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Session: 04.12.2019

Die Wald-Wild-Problematik hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren auch in Graubünden spürbar verschärft. Die Dynamik wird durch den Klimawandel noch beschleunigt. Dadurch werden künftige Massnahmen noch aufwändiger und teurer. Wald-Wild-Einfluss und Klimawandel sind unter dem Blickwinkel des Schutzwalderhalts, der Biodiversität und des kostensparenden Ressourceneinsatzes die beiden grössten Herausforderungen der Waldwirtschaft.

Da es im Wald um langfristige Prozesse geht, hat ein Aufschieben von Problemlösungen fatale Auswirkungen auf die nächste Generation, besonders was den Schutzwald betrifft. Es ist deshalb zentral, dass eine gemeinsame Verständigungsbasis aller Beteiligten geschaffen und die Kräfte gebündelt werden, um die grossen Herausforderungen zu meistern.

Die Unterzeichnenden stellen der Regierung folgende Fragen:

1.     Ist die von den Förstern erhobene «Wildeinflusskarte» - eine vom Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) entwickelte Karte - eine methodisch und inhaltlich akzeptierte Grundlage zur Beurteilung des Wildeinflusses auf die natürliche Verjüngung des Waldes?

2.     Inwieweit beeinflussen die «Wildeinflusskarten» die konkreten Abschusszahlen des Schalenwildes des Amt für Jagd und Fischerei (AJF) [Jagdplanung]?

3.     Nachhaltigkeit und kostenreduzierende Waldbewirtschaftung heisst: Soviel natürliche Verjüngung wie möglich, sowenig Eingriffe wie nötig. Inwieweit fühlt sich das AJF in seiner Regulierung des Schalenwildbestandes diesen Vorgaben verpflichtet?

4.     Warum werden die jährlich erhobenen «Wildeinflusskarten» vor Einsetzen der Jagdplanung oder überhaupt nicht öffentlich zugänglich gemacht?

5.     Inwieweit werden die Jägerinnen und Jäger in Bezug auf die Problematik Wald-Wild geschult und weitergebildet?

Chur, 4. Dezember 2019

Gasser, Danuser, Aebli, Atanes, Baselgia-Brunner, Bigliel, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Cahenzli-Philipp, Deplazes (Chur), Deplazes (Rabius), Derungs, Dürler, Ellemunter, Flütsch, Gartmann-Albin, Gugelmann, Hartmann-Conrad, Hefti, Hofmann, Jenny, Kappeler, Kohler, Lamprecht, Maissen, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Paterlini, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schmid, Schutz, von Ballmoos, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Sent), Padrun-Valentin, Pajic, Spadarotto

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Die jährliche Beurteilung des Wildeinflusses wurde in den Jahren 2017 und 2018 als Pilotprojekt durchgeführt und im Winter 2018/2019 erstmals als Grundlage für die jährliche Situationsmeldung des Amts für Wald und Naturgefahren (AWN) an das Amt für Jagd und Fischerei (AJF) verwendet. Die Methode stützt sich auf Erfahrungen und Datenerhebungen, welche durch das AWN und die Revierförster oder durch beauftragte freierwerbende Forstingenieure seit den 1990er Jahren durchgeführt und ständig weiterentwickelt werden. Die Mitarbeitenden des AJF werden bei den Datenerhebungen zum Teil miteinbezogen.

Im November 2019 wurde ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, um die Methodik und die Aussagekraft der Einflusskarten zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Die gutachterliche Prüfung erfolgte insbesondere mit Blick auf die Bundesvorgaben und Empfehlungen zur gutachtlichen Beurteilung des Wildeinflusses, wie sie in der "Vollzugshilfe Wald und Wild" (BAFU 2010) und in der Publikation "Wald und Wild – Grundlagen für die Praxis" (BAFU 2010) festgehalten sind. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass sich die Beurteilung auf die Bundesvorgaben stützt und diese erfüllt. Zudem kommt das Gutachten in einer Darlegung der Stärken und Schwächen zum Schluss, dass Optimierungen möglich sind. Diese werden aktuell geprüft und schrittweise umgesetzt.

Zu Frage 2: Die Resultate der jährlichen Beurteilung konnten 2019 erstmals dem AJF und der Jagdkommission als eine Grundlage für die Jagdplanung zur Verfügung gestellt werden. Diese flächendeckenden Grundlagen lösen sukzessive die detaillierten Schadensmeldungen aus den fünf AWN-Regionen ab. Die Resultate der jährlichen Beurteilung werden bei der Festlegung der Abschusszahlen berücksichtigt bzw. finden Eingang in die Jagdplanungsinstrumente wie z.B. den Abschussplan (quantitativ und qualitativ), die Ausscheidung von Schwerpunktbejagungen oder die Höhenlimiten für die Gamsjagd. 

Zu Frage 3: Die Jagdplanung ist von Gesetzes wegen der (ökologischen) Nachhaltigkeit verpflichtet. Dazu zählt unter anderem auch die Begrenzung der von wildlebenden Tieren verursachten Schäden an Wald und an landwirtschaftlichen Kulturen auf ein tragbares Mass (Art. 1 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [Jagdgesetz, JSG; SR 922.0]). Zudem sind gemäss Art. 3 JSG die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und die natürliche Verjüngung mit standortgemässen Baumarten sicherzustellen. Die in Graubünden angewandten Bejagungskonzepte richten sich konsequent nach diesen gesetzlichen Verpflichtungen.

Zu Frage 4: Die jährliche Beurteilung des Wildeinflusses wurde als Arbeitsgrundlage für die Jagdplanung sowie für die Ermittlung und Erhebung von Wildschäden im Wald entwickelt und ist noch nicht vollständig ausgereift. Aufgrund der Komplexität der Thematik war eine breite Kommunikation und Bereitstellung an die Öffentlichkeit noch nicht möglich. Die jährliche Beurteilung des Wildeinflusses wird gemäss den Empfehlungen aus dem Gutachten optimiert und aufbereitet, um diese zukünftig in verständlicher Form öffentlich zur Verfügung stellen zu können.

Zu Frage 5: In den Ausbildungsunterlagen für Bündner (und Schweizer) Jägerinnen und Jäger werden der Lebensraum Wald mit seinen vielfältigen Funktionen, die Wildtierökologie und die daraus für die Jagd abzuleitenden Konsequenzen sowie das Wildtiermanagement ausführlich behandelt (vgl. "Jagen in der Schweiz – Auf dem Weg zur Jagdprüfung", Salm Verlag, Wohlen b. Bern 2011, Kapitel 4 ff.). In den Ausbildungskursen des Bündner Kantonalen Patentjäger Verbands (BKPJV) und anlässlich der 50 Hegestunden in der freien Natur können die Kandidatinnen und Kandidaten von den praktischen Erfahrungen der Förster, Heger, Jäger und Wildhüter profitieren. Das Thema Wald und Wild ist Teil des Prüfungsfaches "Wild und Umwelt", das seit 1986 zum Prüfungsprogramm gehört.

6. März 2020