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Session: 25.03.2003
Gemäss kantonalem Steuergesetz kann bei geschiedenen Ehegatten der Alimente leistende Steuerpflichtige (in der Regel der Vater) eines volljährigen, in Ausbildung stehenden Kindes den Kinderabzug machen. Der Mutter eines volljährigen in Ausbildung stehenden Kindes hingegen wird kein Abzug gewährt. Sie kann weder den Kinder- oder Unterstützungsabzug noch den Familienabzug geltend machen; zudem findet der Tarif für Alleinstehende Anwendung.
Mit Urteil vom 23. Januar 2002 hat das Bundesgericht diese Problematik erkannt und Art. 35 Abs. 1 lit. a und b des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) vorn 14.12.1990 dementsprechend ausgelegt. Danach widerspricht es nämlich weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Gesetzes, wenn einer allein erziehenden, geschiedenen Mutter der Kinderabzug und gleichzeitig dem für ein volljähriges, in Ausbildung stehendem Kind Alimente zahlenden Vater der Unterstützungsabzug gewährt wird. Das Gesetz schliesse nämlich nur aus, dass ein Elternteil gleichzeitig den Unterstützungsabzug und den Kinderabzug geltend machen kann. Hingegen folgt daraus nicht, dass der allein erziehenden Mutter der Kinderabzug zu verweigern ist, weil dem zahlenden Vater der Unterstützungsabzug gewährt wird oder umgekehrt. Beim Kinderabzug handle es sich nämlich um einen Sozialabzug, der nicht an die Steuerpflicht für die erhaltenen Unterhaltsbeiträge anknüpfe, sondern an die eigenen z.T. in natura (z. B. grössere Wohnung = höhere Mietkosten) erbrachten Unterhaltsleistungen und die durch die reduzierte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wegen der Kinderbetreuung. Dem Einwand, mündige Kinder bedürfen keiner Betreuung mehr, muss widersprochen werden. In der Regel kochen, putzen und waschen diese nämlich nicht selbst.
Die Regierung wird daher eingeladen, diese bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 35. Abs. 1 lit. a und b DBG auch auf kantonaler Ebene einzuführen und somit einer allein erziehenden Mutter eines in Ausbildung stehenden volljährigen Kindes den Kinderabzug zu gewähren.

Chur, 25. März 2003

Name: Caviezel (Chur), Meyer, Pfenninger, Arquint, Augustin, Brasser, Bucher, Cahannes, Cavigelli, Christoffel, Frigg, Hardegger, Hess, Jäger, Locher, Looser, Maissen, Marti, Noi, Pfiffner, Portner, Schmutz, Schütz, Suter, Trepp, Zindel

Session: 25.03.2003
Vorstoss: dt Postulat


Antwort der Regierung

In der Praxis zum kantonalen Steuergesetz wird dem getrennt besteuerten Elternteil, welcher mit volljährigen, noch in Ausbildung stehenden Kindern zusammenlebt, kein Kinderabzug gewährt, wenn der andere Elternteil durch Alimentenzahlungen den Unterhalt des Kindes zur Hauptsache bestreitet. Dieser Elternteil hat aber auch die an das Kind bezahlten Alimente nicht zu versteuern. Die Postulanten weisen darauf hin, dass für die direkte Bundessteuer ein Kinderabzug gewährt werde und laden die Regierung ein, für die Kantonssteuer ebenfalls die Praxis des Bundes zu übernehmen.

Für die direkte Bundessteuer wird bei getrennt besteuerten Eltern dem Elternteil, welcher den Unterhalt des volljährigen Kindes durch Alimentenzahlungen hauptsächlich bestreitet, der Unterstützungsabzug gewährt. Gleichzeitig wird dem Elternteil, welcher mit diesem Kind zusammen in gemeinsamem Haushalt lebt, der Kinderabzug gewährt; zudem wird der Verheiratetentarif angewendet. Diese Praxis basiert auf einem Entscheid des Bundesgerichts.

In Auslegung des kantonalen Steuergesetzes ist die Steuerverwaltung zum Schluss gelangt, dass die Praxis zur direkten Bundessteuer für die Kantonssteuern nicht übernommen werden kann. Der Elternteil, bei welchem das volljährige Kind lebt, wird für die direkte Bundessteuer gleich besteuert wie ein Ehepaar mit einem volljährigen Kind in gleichen finanziellen Verhältnissen. Der Umstand, dass bei den getrennten Ehegatten eine erwachsene Person weniger aus dem gleichen Einkommen leben muss, bleibt ebenso unberücksichtigt wie die Tatsache, dass der Unterhalt des Kindes zur Hauptsache vom anderen Ehegatten bestritten wird. Dies widerspricht sowohl dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als auch dem Rechtsgleichheitsgebot, indem Unterschiede in den tatsächlichen Verhältnissen unbeachtet bleiben. Aber auch der Wille des kantonalen Gesetzgebers zeigt, dass Kinderabzug und Unterstützungsabzug nicht kumulierbar sind. In der Botschaft zur Teilrevision des Steuergesetzes vom 11.5.1995 ging der Gesetzgeber ganz klar davon aus, dass für das gleiche Kind nicht ein Kinderabzug und ein Unterstützungsabzug gewährt werden können (Botschaften 1995-96, Heft Nr. 2, S. 153).

Die Regierung teilt diese materielle Beurteilung der für die Auslegung und Anwendung des kantonalen Steuergesetzes zuständigen Steuerverwaltung und erachtet die heutige Praxis damit als gesetzeskonform.

Die Besteuerung des getrennt lebenden Elternteils, der mit volljährigen Kindern im gleichen Haushalt zusammenlebt, kann nicht auf dem Wege der Auslegung bestehender gesetzlicher Bestimmungen geändert werden. Die Frage kann aber im Zuge der anstehenden Revision der Familienbesteuerung geprüft werden. Die Regierung ist bereit, das Postulat in dem Sinne entgegenzunehmen, dass die steuerliche Situation von geschiedenen Eltern, welche mit volljährigen Kindern zusammenleben, in der nächsten Teilrevision des Steuergesetzes geprüft wird.

Datum: 29. April 2003