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Session: 29.01.2001
betreffend Austritt der Bündner Regierung aus der Eidgenössischen Nationalparkkommission (ENPK)

Nachdem der Bundesrat Ende 2000 bereits zum zweiten Mal den offiziellen Wahlvorschlag der Bündner Regierung für die Besetzung des Präsidiums der Eidgenössischen Nationalparkkommission nicht berücksichtigt hat, ist der Vertreter des Kantons, Herr Regierungsrat Engler, aus der ENPK ausgetreten.

Zur Zeit wird im Engadin und im Münstertal über die Erweiterung des Schweizerischen Nationalparks verhandelt, und im Kanton Graubünden soll nach Meinung der Pro Natura und anderer interessierter Kreise die Gründung eines weiteren Nationalparkes im Raume Albula/Surseès oder im Gebiet Mesolcina/Lugnez/Vals geprüft werden.

Für die Behandlung dieser gewichtigen Fragen und für die Beeinflussung der künftigen Nationalparkpolitik ist es äusserst wichtig, dass die Anliegen der Forst- und Landwirtschaft, des Tourismus sowie der Jagd und Fischerei in der Eidgenössischen Nationalparkkommission durch den Kanton vertreten werden.

Die Interpellanten bitten die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:

1. Hat der Bundesrat die Wahl des Präsidenten der ENPK bzw. Nichtwahl gemäss Wahlvorschlag der Bündner Regierung begründet?
2. Wie will die Regierung in Zukunft auf die Politik des Schweizerischen Nationalparks Einfluss nehmen?
3. Wie und durch wen sollen die Anliegen der Forst- und Landwirtschaft, des Tourismus sowie der Jagd und Fischerei in der ENPK vertreten werden?
4. Hat sich die Regierung mit ihrem Austritt aus der ENPK auch gleichzeitig vom Projekt zur Erweiterung des Schweizerischen Nationalparks distanziert?
5. Welche Haltung nimmt die Regierung zu den Absichten, im Kanton Graubünden einen zweiten Nationalpark zu schaffen, ein?

Chur, 29. Januar 2001

Namen: Lemm, Schmid (Vals), Barandun, Augustin, Biancotti, Capaul, Conrad, Gross, Gunzinger, Hartmann, Janett, Parolini, Ratti, Robustelli, Suenderhauf, Thomann, Toschini

Session: 29.01.2001
Vorstoss: dt Interpellation

Antwort der Regierung

Bevor auf die einzelnen Fragen eingegangen wird, bleibt festzuhalten, dass der Kanton auf den ihm in der ENPK zustehenden Sitz nicht verzichtet hat. Als Vertreter des Kantons hat der Bundesrat Grossrat Robert Giacometti gewählt. Damit können denn auch erstmals zwei Mitglieder aus den Parkgemeinden Einsitz in die ENPK nehmen.

Frage 1
Ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung des Wahlvorschlages der Regierung bei der Besetzung des Präsidiums der ENPK war laut Schreiben des zuständigen Eidgenössischen Departementes die Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen dem Kanton und der Stiftung "Schweizerischer Nationalpark" (Stiftung SNP), namentlich auch mit Blick auf das politisch umstrittene Erweiterungsprojekt. Zudem war es dem Bundesrat ein Anliegen, dass der Nationalpark auch in Zukunft ein nationales Projekt bleibt, das landesweit gut verankert ist.

Fragen 2 und 3
Der Kanton ist - wie bereits einleitend erwähnt - auch inskünftig mit einem Mitglied in der ENPK vertreten. Somit ist gewährleistet, dass er auch weiterhin auf spezifische und die Stiftung SNP betreffende Fragen Einfluss nehmen kann. Mit Blick auf die Aussenbeziehungen zwischen Kanton und Stiftung SNP muss zwischen dem heutigen SNP und dem Erweiterungsprojekt unterschieden werden. Bezogen auf den heutigen SNP und dessen näheren Umgebung sind die Interessen des Kantons durch Verträge (Nutzung des Spöls, Abgeltung von Wildschäden, Koordination der Jagdpolizei usw.) sowie durch die kantonale Nationalparkordnung abgesichert. Bezüglich des Erweiterungsprojektes bleibt festzuhalten, dass dieses nur mit dem Einverständnis des Kantons umgesetzt werden kann. Das Erweiterungsprojekt tangiert nämlich in mehreren Bereichen (Jagd, Fischerei, Forst, Landwirtschaft usw.) auch den Zuständigkeitsbereich des Kantons.

Frage 4
Die Regierung erkennt in der Erweiterung des SNP nach wie vor eine Chance für eine lohnenswerte, nachhaltige Entwicklung. Dafür sprechen nicht nur ökologische, sondern vor allem auch ökonomische Überlegungen. Soll der Nationalpark auch in Zukunft als glaubwürdiger Faktor des Standort-Marketings Wettbewerbsvorteile schaffen, ist die Erneuerung der Nationalparkidee eine Voraussetzung dafür. Die Regierung ist jedoch der Auffassung, dass nach dem ablehnenden Entscheid der Gemeinde Zernez eine umfassende Lagebeurteilung vorgenommen werden muss und erst aufgrund dieser Beurteilung und unter Einbezug aller interessierter Kreise (Regionalorganisationen, Politische und Bürgergemeinden, Verbände usw.) über das weitere Vorgehen entschieden werden kann.

Frage 5
Die Ausscheidung weiterer Grossschutzgebiete als Komplementärräume zu belasteteren Gebieten kann für die Regionen durchaus eine zukunftsweisende Perspektive bilden. Entsprechende Projekte sind indessen nur erfolgsversprechend, wenn sie auf fundierten Konzepten beruhen, von ganzheitlichen Ansätzen unter gleichwertiger Berücksichtigung der Schutz- und Nutzungsinteressen ausgehen und von der direkt betroffenen Bevölkerung entwickelt und mitgetragen werden. Sind diese Rahmenbedingungen erfüllt, sieht die Regierung durchaus Möglichkeiten für die Ausscheidung weiterer Grossschutzgebiete im Kanton und ist in diesem Sinne auch bereit, entsprechende Projekte der Regionen aktiv zu fördern.

27. Februar 2001