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Session: 25.03.2003

Der Straf- und Massnahmenvollzug ist heute in unserem Kanton in einer Verordnung geregelt, nämlich in der regierungsrätlichen Verordnung über den Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Graubünden (VSM) vom 16.12.1985 (BR 350.460). Diese wiederum stützt sich unter anderem auf Art. 28 der Kantonsverfassung sowie Art. 181 und 186 des Gesetzes über die Strafrechtspflege (StPO).

Aus heutiger staatsrechtlicher Sicht ist diese Regelung unzureichend: Die Europäische Menschenrechtskonvention und die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangen in diesem sensiblen Bereich eine Regelung auf Gesetzesstufe. Dieses Manko gilt es aufzuarbeiten und dafür ein Gesetz im formellen Sinne zu erlassen.

Mit diesem Gesetz soll die geltende Praxis fortgeführt werden, aber auch Lücken in der Gesetzgebung - so namentlich bei der Zwangsmedikation und bei der Zwangsernährung der eingewiesenen Personen - geschlossen werden. Zudem sollen die Kompetenzen aller Stufen klarer abgegrenzt werden.

Ferner können Fragen abgeklärt werden, ob beispielsweise bei allen Eingewiesenen künftig zwangsweise DNA-Abstriche vorgenommen werden sollen oder die geltenden Bestimmungen beziehungsweise erkennungsdienstlichen Massnahmen genügen. Dasselbe gilt für die Überwachung des Briefverkehrs, wonach allenfalls Amtsstellen den Geistlichen, Ärzten und Anwälten gleich gestellt werden sollen. Briefe sollen in bestimmten Verdachtsfällen und nach Vorankündigung kontrolliert werden können. Ebenso wäre die Kostenregelung - ohne Verschiebung der Kostenteilung zwischen Kanton und Gemeinde - zu diskutieren. Der Kanton könnte die Kosten der strafrechtlichen Massnahmen sowie die ausserordentlichen Kosten des Strafvollzuges vorfinanzieren und diese direkt der Lastenverteilung zuführen.

Chur, 25. März 2003

Name: Portner, Trachsel, Roffler Arquint, Battaglia, Beck, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Sedrun), Biancotti, Bischoff, Brüesch, Bucher, Bühler, Büsser, Capaul, Casanova (Vignogn), Cathomas, Cavegn, Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Christ, Christoffel, Crapp, Dalbert, Demarmels, Farrér, Federspiel, Geisseler, Gross, Hardegger, Hess, Hübscher, Joos, Juon, Keller, Kessler, Lardi (Le Prese), Lemm, Locher, Loepfe, Luzio, Maissen, Märchy, Marti, Meyer, Noi, Peretti, Portner, Quinter, Righetti, Robustelli, Sax, Schmid (Sedrun), Schmid (Vals), Stiffler, Tuor (Disentis/Mustér), Tuor (Trun), Vetsch

Session: 25.03.2003
Vorstoss: dt Motion


Antwort der Regierung

Der Straf- und Massnahmenvollzug wird heute im Kanton Graubünden durch die regierungsrätliche Verordnung über den Straf- und Massnahmenvollzug (VSM) geregelt. Darin sind im Wesentlichen die Aufgaben und die Gestaltung des Vollzugs sowie die Stellung der Insassen bzw. deren Rechte und Pflichten normiert. Diese Verordnung stützt sich auf Art. 28 der Kantonsverfassung sowie Art. 181 und Art. 186 des Gesetzes über die Strafrechtspflege (StPO). Sodann sind die Bestimmungen des ostschweizerischen Strafvollzugskonkordates, an dem der Kanton Graubünden beteiligt ist, zu beachten. Schliesslich sind für den Vollzug freiheitsentziehender Strafen und Massnahmen die Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches massgebend.

Für den Bereich des Strafrechts ist zudem die aktuelle Entwicklung auf Bundesebene zu beachten. Am 21. September 1998 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (BBl 1999 1979). Darin schlug er dem Parlament eine Gesamtrevision der allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) und des Militärstrafgesetzes (MStG) sowie den Erlass eines neuen Gesetzes über das Jugendstrafrecht vor. Das zentrale Anliegen der Revision liegt in der Neuordnung und Differenzierung des Sanktionensystems. Daneben enthält die Vorlage Neuerungen wie die Ausweitung der Kompetenz zur Verfolgung im Ausland begangener Straftaten, vereinfachte Verjährungsregeln oder die Strafbarkeit der Unternehmung. Das Jugendstrafrecht soll sodann in einem separaten Bundesgesetz vom Erwachsenenstrafrecht abgekoppelt werden. Die Referendumsfrist ist am 3. April 2003 unbenutzt abgelaufen.

Für die Kantone resultiert aus der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches ein umfassender Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen. Zum einen werden umfangreiche Anpassungsgesetzgebungsarbeiten der entsprechenden kantonalen Erlasse erforderlich. In diesem Rahmen wird sowohl die kantonale Strafprozessordnung als auch die Verordnung über den Straf- und Massnahmenvollzug sowie das Ostschweizer Strafvollzugskonkordat an die bundesrechtlichen Vorgaben anzupassen sein. Zum anderen werden bauliche und betriebliche Massnahmen nötig. Schliesslich ist unter den Kantonen der erforderliche Informations- und Instruktionsbedarf zu klären und die Handlungsabläufe sind zu koordinieren.

Entsprechende Vorbereitungsarbeiten sind auch im Kanton Graubünden initiiert worden. Mit Beschluss vom 8. April 2003 (Prot. Nr. 504) setzte die Regierung eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag ein, den Handlungsbedarf im Einzelnen zu eruieren sowie die Anpassungsgesetzgebung im kantonalen Recht zu erarbeiten. Die in der Motion aufgeworfenen Fragen und Problemstellungen werden im Rahmen dieser Arbeiten zu prüfen und in die Wege zu leiten sein.

Die Regierung erklärt sich in diesem Sinne bereit, die Motion entgegenzunehmen und dem Grossen Rat eine Neuregelung des Straf- und Massnahmenvollzugs auf Gesetzesstufe vorzulegen.

Datum: 29. April 2003