Wann haben Sie das letzte Mal die Milchstrasse gesehen? War diese vor 25 Jahren den meisten Menschen noch ein vertrauter Anblick, gehört ihr grossartiges Bild bei einem Grossteil der Zeitgenossen nicht mehr zum gängigen Erfahrungsschatz. Über den Metropolen Europas sind nur noch 10% der Sterne sichtbar, weil die hohen Lichtsäulen über den Städten den Himmel ausleuchten. Was die Menschen seit Jahrtausenden begleitet hat, geht im Lichtwahn der letzten Jahrzehnte unter.
Nach vorsichtigen Schätzungen beträgt die jährliche Abstrahlung in Form von unerwünschtem Streulicht rund 51 Mio. Kilowattstunden. Licht, das nach oben abstrahlt, verschwindet nicht einfach, sondern wird vorher an Moleküle der Atmosphäre abgegeben, was ein diffuses Leuchten bewirkt, welches die Objekte des Himmels vermehrt überstrahlt. Mehr als 30% des nächtlichen Kunstlichtes wird sinnlos nach oben abgestrahlt. Hand in Hand geht damit eine Verschwendung von Energie, die ihresgleichen sucht.
Obschon wir in Graubünden zumindest heute noch in der glücklichen Lage sind, dass mit Ausnahme der Ballungszentren weite Teile unseres Kantons von der Lichtepidemie bislang verschont geblieben sind, ist auch bei uns eine schleichende Zerstörung der Nacht festzustellen. Auch hierzulande jagt eine Lichtshow die andere, durchschneiden Sky-Beamer die Nacht, werden zunehmend Skipisten beleuchtet, strahlen uns immer mehr Reklametafeln an, werden Häuser, Bäume und Sträucher bis in die Morgenstunden beleuchtet und sogar Baustellen sind neuerdings mit starken Halogenscheinwerfern zu Reklamezwecken angeleuchtet. Diese und andere Lichtverschmutzungen haben fatale Folgen.
Der Licht-Smog wird je länger desto mehr zu einer neuen Plage für die Umwelt. Menschen, Tiere und Pflanzen werden durch die immer grellere Welt beeinträchtigt und belästigt. Zugvögel werden fehlgeleitet. Ganze Ökosysteme verändern sich und diverse Spezies sind infolge der übermässigen Lichtimmissionen gar vom Aussterben bedroht. Allein drei Buchstaben einer einzigen Lichtreklame zogen in einer Grossstadt im Jahresverlauf 350'000 Insekten an. An einer grossen beleuchteten Fabrikwand zählten Forscher in einer Nacht 100'000 Tiere. Nahrungs- und Partnersuche, Eiablage und Fortpflanzung, für die manchen kurzlebigen Arten nur wenige Stunden bleiben, geht infolge der künstlichen Lichtquelle vergessen. Käfer, Mücken, Fliegen und Schmetterlinge werden aus ihren Lebensräumen herausgelockt und verspielen ihre Energie in sinnlosen Rundflügen. Viele Menschen leiden je länger je mehr an den Folgen störender Lichtimmissionen und reagieren zunehmend gestresst. Auch touristisch ist der Lichtsmog äusserst bedenklich, suchen doch die meisten Gäste in Graubünden eine intakte Natur, zu welcher auch die Nachtwelt mit ihrer Sternenpracht gehört.
Das heute noch nicht vorhandene Problembewusstsein ist auf mangelnde Sensibilität und fehlende Information zurückzuführen. Dennoch besteht dringender Handlungsbedarf. Regierung und Parlament sind aufgerufen, ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt und für künftige Generationen wahrzunehmen. Hierbei ist kantonal ein koordiniertes Vorgehen unerlässlich mit Grundlagenbeschaffung, Massnahmeplanung und effizienter Wirkungskontrolle.
Aus diesem Grunde ersuchen wir die Regierung, dem Grossen Rat einen Bericht über die Lichtimmissionen in Graubünden und deren negativen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen zu unterbreiten und Massnahmen zur Eindämmung und Beseitigung von Lichtverschmutzungen vorzuschlagen.
Chur, 31. Mai 2002
Name: Biancotti, Jäger, Brunold, Arquint, Augustin, Bär, Barandun, Birrer, Büsser, Cahannes, Capaul, Cathomas, Catrina, Cavigelli, Christ, Christoffel, Claus, Comazzi, Demarmels, Frigg, Geisseler, Giacometti, Hanimann, Hartmann, Jenny, Joos, Juon, Lardi, Locher, Loepfe, Looser, Luzio, Mani, Meyer, Nick, Noi, Pfiffner, Plozza, Quinter, Righetti, Sax, Schmid (Sedrun), Schmutz, Schütz, Tuor (Trun), Wettstein, Zanolari, Zegg
Session: 31.05.2002
Vorstoss: dt Postulat