Die Interkantonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (IVHSM) bildet die rechtliche Grundlage für den Erlass der HSM-Spitalliste und legt die Entscheidungsprozesse der IVHSM-Organe fest. Zudem definiert sie die Kriterien, welche ein Leistungsbereich erfüllen muss, um als hochspezialisierte Medizin (HSM) im Sinne der IVHSM zu gelten. Der IVHSM sind alle 26 Kantone beigetreten und haben sich somit zur gemeinsamen Planung in diesem Bereich verpflichtet.
Die der HSM zugeordneten Leistungsbereiche sind der Spitalplanung der Kantone entzogen. Die Zuordnung eines Leistungsbereichs zur HSM setzt voraus, dass der Eingriff selten ist (Art. 1 Abs. 1 IVHSM). Die Plenarversammlung der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) vom 14. März 2008 hat die kritische Grenze für seltene Krankheiten bei weniger als 1 bis 5 Behandlungen pro Monat (Beispiel: Herztransplantationen bei weniger als 12 Patienten im Jahr) festgelegt.
Die Regierung hat in ihrer Antwort vom 23. August 2013 auf die Anfrage Caduff betreffend Umsetzung der IVHSM ausgeführt, dass sie mit dem Vorgehen des Fachorgans und des Beschlussorgans der IVHSM in weiten Teilen nicht einverstanden sei. Es würden zunehmend Bereiche und Leistungen zur hochspezialisierten Medizin zugeordnet, bei denen die in der Vereinbarung für die Zuordnung zur hochspezialisierten Medizin vorgegebenen Kriterien, insbesondere das Kriterium der Seltenheit der Fälle, bei objektiver Betrachtung nicht oder nur beschränkt gegeben seien.
Die unterzeichnenden Grossrätinnen und Grossräte stellen fest, dass die Berücksichtigung des Kriteriums der Seltenheit bei der Zuordnung von Leistungen zur HSM, weiterhin nicht oder unzureichend berücksichtigt wird. Es werden zunehmend Leistungen mit immer höheren Fallzahlen der HSM zugeordnet. Jüngstes Beispiel stellt die Zuweisung in den Bereichen Pädiatrie die Früh- und Termingeborenen-Intensivpflege (3600 Fälle pro Jahr) dar. Dies hätte zur Folge, dass heute durchgeführte – oder allenfalls auch neue – Behandlungen im Kanton Graubünden zukünftig nicht mehr angeboten werden können. Zahlreiche weitere Beispiele liessen sich anführen. Die breite und wohnortsnahe Versorgung der Bevölkerung Graubündens sowie benachbarter Regionen wie etwa dem Sarganserland, ebenso wie der zahlreichen Gäste, wird damit grundlegend gefährdet.
Die unterzeichnenden Grossrätinnen und Grossräte unterbreiten in diesem Zusammenhang der Regierung folgende Fragen:
- Wie beurteilt die Regierung mit Blick auf die Versorgungssicherheit die Entwicklung bei der Zuordnung von Bereichen und Leistungen zur hochspezialisierten Medizin?
- Was unternimmt die Regierung, allenfalls zusammen mit anderen Kantonen, um beim Beschlussorgan zu erwirken, dass das Kriterium der Seltenheit so angewendet wird, wie es den Kantonen im Rahmen des Beitrittsverfahrens zu IVHSM in Aussicht gestellt beziehungsweise zugesichert wurde, und dass wieder die Versorgungssicherheit aller Landesteile im Zentrum steht?
- Falls das Beschlussorgan an seiner extensiven Praxis der Auslegung der Seltenheit festhalten und Leistungen mit hohen Fallzahlen nicht aus der Zuordnung zur hochspezialisierten Medizin entlassen will: Wäre die Regierung bereit, aus der IVHSM auszutreten und welche Konsequenzen hätte nach Ansicht der Regierung ein Austritt Graubündens?
Chur, 15. Februar 2023
Loepfe, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Natter, Altmann, Bachmann, Bardill, Baselgia, Beeli, Bergamin, Berther, Biert, Binkert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Brandenburger, Brunold, Censi, Collenberg, Crameri, Degiacomi, Derungs, Dietrich, Epp, Favre Accola, Feuerstein, Föhn, Furger, Gansner, Gartmann-Albin, Grass, Haltiner, Heini, Hoch, Hofmann, Hohl, Holzinger-Loretz, Kasper, Kienz, Kohler, Kreiliger, Lamprecht, Maissen, Mani, Messmer-Blumer, Michael (Donat), Nicolay, Oesch, Pajic, Rageth, Rettich, Righetti, Rutishauser, Saratz Cazin, Sax, Schneider, Spagnolatti, Stiffler, Tanner, Thür-Suter, Tomaschett, Ulber, von Ballmoos, von Tscharner, Walser, Wieland, Zanetti (Sent), Zaugg-Ettlin