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Session: 15.02.2023

Die Eidgenössische Bürgerrechtsverordnung regelt die sprachlichen Mindestanforderungen zur Erlangung des Schweizer Bürgerrechts. Sie verweist auf den sechsstufigen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Einbürgerungswillige müssen mindestens B1 mündlich und A2 schriftlich aufweisen. Den Kantonen steht es frei, höhere Hürden zu verlangen. Die Mindestanforderungen sind eher tief. Das ist offenbar auch der Grund, dass in der Schweiz bereits politische Forderungen gestellt werden, Abstimmungsbroschüren in andere Sprachen zu übersetzen. Dies mit der Begründung, dass bei Beherrschung des Niveaus A2 die Voraussetzungen für die Einbürgerung zwar erfüllt sind, die eingebürgerte Person aber kaum in der Lage ist, am politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Muss man knappe Sprachkenntnisse wirklich mit Übersetzungen wettmachen? Nein. Ziel muss sein, die sprachliche Integration von Einbürgerungswilligen stärker zu fördern. Die Sprache ist der Schlüssel zu Land und Leuten, Gesellschaft, Arbeitswelt, Kultur und Politik. Ein normales Gespräch mit Muttersprachlern zu führen ist für die Teilnahme am öffentlichen Leben unabdingbar.

Wer die heutige Mindestanforderung A2 (zweittiefste von sechs Stufen) aufweist, kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (z. B. Informationen zur Person und zur Familie, Einkäufe, Arbeit, nähere Umgebung), und kann sich in einfachen, routinemässigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht.

Niveau B1 heisst, man kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Man kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Man kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äussern.

Das Niveau B2 bedeutet, dass man die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen kann. Man kann sich so spontan und fliessend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne grössere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Man kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.

Vor diesem Hintergrund stellen die Unterzeichnenden folgende Frage:

Ist die Regierung bereit, sofern der Kanton hierzu das Recht hat, die gesetzlichen Grundlagen dahingehend zu ändern und zu ergänzen, dass zur Erlangung des Schweizer Bürgerrechts mündliche Kenntnisse einer Kantonssprache (Deutsch, Italienisch oder Rätoromanisch) entsprechend dem Referenzniveau B2 des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarats (GER) und schriftliche Kenntnisse einer Kantonssprache entsprechend dem Referenzniveau B1 nachgewiesen werden?

Chur, 15. Februar 2023

Krättli, Menghini-Inauen, Morf, Casutt, Cortesi, Della Cà, Dürler, Favre Accola, Gort, Grass, Heim, Hug, Metzger, Roffler, Sgier, Städler, Weber

Antwort der Regierung

Das Bürgerrechtsgesetz des Kantons Graubünden (KBüG; BR 130.100) wurde letztmals am 13. Juni 2017 totalrevidiert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kanton Graubünden darauf verzichtet, schriftliche Fertigkeiten in einer Kantonssprache (Deutsch, Rätoromanisch oder Italienisch) zu fordern. Gemäss Art. 5 Abs. 2 lit. d der Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz des Kantons Graubünden vom 13. Dezember 2005 (aKBüV; BR 130.110) war es ausreichend, über mündliche Sprachkenntnisse entsprechend dem Referenzniveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) zu verfügen. Die auf den 1. Januar 2018 in Kraft gesetzte Revision des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht (BüG; SR 141.0) verlangt neu neben mündlichen auch schriftliche Sprachkenntnisse. Der Bund hat in der Verordnung über das Schweizer Bürgerrecht (BüV; SR 141.01) ein Referenzniveau von B1 im mündlichen bzw. A2 im schriftlichen Bereich vorgesehen. Gemäss Botschaft der Regierung an den Grossen Rat vom 21. Februar 2017 zur Totalrevision des kantonalen Bürgerrechtsgesetzes (Heft Nr. 12/2016-2017, S. 746, Art. 6 lit. c) wurde vermerkt, dass es dem Kanton frei stehe höhere Ansprüche an die Sprachkenntnisse zu stellen, was aber nicht geplant sei. Der Grossrat nahm am 13. Juni 2017 den Artikel 6 betreffend Integrationskriterien einstimmig an (Grossratsprotokoll Junisession 2017, S. 1040, Art. 6) und das totalrevidierte Bürgerrechtsgesetz und die totalrevidierte Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz wurden auf den 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt.

Gesamtschweizerisch haben sich die Mehrheit der ein- oder maximal zweisprachigen Kantone für die schriftlichen Sprachkompetenzen auf dem Referenzniveau A2 und mündliche Sprachkompetenzen auf dem Referenzniveau B1 entschieden. Einzig die Kantone Nidwalden, Schwyz und Thurgau verlangen Sprachkenntnisse auf Referenzniveau B1 mündlich und B2 schriftlich. Die Kantone Basel-Land und St. Gallen sehen für die mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnisse das Referenzniveau B1 vor.

Die im KBüV getroffene Lösung hat sich bis anhin gut bewährt. Der Schwerpunkt wird weiterhin auf die mündlichen Sprachkompetenzen gelegt. Damit gelingt auch eine konsequente Umsetzung des "Stufenmodels der Integration", indem jeweils strengere Sprachanforderungen als bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung gefordert wird. Die verlangte sprachliche Integration stellt sicher, dass sich die einbürgerungswilligen Personen im alltäglichen Leben verständigen können. Texte des alltäglichen Lebens werden verstanden und können mündlich wiedergegeben werden. Die Grundlage für die Teilhabe und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, am Arbeitsprozess und das Vertrautsein mit den kantonalen und kommunalen Verhältnissen ist somit gegeben. Die verlangte sprachliche Integration ist ein Teil der Beurteilung durch die zuständigen Behörden auf Stufe Gemeinde, Kanton und Bund und nur, wenn diese insgesamt positiv ausfällt, erfolgt eine Einbürgerung.

Die Einbürgerung wie vorgeschlagen zu erschweren, ist zudem hinsichtlich eines Wohnortwechsels der ausländischen Bevölkerung zwischen den Sprachregionen des Kantons Graubünden ungünstig. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 wurden jährlich durchschnittlich 290 erwachsene Personen eingebürgert. Im Schnitt waren davon 237 Personen deutscher oder italienischer Muttersprache oder sie absolvierten in der Schweiz die gesetzlich vorgeschriebene Schulzeit oder verfügten über den geforderten Schulabschluss. Bei durchschnittlich 53 Personen war ein Sprachnachweis erforderlich. Daraus lässt sich schliessen, dass die Mehrheit der eingebürgerten erwachsenen Personen über Sprachkenntnisse verfügen, die weit über die minimalen sprachlichen Anforderungen hinausgehen. 

Aufgrund dieser Ausführungen besteht für die Regierung kein Anlass die gesetzlichen Anforderungen auf das Referenzniveau B2 im mündlichen Bereich und auf das Referenzniveau B1 im schriftlichen Bereich des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarats (GER) anzuheben.

19. April 2023