleich der Kosten für Unterbringung, Betreuung und Integration von Flüchtlingen zwischen Aufenthaltsgemeinden und anderen Gemeinden." (Botschaft Heft Nr. 12/2015–2016, Handlungsfeld 6, S. 839 und ES 12/24 Wohnraum für Asylsuchende und Flüchtlinge, S. 848). Die Regierung ist bereit, im Zuge der Umsetzung des ES 12/24 unter Einbezug der Gemeinden zu prüfen, wie die Sozialhilfekosten für anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge stärker "solidarisiert" und auf alle Gemeinden verteilt werden können. Im Sinne dieser Ausführungen ist die Regierung bereit, den Auftrag entgegenzunehmen.
03. März 2016