Durch die Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes im Jahr 1986 wurde in Graubünden die Planung der Jagd in Form eines Wildtiermanagements eingeführt. Die für jede Wildart ausgearbeiteten Jagdkonzepte wurden in den vergangenen 30 Jahren auf Basis der neusten wildbiologischen Erkenntnisse laufend angepasst und weiterentwickelt. Die Bündner Jagd entspricht heute hohen wildbiologischen, ökologischen, tierschützerischen, ethischen und soziokulturellen Grundsätzen. Die Abstimmungsresultate der letzten beiden jagdkritischen Volksinitiativen zeigten, dass der Rückhalt der Bündner Jagd in der Bevölkerung gross ist. Das Zweistufenkonzept ist speziell auf die Bejagung von Rothirsch, Reh und auch Wildschwein ausgerichtet. Damit Hirsch-Abschüsse während der Hochjagd getätigt werden können, braucht es eine möglichst gute Verteilung im bejagbaren Gebiet. Dies wird mit dem Schutz der säugenden Hirschkühe und Kälber im Zusammenwirken mit dem Netz von Wildschutzgebieten sichergestellt. Die abschliessende Regulation des Hirschbestands erfolgt durch den Abschuss von weiblichen und jungen Tieren auf den Jagden im Spätherbst. Auf diese Weise kann der im Spätherbst zu bejagende Anteil weiblicher Tiere, inklusive säugender Kühe und Kälber, regional kontrolliert und effizient entnommen werden. Durch die Jagden im Spätherbst werden auch die zuwandernden Hirsche aus Gebieten ausserhalb des Kantons und des Schweizerischen Nationalparks an den verfügbaren Winterlebensraum angepasst, was zur Verhütung von Wildschäden am Schutzwald zentral ist.
Zu Frage 1: Eine abschliessende Regulierung der Rotwildbestände ist mit der Hochjagd im September nicht möglich. Der Kanton Graubünden ist dank günstigen klimatischen Bedingungen ein beliebtes Wintereinstandsgebiet von Hirschen, welche den Sommer in Gebieten ausserhalb des Kantons oder im Schweizerischen Nationalpark verbringen. Je nach Region ziehen diese erst im Spätherbst oder teilweise sogar erst im Winter in die Überwinterungsgebiete. Unter günstigen äusseren Bedingungen funktioniert das Zweistufensystem gut. Es ist absehbar, dass das Jagdsystem und die Jägerschaft bezüglich der Auftragserfüllung durch die Jagd aufgrund der sich kontinuierlich verändernden Rahmenbedingungen – wie überall in Europa – zusätzlich immer stärker an ihre Grenzen kommen. Das Amt für Jagd und Fischerei (AJF) arbeitet daran, die verschiedenen Themengebiete der Bündner Jagd im Meinungsaustausch mit dem Bündner Kantonalen Patentjäger-Verband (BKPJV) zu prüfen und gegebenenfalls kurz- bis langfristige Handlungsschwerpunkte festzulegen.
Zu Frage 2: Diese Frage wird im Rahmen der genannten Prüfung der verschiedenen Themengebiete der Bündner Jagd analysiert. Die Hochjagd und die Sonderjagd werden durch die immer stärker spürbaren Veränderungen des Klimas stark beeinflusst. Auch die Zunahme der Wolfs- und Luchspopulation in Graubünden muss bei der Planung der Jagd immer stärker berücksichtigt werden. Die Abschusspläne wurden aufgrund der Wald-Wild-Konflikte regional sehr stark angehoben. Neben ökologischen und gesellschaftlichen Veränderung haben sich auch die technischen Hilfsmittel stark weiterentwickelt. Dabei sind verschiedene Aspekte, insbesondere die Vorteile betreffend die Regulierung der Schalenwildbestände wie auch die Nachteile in Bezug auf die erleichterte Bejagung von sensiblen Arten sowie die Nachteile zusätzlicher Störquellen, zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Bei der Festlegung von Handlungsschwerpunkten ist schliesslich zu prüfen, ob diese im Rahmen einer Anpassung der Jagdbetriebsvorschriften vorgenommen werden können oder ob es dafür einer Revision des kantonalen Jagdgesetzes (KJG) bedarf.
Zu Frage 3: Die Ergebnisse der genannten Prüfung der verschiedenen Themengebiete der Bündner Jagd und die daraus abgeleiteten kurz- bis langfristigen Handlungsschwerpunkte werden durch das AJF im Sinne der angeregten Auslegeordnung zu gegebener Zeit aufgezeigt.
23. Dezember 2021