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Session: 16.06.2022

Am 24. Oktober 2018 reichte Grossrat Horrer den Antrag für die Einführung einer Karenzfrist für ausscheidende Regierungsräte ein. Am 12.02.2019 wurde dieser parlamentarische Auftrag im Rat diskutiert und leider mit 71:45 Stimmen abgelehnt. Trotz dieser mehrheitlichen Ablehnung erhofften sich die Befürworter, dass die Debatte die Regierung etwas sensibilisiert hätte. Es zeigt sich jedoch, dass die abtretenden Regierungsräte erneut Fingerspitzengefühl missen lassen.

Gemäss GGVR Art. 8 erhalten abtretende Regierungsräte ein Ruhegehalt. Dieses Ruhegehalt sollte eben dazu dienen, dass Regierungsräte bis zu ihrem Amtsende und darüber hinaus unabhängig regieren und agieren können. Mit unmittelbarem Eintreten in einen VR etc. besteht eine hohe Chance, dass Interessenkonflikte entstehen können – oder allein schon der entsprechende Anschein erweckt wird. Dies hilft nicht, das notwendige Vertrauen in die Politik zu stärken. Ruhegehälter können kritisch hinterfragt werden, die SVP Fraktion ist jedoch überzeugt, dass Ruhegehälter gerade für die Sicherung der Unabhängigkeit von Regierungsräten für eine gewisse Zeitdauer richtig sind.

Die SVP Fraktion beauftragt den Regierungsrat deshalb, gesetzliche Grundlagen für eine Karenzfrist zu schaffen, damit Mitglieder des Regierungsrats nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt keine Mandate in Unternehmen, Betrieben und Institutionen übernehmen können, welche mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • ganz oder teilweise im Besitze des Kantons;
  • einen engen Bezug zu Bereichen des Kantons erhalten;
  • namhafte Aufträge des Kantons erhalten oder wahrnehmen.

Chur, 16. Juni 2022

Gort, Koch, Grass, Bär, Brandenburger, Della Cà, Dürler, Favre Accola, Hefti, Hug, Roner, Salis, Weber

Antwort der Regierung

Einen ähnlichen Auftrag der SP-Fraktion vom 24. Oktober 2018 lehnte der Grosse Rat in der Debatte vom 12. Februar 2019 deutlich ab. Die Regierung führte damals in ihrer Antwort aus, dass eine Karenzfrist es ausscheidenden Regierungsmitgliedern faktisch verunmögliche, eine angemessene neue Tätigkeit aufzunehmen. Der damit verbundene Eingriff in das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit wäre erheblich. Insbesondere würde das verfassungsmässige Recht auf freie Wahl des Berufes und freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit eingeschränkt. Es gehöre zur Tradition (auch beim Bund und anderen Kantonen), dass sich Mitglieder der Regierung nach ihrem Rücktritt zu Gunsten von Gesellschaft und Wirtschaft einbringen, insbesondere, wenn sie jung aus dem Amt scheiden. Dies sei nicht zuletzt auch Ausdruck unseres Milizsystems, wonach Vollämter, wie jenes einer Regierungsrätin oder eines Regierungsrats, berechtigterweise nur auf beschränkte Zeit ausgeübt werden können. Aufgrund ihrer Erfahrung und Vernetzung bringen ehemalige Mitglieder der Regierung für die Privatwirtschaft, aber auch für die Mitarbeit in gemeinnützigen Organisationen die nötigen Voraussetzungen mit. Da Regierungsmitglieder in amtlichen Angelegenheiten gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, können Interessenskonflikte verhindert werden. An dieser Begründung hat sich auch aus heutiger Sicht nichts geändert.

Eine Erhebung der Standeskanzlei vom August 2022 zeigt ausserdem, dass kein einziger Kanton eine Karenzfrist für ehemalige Regierungsmitglieder kennt – selbst diejenigen Kantone nicht, welche keine Amtszeitbeschränkung kennen. Auf Bundesebene wurden gleichartige politische Forderungen ebenfalls bereits mehrfach abgelehnt.

Unabhängig davon ist die Anwendung einer zeitgemässen Public Corporate Governance eine permanente Aufgabe jeder Institution. Sie entwickelt sich laufend und über alle Staatsebenen (Bund, Kantone, Gemeinden) weiter. Die Regierung ist der Ansicht, dass Mandate von den am besten geeigneten Personen mit den nötigen Fähigkeiten, den relevanten Branchen-/Fachkenntnissen sowie der erforderlichen Berufs- und Führungserfahrung übernommen werden sollten. Zu diesem Personenkreis gehören potenziell auch ehemalige Regierungsmitglieder. Dies gilt insbesondere für Unternehmen und gemeinnützige Organisationen mit Sitz im Kanton, an welchen der Kanton beteiligt oder mit denen er in anderer Weise verbunden ist. Eine Karenzfrist würde diesem Ziel zuwiderlaufen; es lässt sich nur mit der konsequenten Anwendung von transparenten Regeln in einem ordentlichen Verfahren erreichen. Bereits heute sind die Kriterien für die Auswahl und Pflichten der Vertretungen in der Verordnung zur Umsetzung der Public Corporate Governance für den Kanton Graubünden (PCG-VO; BR 710.400) festgelegt. Für die Rekrutierung von Mandatspersonen bestehen darüber hinaus verschiedene Leitfäden und Anforderungsprofile (insbesondere das Kriterium, dass keine finanziellen, personellen und materiellen Interessenkonflikte oder Abhängigkeiten vorliegen dürfen).

Die Regierung nimmt die Intention des Auftrags bezüglich Weiterentwicklung der Public Corporate Governance auf. Um die Akzeptanz und das Vertrauen in den Prozess und die Institutionen zu stärken, sollen die Instrumente weiter ausgebaut werden. So sollen die Rekrutierungs- und Wahlverfahren für Mandatspersonen offener und transparenter durch öffentliche Bekanntgabe gestaltet werden. Zudem sollen Ernennungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern nicht mehr während der Amtszeit erfolgen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den Auftrag wie folgt abzuändern:

Die Regierung wird beauftragt, die Public Corporate Governance so anzupassen, dass die Rekrutierungs- und Wahlverfahren für Mandatspersonen öffentlich bekannt gegeben werden und Ernennungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern nicht mehr während der Amtszeit erfolgen.

7. September 2022