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Session: 07.12.2016

In Art. 18 Abs. 1ter des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz heisst es: Lässt sich eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Lebensräume durch technische Eingriffe unter Abwägung aller Interessen nicht vermeiden, so hat der Verursacher für besondere Massnahmen zu deren bestmöglichem Schutz, für Wiederherstellung oder daneben für angemessenen Ersatz zu sorgen. Nach Art. 14 Abs. 7 der Verordnung über den Natur- und Heimatschutz ist, wer einen Eingriff vornimmt oder verursacht, zu bestmöglichen Schutz-, Wiederherstellungs- oder ansonsten angemessenen Ersatzmassnahmen zu verpflichten. 

Für die Bewertung der Ersatzpflicht und von Ersatzleistungen hat das ANU Punktesysteme entwickelt. Basierend auf den Punktesystemen ist auch eine Monetisierung der Ersatzpflicht (= Ersatzabgabe) möglich. NHG-Ersatzabgaben fliessen in die Sonderfinanzierung „Ersatzabgaben im Bereich Biotop- und Landschaftsschutz“. Die Mittel sind zweckgebunden; sie dürfen nur für Aufwertungsprojekte verwendet werden. 

Falls keine angemessene Ersatzleistung gefunden werden kann, kann der Eingriff gestützt auf Art. 7 KNHV auch durch Zahlung eines Betrages von Fr. 3.-- / Punkt in einen Ersatzmassnahmenfonds des Kantons ausgeglichen werden. Übersteigen die Massnahmen die geforderten Ersatzleistungen können Ersatzleistungspunkte gutgeschrieben werden. 

Diese Ersatzpflicht ist zurzeit weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsebene geregelt und wird lediglich über ein Punktesystem festgelegt. Dieses Punktesystem hat keinen verbindlichen Charakter und garantiert keine Rechtssicherheit. 

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf: 

1. Die Bewertung der Ersatzpflicht auf Verordnungsstufe zu regeln. 

2. Den Gemeinden /Projektanten den Saldo der Ersatzleistungspunkte jährlich mitzuteilen oder öffentlich zu publizieren. 

3. Die realisierten Aufwertungsprojekte und die dazu verwendeten Ersatzleistungen zu veröffentlichen. 

Chur, 7. Dezember 2016 

Lorez-Meuli, Valär, Casanova (Ilanz), Bleiker, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Cahenzli-Philipp, Casty, Danuser, Darms-Landolt, Dermont, Engler, Felix (Scuol), Geisseler, Giacomelli, Hardegger, Hartmann, Heinz, Heiz, Jaag, Joos, Kasper, Komminoth-Elmer, Kunfermann, Lamprecht, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Paterlini, Sax, Schutz, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Toutsch, Vetsch (Klosters Dorf), von Ballmoos, Berther (Segnas), Cantieni, Derungs, Erhard, Pfister

Antwort der Regierung

Die gesetzlichen Grundlagen des Bundes und des Kantons verlangen, dass bei unvermeidbaren Eingriffen in schutzwürdige Lebensräume und geschützte Landschaften angemessener Ersatz zu leisten ist. Bis heute existieren auf Bundesebene keine Grundlagen, wie die Höhe eines ökologischen Schadens und der Wert einer Ersatzleistung genau zu beziffern wären. Einen Hinweis bietet die Bundesgerichtspraxis. Gemäss Bundesgericht ist die Gleichwertigkeit des Ersatzes sowohl anhand von qualitativen als auch von quantitativen Kriterien zu beurteilen. Das Ersatzobjekt muss laut Bundesgericht ähnliche ökologische Funktionen übernehmen können wie das zerstörte Objekt. Zudem müssen die angeordneten Massnahmen auch sinnvoll und verhältnismässig sein. Ersatzmassnahmen könnten laut Bundesgericht ausnahmsweise auch dann angemessen sein, wenn sie sich als nicht gleichwertig erweisen würden (Entscheid 1A.104/2001 E. 5.2; 1A.82/1999 vom 19. November 1999).

Um die Anforderungen an NHG-Ersatz objektivieren zu können, hat das Amt für Natur und Umwelt (ANU) vor über zehn Jahren einen ersten Bewertungsschlüssel für Eingriffe in schutzwürdige terrestrische Lebensräume (nicht aquatische, ausserhalb des Waldes) und die Bewertung von Ersatzmassnahmen entwickelt. Der Schlüssel basiert auf einem Punktesystem, welches die Seltenheit und Empfindlichkeit des betroffenen Lebensraumtyps, das Vorkommen seltener Arten sowie die Wiederherstellbarkeit des Eingriffs und die Eingriffsintensität berücksichtigt. Die Regierung, andere kantonale Bewilligungsbehörden und mittlerweile auch Bundesbehörden stützen sich bei der Festlegung von Ersatzmassnahmen seit vielen Jahren regelmässig auf dieses Punktesystem. Im Hinblick auf das Konzessionsprojekt Lago Bianco der Repower wurde das ANU intern beauftragt, zwei zusätzliche Bewertungsschlüssel für Eingriffe in aquatische Lebensräume und in geschützte Landschaften zu entwickeln. Die entsprechenden Bewertungen flossen in das Konzessionsgenehmigungsgesuch der Repower vom 29. November 2011 ein und die Regierung verfügte in der Konzessionsgenehmigung vom 25. März 2014 (Protokoll Nr. 285), dass die Massnahmen weiter zu konkretisieren und umzusetzen seien.

Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der kantonalen Natur- und Heimatschutzverordnung vom 18. April 2011 (KNHV; BR 496.100) verlangen, dass die Höhe der Ersatzpflicht anhand von Richtlinien der Regierung ermittelt werden. Das ANU hat zwischenzeitlich einen Entwurf für eine entsprechende Richtlinie ausgearbeitet, welcher nach Anhörung der betroffenen Departemente und Dienststellen der Regierung zur Genehmigung unterbreitet wird. Diese Richtlinie wird, basierend auf dem Öffentlichkeitsgesetz, unter anderem auch Vorgaben zum Datenmanagement und zur Zugänglichkeit der Daten enthalten. Die Regierung ist im Sinne dieser Ausführungen bereit, den Auftrag entgegenzunehmen.

16. Februar 2017