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Session: 07.12.2022

Das Krankenpflegegesetz (KPG, BR 506.000) regelt die Beiträge des Kantons und der Gemeinden an die öffentlichen akutsomatischen und psychiatrischen Spitäler (Art. 19 Abs. 1 lit. e und f). Als gemeinwirtschaftliche Leistungen gelten danach Vorhalteleistungen, Palliativpflege, Prävention, Sozialdienst, Spitalseelsorge, Epidemievorsorge, Rechtsmedizin, Betrieb eines geschützten Spitals, medizinische Vorsorge für Notlagen und Katastrophen und Pflichtleistungen gemäss Artikel 13 Absatz 2, soweit die Betriebs- und Investitionskosten nicht durch die Tarife gedeckt sind (Art. 24 Abs. 2). Der Grosse Rat legt dabei jährlich im Budget den Gesamtkredit für den Anteil des Kantons an den Beiträgen des Kantons und der Gemeinden an die öffentlichen Spitäler für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen abschliessend fest (Art. 21 Abs. 1 lit. c).

Die jährlichen Budgetkredite für Beiträge des Kantons an öffentliche Spitäler für gemeinwirtschaftliche Leistungen (Konto Nr. 3212.363412) betrugen

Rechnung 2017    CHF 21'859’974

Rechnung 2018    CHF 21’870’780

Rechnung 2019    CHF 21'877’587

Rechnung 2020    CHF 21’877’587

Rechnung 2021    CHF 27'792’846

Budget 2022         CHF 21'900’000

Budget 2023         CHF 25'285’000

FP 2024-2026      CHF 25'285'000 jährlich

Die Beiträge blieben im Wesentlichen über die Jahre mit der corona-bedingten Ausnahme des Jahres 2021 konstant. Die Erhöhung ab dem Jahr 2023 betrifft zwei zusätzliche IPS-Betten und die Infektiologie im KSGR sowie die Kinder- und Jugendpsychiatrie in der PDGR (Budget 2023, Seite 220, Kommentar Nr. 2).

Anlässlich der Grossratsdebatte zur Anfrage Niggli (Samedan) betreffend langfristige Sicherstellung der dezentralen Gesundheitsversorgung in Graubünden in der Junisession dieses Jahres (Grossratsprotokoll vom 16. Juni 2022, Seite 1331) führte RR Peyer zu der Frage der gemeinwirtschaftlichen Leistungen folgendes aus: «Wichtig sind auch die gemeinwirtschaftlichen Leistungen ... Wenn Sie hier den Antrag noch stellen oder einen letzten Vorstoss machen und sagen, man soll diese verdoppeln oder verdreifachen, ich unterschreibe Ihnen das noch heute …  Wir steuern ein wenig über gemeinwirtschaftliche Leistungen, die ich noch so gerne aufstocken werde, wenn Sie mir das nötige Budget bewilligen.»

Die Kommission für Gesundheit und Soziales KGS ist der Auffassung, dass diese regierungsrätlichen Äusserungen ein verbreitetes Unbehagen über die Höhe der Beiträge an die gemeinwirtschaftlichen Leistungen wiedergeben. Nach ihrer Auffassung fehlt jedoch eine Grundlage für die Beantragung einer Aufstockung des Gesamtkredits im Rahmen des Budgetprozesses.

Die Kommission für Gesundheit und Soziales KGS beauftragt die Regierung,

  1. die Höhe der Beiträge des Kantons und der Gemeinden an die öffentlichen Spitäler für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen auf ihre Angemessenheit überprüfen zu lassen. Die Überprüfung soll auch Handlungsempfehlungen an die Regierung und an den Grossen Rat beinhalten;
  2. die allfälligen Handlungsempfehlungen in ihren Antrag für den Budgetkredit des Jahres 2024 für Beiträge des Kantons an öffentliche Spitäler für gemeinwirtschaftliche Leistungen (Konto Nr. 3212.363412) einfliessen zu lassen.

Chur, 7. Dezember 2022

Loepfe, Holzinger-Loretz, Degiacomi, Collenberg, Natter, Rüegg, Rutishauser, von Ballmoos, Zanetti (Sent)

Antwort der Regierung

Die von den eidgenössischen Räten verabschiedete Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) im Bereich der Spitalfinanzierung trat am 1. Januar 2009 in Kraft. Das Hauptziel der Revision bestand darin, das Kostenwachstum im stationären Spitalbereich zu bremsen. Dafür sollten insbesondere die Transparenz der Kosten und der Finanzierung im Spitalbereich erhöht und der Wettbewerb der Spitäler gestärkt werden. Für eine umfassende Beurteilung der Entwicklung der Spitalkosten und der diesbezüglichen Transparenz müssen auch Ausgaben berücksichtigt werden, die nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) finanziert werden. Dazu gehören gemäss Art. 49 Abs. 3 KVG die Kosten für gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL), wobei die Aufrechterhaltung von Spitalkapazitäten aus regionalpolitischen Gründen und die universitäre Lehre und Forschung explizit genannt werden. Diese Liste ist nicht abschliessend.

Zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität dürfen sozial- und versorgungspolitisch motivierte Leistungen heute nicht mehr einfach den Spitälern auferlegt und pauschal über Subventionen abgegolten werden, da Aufwand und Ertrag ausgeglichen sein müssen. Zum Zweck einer wettbewerbsneutralen Weiterführung solcher Leistungen wurde das Gefäss der gemeinwirtschaftlichen Leistungen geschaffen. Dieses ist aber unpräzise definiert und wird sehr unterschiedlich ausgelegt.

Die Definition der gemeinwirtschaftlichen Leistungen war auch auf Bundesebene schon Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage. Die Antwort des Bundesrats lautete der Begriff sei nicht abschliessend definiert und halte diejenigen Leistungen fest, die keinesfalls zulasten des KVG gehen dürften. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Qualifikation der gemeinwirtschaftlichen Leistungen gemäss Art. 49 Abs. 3 KVG fehlt aber bisher auch in der Rechtsprechung. Bund, Kantone und Krankenversicherer haben entsprechend die gemeinwirtschaftlichen Leistungen nicht näher definiert, sondern höchstens für ihre jeweiligen Interessen instrumentalisiert.

Aufgrund der obigen Ausführungen ist es verständlich, dass schweizweit und nicht nur in Graubünden ein verbreitetes Unbehagen zur Angemessenheit der gemeinwirtschaftlichen Leistungen besteht. Die Regierung ist der Ansicht, dass die Überprüfung durch eine unabhängige Stelle erfolgen sollte.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen.

25. Januar 2023