Die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF) verabschiedete am 30. Juni 2017 das Eckwertpapier über die Schaffung eines Interkantonalen Konkordates für eine obligatorische Erdbebenversicherung (IKEV). Sie vertrat die Position, dass ein Konkordat einzuführen sei, wenn eine Anzahl Kantone beitreten würde, die zusammen mindestens 85% der zu versichernden Gebäude und Sachwerte der Schweiz abdeckten. Am 26. September 2017 löste die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) eine Konsultation unter den Regierungen aus: Die Kantone sollten sich auf der Grundlage des genannten Eckwertpapiers verbindlich zur Schaffung eines IKEV äussern. 13 Kantone (BE, UR, OW, NW, GL, FR, SO, BS, BL, SH, SG, VS, JU) befürworten die Ausarbeitung eines Konkordats. Zehn Kantone (ZH, LU, SZ, ZG, AR, AI, AG, TG, VD, NE) lehnen ein solches aus unterschiedlichen Gründen ab. Drei Kantone (GR, TI, GE) lehnen ein Konkordat zwar grundsätzlich ab, wären aber allenfalls bereit, sich einer Konkordatslösung anzuschliessen, falls diese ausgearbeitet würde. Weil die zur Abdeckung erforderliche Zahl von mindestens 85% der zu versichernden Gebäude und Sachwerte der Schweiz nicht zustande gekommen war, verzichtet nun die KdK darauf, der RK MZF ein Mandat zur Erarbeitung eines IKEV zu erteilen, weshalb die Schaffung eines interkantonalen Konkordats auf der Basis der Solidarität als gescheitert anzusehen ist.
Weite Teile des Kantons Graubünden weisen eine mittlere Erdbebengefährdung auf, das Engadin eine erhöhte. Erdbebengerecht gebaute Wohn- und Geschäftsgebäude werden in der Schweiz für Erschütterungen ausgelegt, die an ihrem Standort durchschnittlich einmal innerhalb von 500 Jahren zu erwarten sind. Das stärkste bekannte Beben in Graubünden ereignete sich im Jahr 1295 im Raum Churwalden (Intensität VIII). Sollte es sich wiederholen, wären innerhalb des Kantons Gesamtschäden von rund 12 Milliarden CHF zu erwarten, die durch den vorhandenen Erdbebenpool nur zu einem kleinen Bruchteil getragen werden würden. Vgl. auf http://www.seismo.ethz.ch/de/knowledge/earthquake-country-switzerland/index.html die Karte der Epizentren aller instrumentell aufgezeichneten Erdbeben von 1975 bis 2015 mit einer Magnitude ab 2.
Das Erdbeben – so die RK MZF im Eckwertpapier – ist die Naturgefahr mit dem höchsten Schadenpotenzial für die Schweiz, unterliegt aber nur einer freiwilligen Versicherung mit relativ hohen Prämien. Selbst wenn ein starkes Erdbeben in der Schweiz relativ selten auftritt, geht damit ein grosses Risiko für Menschenleben und Sachwerte mit enormen volkswirtschaftlichen Schäden einher (und zwar für die Einwohnerinnen und Einwohner, GrundeigentümerInnen und die kreditfinanzierenden Banken). Aufgrund des sehr hohen Schadenpotentials bei Erdbeben in der Schweiz und in Graubünden und des weitgehenden Fehlens einer Versicherungsdeckung für Erdbebenschäden, ist angesichts des Scheiterns der Konkordatslösung eine solidarische nationale Erdbebenversicherung zu schaffen, die sich auf mehrere Lastenträger (die 19 kantonalen Gebäudeversicherungen und die privaten Versicherer in den GUSTAVO-Kantonen [GE, UR, SZ, TI, AI, VS und OW], der Bund und die Eigentümer) verteilt.
Zufolge Scheiterns der Konkordatsbemühungen der Kantone, basierend auf dem Grundsatz der Solidarität, wird die Regierung gestützt auf Art. 160 BV und Art. 59 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Graubünden (KV; BR 110.100) beauftragt, der Bundesversammlung eine Standesinitiative einzureichen, die den Erlass einer Verfassungsgrundlage für die Einführung einer nationalen Erdbebenversicherung für Gebäude und Aufräumungsarbeiten mit Beteiligung des Bundes und der Versicherer sowie tragbaren Prämien für die Eigentümer verlangt.
Chur, 16. April 2018
Tenchio, Niggli (Samedan), Albertin, Atanes, Blumenthal, Bondolfi, Caduff, Caluori, Casanova (Ilanz), Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Chur), Crameri, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Dosch, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Foffa, Joos, Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Michael (Castasegna), Monigatti, Niederer, Noi-Togni, Perl, Pult, Sax, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Zanetti, Berther (Segnas), Buchli (Tenna), Degiacomi, Lombardi