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Session: 16.02.2022

Die Wasserkraftstrategie des Kantons Graubünden rollt den Teppich aus für wegweisende Entscheidungen in den nächsten Jahrzehnten. Die Chancen für die Wirtschaft, die Bevölkerung und die öffentliche Hand sind zu nutzen, die dazugehörigen Risiken zu minimieren. Mit den Entscheiden, welche der Kanton und die Gemeinden bei den Heimfällen treffen, werden Fakten geschaffen, die für die nächsten Generationen gültig sind und Folgen haben.

Entsprechend ist es wichtig, dass ein Wissens- und Kompetenzaufbau auch bei den Gemeinden geschieht, um verhandlungs- und entscheidfähig zu sein, die Gemeindeautonomie ernsthaft zu leben oder um die von Fachleuten erarbeiteten Beurteilungen und Grundlagen zielführend nutzen zu können. In einigen Regionen des Kantons Graubünden haben sich die Konzessionsgemeinden organisiert und sind professionell für diese Fragen aufgestellt. In anderen Regionen fehlt eine schlagkräftige Struktur mit dem entsprechenden Wissen und der notwendigen Kontinuität.

In diesem Zusammenhang stellen die Unterzeichnenden folgende Fragen:

  1. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, um den Erfahrungsaustausch und Wissensaufbau seitens der Gemeinden angemessen zu unterstützen?
  2. Welche Strukturen der Organisation seitens der Gemeinden erachtet die Regierung als zielführend, damit sie als Partner in einem Einzugsgebiet von gemeinsam erteilten oder regional zusammenhängenden Konzessionen untereinander wie auch gegenüber Dritten verhandlungsstark und auf Augenhöhe auftreten können?
  3. Wie gedenkt die Regierung mit einer allfälligen Diskrepanz umzugehen zwischen der Portfoliosicht des Kantons als Folge seiner Vielzahl von Beteiligungen an Kraftwerksgesellschaften und der Sicht einer einzelnen Gemeinde respektive der Gemeinden, die in der Regel an einer oder an wenigen Kraftwerksgesellschaften beteiligt sind?

Chur, 16. Februar 2022

Maissen, Sax, Schmid, Berther, Bettinaglio, Bondolfi, Brunold, Casty, Casutt-Derungs, Clalüna, Crameri, Danuser, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Föhn, Geisseler, Hardegger, Kohler, Kunfermann, Lamprecht, Loepfe, Märchy-Caduff, Müller (Susch), Niggli-Mathis (Grüsch), Ruckstuhl, Schneider, Tanner, Tomaschett (Breil), Ulber, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Landquart), Bürgi-Büchel, Collenberg, Gujan-Dönier, Heini

Antwort der Regierung

Die bevorstehenden Heimfälle sind für die Konzessionsgemeinden und den Kanton regional-, finanz- und energiewirtschaftlich von hoher Bedeutung. Aufgrund bereits abgewickelter Heimfälle konnte der Kanton gemeinsam mit den betroffenen Konzessionsgemeinden wertvolle Erfahrungen sammeln und die Zusammenarbeit hat sich bewährt.

Die Hoheit über öffentliche Gewässer kommt im Kanton Graubünden den Gemeinden zu (Art. 83 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Graubünden [KV; BR 110.100]). Bei Konzessionsende sind die Konzessionsgemeinden bei einer Ausübung des Heimfalls hälftig mitbeteiligt (Art. 42 Abs.1 des Wasserrechtsgesetzes des Kantons Graubünden [BWRG; BR 810.100]) und nehmen bei deren Abwicklung eine wichtige Rolle ein. Damit die öffentliche Hand die bevorstehenden Heimfälle gemeinsam erfolgreich und zukunftsgerichtet im Sinne der Wasserkraftstrategie des Kantons Graubünden 2022-2050 (nachfolgend Wasserkraftstrategie; vgl. Botschaft Heft Nr. 9/2021−2022, S. 677 ff.) abwickeln kann, braucht es ein koordiniertes Vorgehen. Dabei ist ein Wissens- und Kompetenzaufbau sowohl bei den Konzessionsgemeinden als auch beim Kanton wichtig. Das Ziel im Bereich der Wasserkraft muss eine starke Partnerschaft zwischen Konzessionsgemeinden und Kanton sein.

Zu Frage 1: Der Kanton beabsichtigt, eine Plattform zu initiieren, welche dem periodischen Erfahrungsaustausch zwischen den Gemeinden und dem Kanton in Wasserkraftfragen dienen wird. Die Gemeinden können auf diese Weise von Informationen und Instrumenten profitieren, mit welchen der Kanton die Wasserkraftstrategie aus einer gesamtkantonalen Interessenwahrung umsetzen will. Zu denken ist an Informationen, Instrumente und Leitfäden zur gemeinsamen Vorgehensweise bei Heimfallverhandlungen und zum Aufbau gesellschaftsrechtlicher Strukturen samt den zugehörigen vertraglichen Grundlagen, aber auch an die verschiedenen Instrumente zur Inwertsetzung bzw. Vermarktung von Strom. Die Plattform kann ferner dem Bestreben dienen, bestehende Strukturen wie Gemeindekorporationen oder andere Formen der Zusammenarbeit unter den Gemeinden weiterzuentwickeln oder neue zu bilden, um Kontinuität beim Aufbau und Erhalt von Knowhow sicherzustellen oder um bspw. eine Organisation in Bezug auf den betrieblichen Unterhalt der Anlageteile zu fördern, mit welcher Wertschöpfung (Arbeitsplätze; Aufträge) regional erhalten und ausgebaut werden kann. Zahlreiche Konzessionsgemeinden haben sich bereits in Korporationen oder Interessensgemeinschaften organisiert.

Zu Frage 2: Die Erfahrung aus der Abwicklung von Heimfällen in den letzten Jahren hat gezeigt, dass die Einsetzung einer Heimfallkommission, bestehend aus Vertretern der Konzessionsgemeinden und des Kantons sowie Fachexperten, sich als zielführend erwiesen hat. Mit einer Heimfallkommission können die Organisation, der Auftrag und die Kompetenzen, die gegenseitigen Pflichten und die Finanzierung zielgerichtet festgelegt und vereinbart werden. Sie ermöglicht eine individuell-konkrete Zusammenarbeit je Heimfall, die Berücksichtigung von besonderen Verhältnissen in der Region und – letztlich entscheidend – ein gemeinsames, verhandlungsstarkes Auftreten von Konzessionsgemeinden und Kanton.

Zu Frage 3: Sofern eine Diskrepanz zwischen der Portfoliosicht des Kantons und der Sicht einer einzelnen Gemeinde auftreten sollte, besteht die Möglichkeit, dass die Gemeinde und der Kanton sich je nach Interessenlage in unterschiedlicher Höhe an einem Partnerwerk beteiligen und über die anteilmässigen Rechte und Pflichten bezüglich des Heimfallsubstrats bzw. der Anlage, soweit möglich, eigenständig verfügen. Den Gemeinden steht ausserdem die Möglichkeit offen, bei der Verwertung ihre Energie gemeinsam mit jener des Kantons zu verwerten und dadurch vom Portfolio des Kantons zu profitieren oder dies auf andere Weise zu tun. Sollte eine Konzessionsgemeinde im Rahmen eines Heimfalls sich nicht beteiligen wollen, steht es ihr frei, auf die Ausübung des Heimfalls (für ihren Anteil) zu verzichten. In diesem Fall sind die übrigen Konzessionsgemeinden berechtigt, den Anteil dieser Gemeinde zu übernehmen. Erst bei einem Verzicht aller übrigen Gemeinden steht dieses Recht dem Kanton zu (Art. 42 Abs. 4 und Art. 43 Abs. 2 BWRG).

28. April 2022