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Session: 16.02.2016
In Graubünden leben mehr als 500 Menschen mit einer Behinderung in einem Wohnheim. Ihre Kostenbeteiligung ist in Art. 13 Behindertenintegrationsgesetz (BIG) geregelt. Art. 23 Abs. 1 der Behindertenintegrationsverordnung (BIV) legt fest, dass bei Abwesenheit die sogenannte Abwesenheitstaxe einen Drittel der Anwesenheitstaxe exklusive der Hilflosenentschädigung betragen soll.

Mit dieser Regelung trägt der Gesetzgeber grundsätzlich den Interessen von Menschen mit Behinderung, von Institutionen, der öffentlichen Hand und der politischen Absicht des Gesetzgebers ausgewogen Rechnung. Aus dem Gleichgewicht gerät die heutige Regelung, wenn Bewohnerinnen und Bewohner überdurchschnittlich hohe Abwesenheiten von ihrem Wohnheimplatz aufweisen. Auch wenn dieser Fall aus agogischer Sicht Ausdruck einer hohen Integration dieser Wohnheimbewohner in ihrem angestammten, familiären Umfeld sein kann, so bedeutet er für die Wohnheime die betriebswirtschaftlich unbefriedigende Situation belegter, aber schlecht ausgelasteter Wohnheimplätze. Aus der Optik des Kantons stellt sich die Frage des effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel bei der Finanzierung von Infrastruktur und Betrieb von Wohnheimplätzen, wenn diese durch überdurchschnittliche Abwesenheiten schlecht belegt sind.

Betriebswirtschaftlich fällt an einem Abwesenheitstag ein Grossteil der Kosten im Wohnheim unverändert an. Im Prinzip sind bei der Abwesenheit Einzelner nur die Verpflegungskosten variabel. Die Infrastruktur- und Personalkosten sind fix und die Zimmer sind persönlich und können nicht anderweitig vermietet werden. Das Berechnungsmodell des Kantons Graubünden für die Entschädigung an die Institutionen berücksichtigt zwar eine gewisse Anzahl Abwesenheitstage. Überdurchschnittliche Abwesenheiten werden damit aber ungenügend berücksichtigt und die Institutionen können in diesen Fällen ihre infrastrukturellen und personellen Fixkosten zur Aufrechterhaltung der vorgeschriebenen Betreuungsqualität nicht decken. Schlimmstenfalls setzt dies falsche Anreize und Wohnheime werden früher oder später dazu bewogen, die Betreuungsleistungen an Wochenenden zu senken oder Personen mit weniger Abwesenheitstagen bei der Vergabe von Wohnplätzen zu bevorzugen. Diese Auswirkungen würden zweifellos dem politischen Willen beim Erlass des BIG widersprechen.

Die Unterzeichnenden erlauben sich vor diesem Hintergrund nachfolgende Fragen:

1. Teilt die Regierung die Auffassung, dass die heutige Regelung bei überdurchschnittlichen, individuellen Abwesenheiten in den Behindertenwohnheimen einem effizienten Einsatz öffentlicher Mittel nicht gerecht wird?

2. Ist die Regierung bereit, für überdurchschnittlich hohe Abwesenheiten eine Regelung einzuführen, die die Deckung der Fixkosten in den Behindertenwohnheimen gewährleistet?

Chur, 16. Februar 2016

Felix (Haldenstein), Valär, Dosch, Baselgia-Brunner, Burkhardt, Caluori, Casanova (Ilanz), Casty, Casutt-Derungs, Cavegn, Danuser, Dudli, Epp, Florin-Caluori, Giacomelli, Gunzinger, Jenny, Kollegger, Komminoth-Elmer, Kunfermann, Lamprecht, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Müller, Niederer, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Paterlini, Pedrini, Peyer, Pfenninger, Stiffler (Davos Platz), Thomann-Frank, Vetsch (Pragg-Jenaz), Widmer-Spreiter, Wieland, Buchli, Cahenzli (Trin Mulin), Fausch, Gujan-Dönier, Stäbler, Tuor

Antwort der Regierung

Personen mit Behinderung, die ein Wohnangebot in Anspruch nehmen, haben sich an den Kosten zu beteiligen. Im Rahmen der Revision des Behindertengesetzes 2007 hat der Grosse Rat beschlossen, dass die Reservationstaxe bei einem Abwesenheitstag einem Drittel der Anwesenheitstaxe entspricht. Diese Regelung wurde beim Erlass des Gesetzes zur sozialen und beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung (Behindertenintegrationsgesetz, BIG; BR 440.100) 2012 im Grundsatz beibehalten (Botschaft Heft Nr. 2 / 2011 – 2012; S. 255).

Geschützte Wohnangebote stehen Personen mit Behinderung zur Verfügung, die darauf angewiesen sind und diese somit auch nutzen. Die Angebote sind deshalb diversifiziert und auf den Betreuungsbedarf der Bewohnenden abgestimmt. Für die Mehrheit der Personen mit Behinderung ist der Wohnraum in der Einrichtung der Hauptwohnort und entspricht der eigenen Wohnung. Leistungserbringende sind deshalb verpflichtet, das Angebot während des ganzen Jahres (365/366 Tage) bereit zu stellen. Aus diesem Grund finanziert der Kanton die Angebote im Wohnbereich über eine stabile monatliche Leistungspauschale. Das heisst, in der Abgeltung sind die erwarteten durchschnittlichen Abwesenheitstage der Bewohnenden einer Einrichtung berücksichtigt, wodurch die Fixkosten gedeckt werden können.

Abwesenheitstage ergeben sich bei Besuchen im angestammten, familiären Umfeld, bei Ferien oder bei kürzeren Spital- und Klinikaufenthalten. Als Abwesenheitstag gilt nur, wenn eine Person mit Behinderung während eines gesamten Kalendertages keine Leistung in Anspruch nimmt. Die Anzahl Anwesenheitstage war in den letzten vier Jahren insgesamt und innerhalb der Einrichtungen stabil. Im Durchschnitt waren Personen, die im Kanton Graubünden ein Wohnangebot nutzen, 35 Tagen pro Jahr, d.h. drei Tage pro Monat, abwesend (Basis 2012-2015). 

Von überdurchschnittlich hohen Abwesenheiten kann gesprochen werden, wenn es Abwesenheiten von mehr als 30 Tage in Folge gibt (=Langzeitabsenzen) oder die regelmässigen Abwesenheiten über diejenigen eines Wochenaufenthalters (120 Tage, Wochenenden und Ferien) hinausgehen.

Bei Abwesenheiten von mehr als 30 Tage, die nicht planbar sind, finanziert der Kanton die angebrochene Leistung bis zum Ende des Monats. Danach wird die Finanzierung der Leistung eingestellt. Die Leistungserbringenden haben mit dem Kanton einen Leistungsauftrag, in welchem pro Jahr festgelegt ist, wie viele Betreuungstage mit dem Kanton abgerechnet werden können. Fällt eine Person aufgrund einer Langzeitabsenz aus, haben die Leistungserbringenden den unternehmerischen Spielraum, für andere Personen Leistungen zu erbringen und abzurechnen, z.B. für Entlastungsaufenthalte. Die systemimmanenten Anreize unterstützen den effizienten Einsatz der öffentlichen Mittel und erhöhen die Flexibilität.

Zu Frage 1:
Die Nutzung der Angebote im Kanton Graubünden und die durchschnittliche Anzahl Abwesenheitstage zeigen, dass die Angebote von den Bewohnenden mit Behinderung benötigt werden und die öffentlichen Mittel effizient eingesetzt werden. Überdurchschnittlich hohe Abwesenheiten kommen selten vor. Ob und in welchem Masse die Effizienz im Mitteleinsatz mit der Regelung von Einzelfällen gesteigert werden kann, ist offen. Insofern teilt die Regierung die Meinung der Fragestellenden nicht.

Zu Frage 2:
Die Fixkosten der Einrichtungen sind mit der bestehenden Regelung gedeckt. Kommt es nicht zu massgeblichen Änderungen in der Nutzung der Angebote und den Abwesenheiten der Personen mit Behinderung, erachtet die Regierung aufgrund der stabilen, tiefen durchschnittlichen Anzahl Abwesenheitstage eine neue Regelung zurzeit nicht als angezeigt.

27. April 2016