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Session: 31.05.2002
Wann haben Sie das letzte Mal die Milchstrasse gesehen? War diese vor 25 Jahren den meisten Menschen noch ein vertrauter Anblick, gehört ihr grossartiges Bild bei einem Grossteil der Zeitgenossen nicht mehr zum gängigen Erfahrungsschatz. Über den Metropolen Europas sind nur noch 10% der Sterne sichtbar, weil die hohen Lichtsäulen über den Städten den Himmel ausleuchten. Was die Menschen seit Jahrtausenden begleitet hat, geht im Lichtwahn der letzten Jahrzehnte unter.
Nach vorsichtigen Schätzungen beträgt die jährliche Abstrahlung in Form von unerwünschtem Streulicht rund 51 Mio. Kilowattstunden. Licht, das nach oben abstrahlt, verschwindet nicht einfach, sondern wird vorher an Moleküle der Atmosphäre abgegeben, was ein diffuses Leuchten bewirkt, welches die Objekte des Himmels vermehrt überstrahlt. Mehr als 30% des nächtlichen Kunstlichtes wird sinnlos nach oben abgestrahlt. Hand in Hand geht damit eine Verschwendung von Energie, die ihresgleichen sucht.
Obschon wir in Graubünden zumindest heute noch in der glücklichen Lage sind, dass mit Ausnahme der Ballungszentren weite Teile unseres Kantons von der Lichtepidemie bislang verschont geblieben sind, ist auch bei uns eine schleichende Zerstörung der Nacht festzustellen. Auch hierzulande jagt eine Lichtshow die andere, durchschneiden Sky-Beamer die Nacht, werden zunehmend Skipisten beleuchtet, strahlen uns immer mehr Reklametafeln an, werden Häuser, Bäume und Sträucher bis in die Morgenstunden beleuchtet und sogar Baustellen sind neuerdings mit starken Halogenscheinwerfern zu Reklamezwecken angeleuchtet. Diese und andere Lichtverschmutzungen haben fatale Folgen.
Der Licht-Smog wird je länger desto mehr zu einer neuen Plage für die Umwelt. Menschen, Tiere und Pflanzen werden durch die immer grellere Welt beeinträchtigt und belästigt. Zugvögel werden fehlgeleitet. Ganze Ökosysteme verändern sich und diverse Spezies sind infolge der übermässigen Lichtimmissionen gar vom Aussterben bedroht. Allein drei Buchstaben einer einzigen Lichtreklame zogen in einer Grossstadt im Jahresverlauf 350'000 Insekten an. An einer grossen beleuchteten Fabrikwand zählten Forscher in einer Nacht 100'000 Tiere. Nahrungs- und Partnersuche, Eiablage und Fortpflanzung, für die manchen kurzlebigen Arten nur wenige Stunden bleiben, geht infolge der künstlichen Lichtquelle vergessen. Käfer, Mücken, Fliegen und Schmetterlinge werden aus ihren Lebensräumen herausgelockt und verspielen ihre Energie in sinnlosen Rundflügen. Viele Menschen leiden je länger je mehr an den Folgen störender Lichtimmissionen und reagieren zunehmend gestresst. Auch touristisch ist der Lichtsmog äusserst bedenklich, suchen doch die meisten Gäste in Graubünden eine intakte Natur, zu welcher auch die Nachtwelt mit ihrer Sternenpracht gehört.
Das heute noch nicht vorhandene Problembewusstsein ist auf mangelnde Sensibilität und fehlende Information zurückzuführen. Dennoch besteht dringender Handlungsbedarf. Regierung und Parlament sind aufgerufen, ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt und für künftige Generationen wahrzunehmen. Hierbei ist kantonal ein koordiniertes Vorgehen unerlässlich mit Grundlagenbeschaffung, Massnahmeplanung und effizienter Wirkungskontrolle.
Aus diesem Grunde ersuchen wir die Regierung, dem Grossen Rat einen Bericht über die Lichtimmissionen in Graubünden und deren negativen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen zu unterbreiten und Massnahmen zur Eindämmung und Beseitigung von Lichtverschmutzungen vorzuschlagen.

Chur, 31. Mai 2002

Name: Biancotti, Jäger, Brunold, Arquint, Augustin, Bär, Barandun, Birrer, Büsser, Cahannes, Capaul, Cathomas, Catrina, Cavigelli, Christ, Christoffel, Claus, Comazzi, Demarmels, Frigg, Geisseler, Giacometti, Hanimann, Hartmann, Jenny, Joos, Juon, Lardi, Locher, Loepfe, Looser, Luzio, Mani, Meyer, Nick, Noi, Pfiffner, Plozza, Quinter, Righetti, Sax, Schmid (Sedrun), Schmutz, Schütz, Tuor (Trun), Wettstein, Zanolari, Zegg

Session: 31.05.2002
Vorstoss: dt Postulat


Antwort der Regierung


Das von künstlichen Beleuchtungsquellen nachts ausgesandte Licht hat neben den bezweckten Auswirkungen auch unerwünschte Nebenwirkungen. Dies gilt vor allem für die Lichtquellen, welche Lichtemissionen nach oben aussenden. Durch diese unerwünschte "Lichtverschmutzung" sind sowohl die Menschen selber als auch die Umwelt betroffen.

Zu den direkten unerwünschten Wirkungen künstlicher Lichtquellen für Menschen gehört die Beeinträchtigung der Beobachtung des Sternenhimmels, weil das nach
oben ausgesandte Licht in der Atmosphäre gestreut wird und den Nachthimmel gleichmässig aufhellt. Künstliche Lichtquellen haben auch negative Auswirkungen auf wildlebende Tiere. Grossflächige Beleuchtungen und rotierende Lichtkegel stellen für wildlebende Säugetiere eine starke Beeinträchtigung dar: Sie können zur Abwanderung von Wildtieren und im Winter zu einer Schwächung der Tiere führen. Der Kanton Graubünden wird alljährlich von Tausenden von Zugvögeln durchquert die zur Orientierung das Erdmagnetfeld und den Sternenhimmel benutzen und durch starke Lichtquellen in ihrem Zugverhalten nachweislich stark gestört werden. Auf Insekten üben künstliche Lichtquellen die bekannte Attraktionswirkung aus, mit dem Ergebnis, dass die meist kurzlebenden Individuen sich weder der Nahrungssuche noch der Fortpflanzung widmen können und zugrunde gehen. Dies kann zum Aussterben seltener Arten führen.

Die Hauptverursacher unerwünschter Auswirkungen gelten Lichtquellen, die Licht nach oben abstrahlen wie Sky Beamer oder starke Scheinwerfer, die Fassaden, grosse Reklameflächen oder touristisch oder künstlerisch motiviert ganze Berge anstrahlen. Auch die grosse Dichte von Lichtquellen in Städten kann die unerwünschten Auswirkungen der "Lichtverschmutzung" hervorrufen. Eine zunehmende Beleuchtung der Landschaft ist sowohl wegen der genannten negativen Auswirkungen der "Lichtverschmutzung" als auch aus grundsätzlichen Überlegungen im Hinblick auf das Energiesparen, die Ressourcenschonung und den Schutz der Umwelt unerwünscht.

Anlagen, welche "Lichtverschmutzung" verursachen, unterstehen einem kommunalen Baubewilligungsverfahren. Ausserhalb von Bauzonen ist die Zustimmung des Departementes des Innern und der Volkswirtschaft erforderlich. (Reklamen dazu gehören auch Leuchtreklamen entlang von Kantonsstrassen bedürfen zudem einer Bewilligung des Tiefbauamtes, dessen Bewilligungspraxis ausserhalb der Bauzonen sehr restriktiv ist.) Veranstaltungen wie Lichtshows bedürfen in der Regel einer kommunalen Bewilligung. Vorschriften zur Einschränkung von "Lichtverschmutzung" finden sich im Bundesgesetz über den Umweltschutz (Art. 1 und 11f.), in der Schall- und Laserverordnung (Art. 8f.), im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (Art. 18), im Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Art. 2 und 7 Abs. 4) sowie im kantonalen Jagdgesetz (Art. 22 und 27). Diese Vorschriften müssen von den zuständigen Behörden konsequent angewendet werden. Neue kantonale Vorschriften sind jedoch nicht erforderlich. Bei der Bewilligung von Anlagen, die "Lichtverschmutzung" verursachen, haben es die Gemeinden somit in der Hand, Zurückhaltung zu üben. Dies gilt ausserhalb der Bauzonen auch für den Kanton. Allerdings sind in der Vergangenheit nur selten Gesuche für entsprechende Anlagen gestellt worden.

In der Beurteilung der Regierung muss das Problem der "Lichtverschmutzung" auf Bundesebene angegangen werden. Die Regierung ist deshalb bereit, das Postulat in dem Sinne entgegenzunehmen, dass sie sich bereit erklärt, sich bei den zuständigen Bundesstellen dafür einzusetzen, dass Untersuchungen über die "Lichtverschmutzung" in der Schweiz in Gang gesetzt werden und, falls sich daraus Handlungsbedarf ergibt, entsprechende Massnahmen erarbeitet werden.

Datum: 13. August 2002