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Session: 25.03.2003
In unserer gegenwärtigen Welt gibt es mehr als 3'000 Minderheiten. Sie finden in Recht und Politik oft aber nicht genügend Schutz. Ethnonationalismus prägt das Gesicht vieler Länder. Er kann zu Zwangsassimilation führen oder zur willkürlichen Entziehung oder Vorenthaltung der Bürgerrechte (Isolation, Diskriminierung, Verfolgung, Deportation oder Massaker). Ethnonationalismus steht nicht im Einklang mit der Grundidee einer offenen, liberalen und demokratischen Verfassung. Die blosse Begegnung von verfeindeten Menschen und Gruppen ausserhalb ihres Landes kann Hass und Vorurteile durchbrechen, Konflikte entschärfen, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zum Stillstand bringen.
Gemeinsam mit dem ”Europa Institut an der Universität Zürich” haben namhafte Persönlichkeiten innerhalb und ausserhalb unseres Kantons die Gründung eines ”Internationalen Zentrums für Minderheiten mit Sitz in Graubünden” vorgesehen. Das Zentrum sieht seine Kernaufgabe darin, den Konfliktpartnern einen neutralen Ort ausserhalb des Spannungsgebietes und die Möglichkeit zu bieten, um miteinander in einen konstruktiven Dialog zu treten. Dabei sind die Menschenwürde sowie die Grund- und Menschenrechte Orientierungspunkte ihrer Arbeit. Als Hauptaufgaben können die Behandlung internationaler Minderheitenfragen in den Bereichen Staats- und Völkerrecht, die Förderung von kulturellen und sprachlichen Minderheiten sowie der Aufbau von Netzwerken bezeichnet werden. Durch die Mitwirkung des Europa Instituts an der Universität Zürich verfügt das Zentrum über das erforderliche staats- und völkerrechtliche Fachwissen sowie die nötige interkulturelle und soziale Kompetenz, um mit den Konfliktparteien rechtliche und politische Lösungsansätze zu entwickeln.
Der Kanton Graubünden ist von seiner Geschichte und seiner kulturellen und sprachlichen Vielfalt her dafür prädestiniert, Sitz dieses Zentrums zu sein und sich als Begegnungsort für Minderheiten mit internationaler Ausstrahlung zu etablieren. Eine erfolgreiche Umsetzung der geplanten Aktivitäten könnte durch die Zusammenarbeit mit dem Europainstitut an der Universität Zürich das entsprechende Wissen und die universitäre Ausbildung an unseren Fachhochschulen erheblich erweitern und das Image unseres Kantons massgeblich stärken. Die Realisierung des Minderheitenzentrums könnte nicht nur die Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglichen, sondern auch in anderen Bereichen volkswirtschaftliche Umsätze generieren. Die Umsetzung dieses Projektes ist jedoch nur dann möglich, wenn nebst dem Bund und dem Kanton Zürich auch der Kanton Graubünden entsprechende Betriebs- und/oder Standortbeiträge leistet.
Die Regierung wird deshalb aufgefordert, mögliche bestehende Rechtsgrundlagen (z.B. Kulturförderungsgesetz) für die Leistung von Betriebs- und/oder Standortbeiträgen für das geplante Minderheitenzentrum anzuwenden oder diese allenfalls zu erarbeiten und dem Grossen Rat vorzulegen.

Chur, 25. März 2003

Name: Tuor (Disentis(Mustér), Arquint, Claus, Augustin, Barandun, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Sedrun), Bucher, Büsser, Cahannes, Capaul, Casanova (Vignogn), Cathomas, Cavegn, Caviezel (Chur), Cavigelli, Crapp, Dermont, Farrér, Feltscher, Hanimann, Hartmann, Jäger, Keller, Lardi (Le Prese), Lardi (Poschiavo), Locher, Looser, Maissen, Meyer, Pfenninger, Pfiffner, Portner, Righetti, Schmid (Sedrun), Schmid (Vals), Schütz, Suenderhauf, Thomann, Tuor (Trun), Zanolari

Session: 25.03.2003
Vorstoss: dt Motion

Antwort der Regierung

Mit der Gründung eines Internationalen Zentrums für Minderheiten in Graubünden soll ein Forum der Begegnung, der Diskussion und des Erfahrungsaustausches im rechtlich/politischen und kulturellen Bereich geschaffen werden. Geplant ist, mit nationalen wie auch internationalen Institutionen geeignete Formen der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens zu prüfen und zu entwickeln. Das Zentrum richtet sich an innerstaatliche sowie staatenübergreifende Minderheiten und sieht sich als Ergänzung zu den bereits existierenden schweizerischen Institutionen, die sich vor allem mit militärischen und strategischen Fragestellungen und Modellen auseinandersetzen. Wissenschaftlich getragen wird das Projekt vom "Europa Institut an der Universität Zürich".
Die Bündner Regierung steht der Idee, im Kanton Graubünden ein Internationales Zentrum für Minderheiten als Begegnungsstätte zu konzipieren und zu führen, positiv gegenüber. Für unseren Kanton, welcher nur in einem Klima gegenseitiger Toleranz und Solidarität entstehen und gedeihen konnte, gehören Interkulturalität und Solidarität, gegenseitiges Verstehen, gelebtes Nebeneinander der Kulturen und Sprachen genauso zum Alltag wie Toleranz und Respekt vor anderen, auch fremdartigen kulturellen Erscheinungs- und Ausdrucksformen. In diesem Sinne teilt die Regierung die Auffassung der Motionäre, dass Graubünden aufgrund seiner Geschichte sowie seiner kulturellen und sprachlichen Vielfalt besonders dafür prädestiniert scheint, ein solches Minderheitenzentrum zu beherbergen.
Vor diesem Hintergrund hat die Regierung mit Beschluss vom 1. April 2003/Prot. Nr. 454 an das Grundkapital der Stiftung "Convivenza-Internationales Zentrum für Minderheiten mit Sitz in Graubünden" einen einmaligen Beitrag von Fr. 300'000.-- zugesichert. In den Erwägungen hat sie die Initianten allerdings darauf hingewiesen, dass es dem Kanton aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht möglich sein werde, wiederkehrende Betriebsbeiträge an das Zentrum zu leisten. Das allenfalls in Frage kommende Kulturförderungsgesetz sähe zwar die Möglichkeit vor, sprachliche und kulturelle Minderheiten in unserem Kanton mit jährlich wiederkehrenden Beiträgen zu unterstützen; nach dem klaren Willen des Gesetzgebers fielen unter dieser Bestimmung allerdings ausschliesslich Institutionen, welche die Erhaltung und Förderung der kantonalen Dreisprachigkeit sowie insbesondere der italienisch- bzw. romanischsprachigen Minderheiten bezweckten. Die im Zusammenhang mit der Errichtung des Internationalen Zentrums für Minderheiten anfallenden Betriebskosten fallen eindeutig nicht in den Geltungsbereich dieser Bestimmungen. Ebensowenig finden sich im geltenden Wirtschaftsförderungsgesetz die notwendigen gesetzlichen Grundlagen, welche für die Ausrichtung jährlich wiederkehrender Betriebsbeiträge herangezogen werden könnten.
Die Umsetzung des Begehrens der Motionäre, staatliche Betriebsbeiträge an das geplante Minderheitenzentrum zu leisten, wird demzufolge eine Anpassung der kantonalen Rechtsgrundlagen bedingen. In Übereinstimmung mit den Initianten des Projektes sowie den Motionären anerkennt die Regierung die Tatsache, dass eine erfolgreiche Realisierung des Minderheitenzentrums einen Beitrag zur volkswirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung in einer Randregion unseres Kantons zu leisten vermöchte. Sie ist daher bereit, das Anliegen des parlamentarischen Vorstosses als Postulat zur Prüfung entgegenzunehmen. Klar ist, dass sich nebst dem Kanton Graubünden auch der Bund und der Kanton Zürich an den Betriebskosten beteiligen müssten. Ausserdem muss zu gegebener Zeit von den Initianten der Nachweis erbracht werden, dass im Rahmen der Realisierung des Projektes qualifizierte Arbeitsplätze im Kanton Graubünden geschaffen werden können.

Datum: 29. April 2003