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Session: 04.12.2019

Das Bewusstsein um einen drohenden Mangel an Fachkräften nimmt in Wirtschaft und Politik stetig zu, immer mehr Branchen werden herausgefordert, Lösungen zu finden. Ein vielversprechender Ansatz für Graubünden dürfte es sein, für Rahmenbedingungen zu sorgen, welche gut qualifizierte inländische Arbeitskräfte motivieren, am Erwerbsprozess teilzunehmen. Viele gut ausgebildete Frauen und Männer mit Kindern finden solche Bedingungen nicht vor. Zwar hat sich die Versorgungslage im Bereich der familien- und schulergänzenden Betreuung in den letzten Jahren verbessert. Trotzdem verbleiben empfindliche Lücken und das Angebot scheint die Elternbedürfnisse nur teilweise zu decken. So sind vor allem im Schulbereich nach wie vor erhebliche Versorgungslücken auszumachen, da an diversen Schulstandorten Angebote (Mittags- und/oder Nachmittagsbetreuung) fehlen oder aber nur während des Schulbetriebs verfügbar sind.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist gewährleistet so lange sich die Kinder im Vorkindergarten/Vorschulalter befinden. Eltern können auf die bestehenden Angebote der Kitas zurückgreifen. Sobald aber die Kinder in das Schulsystem eintreten, ist diese Vereinbarkeit nicht mehr sicher gewährleistet. Viele Gemeinden bieten keine entsprechenden Strukturen an, da sie gemäss Schulgesetz erst ab einem Bedarf von acht Schülern dazu verpflichtet sind. Und dieser Mindestbedarf muss für jede Stunde an einem Tag gegeben sein. Es fehlt somit an der Flexibilität und teils am politischen Willen, mehr als das Gesetz vorsieht anzubieten. Tatsächlich liegt eine Benachteiligung vorab jener Familien vor, welche in kleineren oder mittleren Gemeinden des Kantons Graubünden wohnhaft sind. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung innerhalb des Kantons indem die Tagesstrukturangebote wohnortabhängig sind.

Des Weiteren finden die Abklärungen und besonders der Entscheid über das Stattfinden schulergänzender Betreuung viel zu spät statt (zum Teil ein paar Tage vor Schulbeginn). Dies macht es berufstätigen Eltern unmöglich, eine Tagesstruktur der Gemeinde überhaupt in Anspruch zu nehmen. Die Eltern organisieren die Kinderbetreuung rechtzeitig anderweitig und die Gemeinde sieht keinen Bedarf, da keine oder zu wenige Anmeldungen für eine Tagesstruktur erfolgen.

Die Unterzeichnenden stellen dazu folgende Fragen:

1.     Anerkennt die Regierung Verbesserungsbedarf in der Kinderbetreuung, wo die Erwerbskompatibilität der Betreuungsangebote eingeschränkt ist? Dies betrifft insbesondere die fehlende Betreuung während der Schulferien und die Bedarfsabhängigkeit der Tagesstrukturangebote gemäss Schulgesetz.

2.     Ist die Regierung bereit, die Angebotspflicht der Schulträgerschaften von acht auf weniger Schüler zu senken?

3.     Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, den Anreiz für Gemeinden für das Schaffen eines berufskompatiblen Angebots zu erhöhen?

Chur, 4. Dezember 2019

Spadarotto, Casutt-Derungs, Stiffler, Atanes, Baselgia-Brunner, Bettinaglio, Bigliel, Brunold, Cahenzli-Philipp, Cavegn, Caviezel (Chur), Clalüna, Degiacomi, Deplazes (Chur), Derungs, Epp, Gartmann-Albin, Gasser, Hofmann, Hohl, Horrer, Kappeler, Maissen, Märchy-Caduff, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Perl, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Rutishauser, Schneider, Schutz, Schwärzel, Thomann-Frank, Thöny, von Ballmoos, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Zanetti (Sent), Zanetti (Landquart), Padrun-Valentin, Pajic

Antwort der Regierung

Im ersten Schuljahr (2013/14) nach Inkraftsetzung der Verordnung über weiter gehende Tagesstrukturen (Tagesstrukturverordnung; BR 421.030) verfügten 44 von damals 113 Schulträgerschaften über anerkannte Angebote im Bereich weiter gehende Tagesstrukturen und es wurden total 233 107 Betreuungseinheiten in Anspruch genommen. Die Nachfrage wie auch das Angebot haben seither kontinuierlich zugenommen. Im laufenden Schuljahr 2019/20 verfügen 71 von 88 Schulträgerschaften über vom Kanton anerkannte Angebote. Im zuletzt abgerechneten Schuljahr 2018/19 wurden total 327 114 Betreuungseinheiten in Anspruch genommen. Über 80 Prozent aller Schulträgerschaften verfügen somit heute über anerkannte Betreuungsangebote im Schulbereich. Zusätzlich sind die in Anspruch genommenen Betreuungseinheiten in sechs Schuljahren um rund einen Drittel gestiegen. Dies zeigt nicht nur das in der Anfrage erwähnte wachsende Bedürfnis nach ausserschulischer Betreuung, sondern auch, dass diesem von den Schulträgerschaften Rechnung getragen wird.

Der Bedarf von acht Schülerinnen und Schülern legt lediglich die Anzahl fest, ab welcher für die Schulträgerschaften eine Angebotspflicht besteht. Für Kantonsbeiträge ist diese Grösse nicht massgebend. Der Kanton leistet auch Beiträge, wenn die Schulträgerschaften Betreuungsangebote bei geringerem Bedarf installieren. Auch an Betreuungsangebote ausserhalb der Schulzeit, zum Beispiel während der Schulferien, leistet der Kanton bereits heute Beiträge. Allerdings findet für diesen Bereich nicht das Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz; BR 421.000) Anwendung, sondern das Gesetz über die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Kanton Graubünden (BR 548.300).

Die Schulträgerschaften müssen die Betreuungsangebote und -zeiten bis spätestens zwei Monate vor Beginn des Schuljahres publizieren. Für die vorausgehende Bedarfserhebung ist das Vorliegen des Stundenplans für das folgende Schuljahr unerlässlich, da ansonsten für die Erziehungsberechtigten nicht in allen Fällen abschätzbar ist, wann sie tatsächlich Betreuungsbedarf haben und wann nicht. Grossen Einfluss auf den Zeitpunkt der Erstellung des Stundenplans haben u. a. Kündigungen (Kündigungstermin Ende März) und Pensenveränderungen bei den Lehrpersonen. Eine frühere Publikation ist deshalb in vielen Fällen kaum realisierbar. Verschiedene Schulträgerschaften umgehen dieses Problem, indem sie auf freiwilliger Basis den Erziehungsberechtigten bereits bei der Bedarfserhebung – unabhängig vom effektiven Bedarf – die Bereitstellung des Betreuungsangebots zusichern.

Zu Frage 1 und 2: Wie aus den genannten Zahlen zur Entwicklung der weiter gehenden Tagesstrukturen ersichtlich ist, bietet aktuell die überwiegende Mehrheit der Schulträgerschaften Betreuungsangebote an. Zudem wurde das Angebot vielerorts qualitativ und quantitativ ausgebaut. Dies hat dazu beigetragen, dass die ohnehin steigende Nachfrage in sechs Schuljahren um rund 100 000 Betreuungseinheiten zugenommen hat und voraussichtlich noch einige Zeit – wenn auch kaum im gleichen Umfang – weiter zunehmen wird. Aufgrund der positiven Entwicklung sind deshalb aus Sicht der Regierung keine unmittelbaren gesetzlichen Anpassungen notwendig. Sie ist jedoch bereit, die Senkung der Angebotspflicht der Schulträgerschaften sowie den Bereich Betreuung während der Schulferien im Rahmen einer Gesamtschau sämtlicher Anliegen zum Schulgesetz inklusiv der dazugehörigen Folgeerlasse anlässlich der geplanten Teilrevision zu prüfen.

Zu Frage 3: Gemäss Art. 27 Schulgesetz sowie Art. 8 Tagesstrukturverordnung liegt die Zuständigkeit für weiter gehende Tagesstrukturen sowie deren Betrieb und Finanzierung bei den Schulträgerschaften. Wie oben ausgeführt, bieten die geltenden gesetzlichen Vorgaben für den Schulbereich die gleichen Möglichkeiten (Kantonsbeiträge bereits ab einer Schülerin oder einem Schüler und für die Betreuung während der Schulferien) wie im familienergänzenden Bereich. Die Entwicklung der weiter gehenden Tagesstrukturen in den vergangenen Jahren zeigt deutlich, dass bei der grossen Mehrheit der Schulträgerschaften der Wille und die Bereitschaft vorhanden sind, der wachsenden Nachfrage nach Betreuungsangeboten gerecht zu werden. Aus Sicht der Regierung gibt es bereits genügend Gründe oder Anreize für die Schulträgerschaften, ein berufskompatibles Betreuungsangebot zu schaffen oder das Bestehende auszubauen. Sie ist deshalb der Meinung, dass diesbezüglich zumindest auf Gesetzesstufe keine weiteren Anpassungen angezeigt sind.

20. Februar 2020