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Session: 19.04.2005
Der Bündner Tagespresse konnte am 26. Januar 2005 sinngemäss folgender Bericht entnommen werden:
„Abgewiesener Asylbewerber zum zehnten Mal verurteilt
Das Kantonsgericht Graubünden hat einen seit sieben Jahren illegal in der Schweiz lebenden Algerier wegen Drogenhandels und weiterer Delikte zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt. Unter falschem Namen kam der Asylsuchende 1997 in die Schweiz und wurde dem Kanton Graubünden zugeteilt. Da sein Asylgesuch abgewiesen wurde, hält er sich seit 1998 illegal in der Schweiz auf. Bis Herbst 2002 wohnte er im Durchgangszentrum Chur, danach wurde er in jenes von Rueun und anschliessend in jenes von Schluein verlegt, bis er sich im Februar 2004 dort abmeldete und ein Hausverbot erhielt. Seither wohnt er bei seiner Freundin in der Surselva. Bis Ende Juni 2004 bezog der abgewiesene Asylbewerber insgesamt Fr. 66'500. - Fürsorgeleistungen. Obwohl die Bündner Fremdenpolizei bei den Behörden in Algerien die wahre Identität geklärt hatte, konnte der mehrfach Straffällige nicht ausgeschafft werden und die ausgesprochene Landesverweisung konnte nicht vollzogen werden. Er befand sich zwar in Ausschaffungshaft was Bund und Kanton weitere Fr. 30'OOO.-. gekostet hat, doch Zwangsrückführungen nach Algerien sind nicht möglich. Nachdem der verurteilte Asylbewerber vor Gericht erklärte, dass er für immer hier bleiben werde, verliess er den Gerichtssaal als freier Mann.

Gerichtsfälle dieser Art wecken nicht nur Unverständnis und Unmut in der Öffentlichkeit, sie sind auch entmutigend für Polizei und Verwaltung. Da es sich beim dargestellten Sachverhalt kaum um einen Einzelfall handelt, ergeben sich folgende Fragen:

1. Wie viele Asylbewerber halten sich illegal in Graubünden auf? Wie viele davon sind bereits durch deliktisches Verhalten aufgefallen? Ist auch die Regierung der Auffassung, dass solches deliktisches Verhalten bei der Öffentlichkeit generell zu einer negativen Haltung Asylsuchenden gegenüber führt, was unserem traditionellen humanitären Gedanken abträglich ist?

2. Wie beurteilt die Regierung derartige Fälle?

3. Werden die Anstrengungen der Verwaltung, insbesondere der Fremdenpolizei durch die Bündner Justiz unterstützt?

4. Was unternimmt die Regierung gegen die Vollzugsprobleme? Hat die Regierung Lösungsvorschläge in die laufende Teilrevision der Asylgesetzgebung eingebracht?

5. Ist die Regierung bereit, für solche Asylsuchende zusätzliche Zwangsmassnahmen zu ergreifen, z.B. durch Erstellung zusätzlicher Einrichtungen in abgeschiedener Lage?

Chur, 19. April 2005

Name: Janom Steiner, Dudli, Hartmann (Champfèr), Bachmann, Barandun, Berther (Sedrun), Bleiker, Brunold, Butzerin, Casanova (Vignogn), Casty, Cavegn, Cavigelli, Christoffel, Crapp, Dermont, Donatsch, Fleischhauer, Giacometti, Giovannini, Gredig, Hanimann, Hardegger, Heinz, Hübscher, Jeker, Kessler, Krättli-Lori, Lemm, Loepfe, Maissen, Mani-Heldstab, Märchy-Michel, Marti, Montalta, Nigg, Parolini, Pedrini, Perl, Portner, Quinter, Ratti, Righetti, Rizzi, Stiffler, Stoffel, Vetsch, Wettstein, Bezzola, Campell, Foffa, Gubelmann

Session: 19.04.2005
Vorstoss: dt Anfrage


Antwort der Regierung

Der Vollzug negativer Asylentscheide sowie die Rückführung illegal anwesender Personen bilden eines der grössten Probleme des Ausländer- und Asylrechts der Schweiz. Der Problematik kommt besondere Bedeutung zu, wenn die Zurückzuführenden mehrfach deliktisch in Erscheinung treten, sich dissozial verhalten oder die Rückschaffung ins Heimatland durch die Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittelverfahren zu verhindern oder verzögern versuchen. Rückführungen scheitern oft daran, dass einzelne Herkunftsstaaten nicht bereit sind, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen oder diese Personen bei der Identitätsabklärung und Papierbeschaffung nicht kooperieren. Graubünden ist von diesen Problemen wenn auch in zahlenmässig geringerem Umfang wie alle Kantone betroffen. Mit dem Vorbereitungs- und Ausschaffungsgefängnis im Sennhof besteht immerhin die Möglichkeit, mit freiheitsentziehenden Massnahmen Einfluss auf die Rückkehrbereitschaft zu nehmen.

1. Die genaue Zahl abgewiesener Asylbewerber, die sich illegal im Kanton Graubünden aufhalten, lässt sich nicht ermitteln. Seit Einführung des Entlastungsprogrammes 03 des Bundes am 1. April 2004 werden jedoch durch diese Personengruppe begangene Gesetzesverstösse systematisch erfasst. Vom 1. April bis 31. Dezember 2004 wurden gegen 25 abgewiesene Asylbewerber 70 Verzeigungen wegen illegalen Aufenthaltes vorgenommen. Im gleichen Zeitraum wurden 13 dieser Personen zusätzlich wegen anderer Straftaten (BetmG, Diebstahl, etc.) verzeigt. Die Erhebungen im Jahre 2005 deuten darauf hin, dass sich die Gesetzesverstösse etwa im Rahmen des Vorjahres halten. Die Regierung teilt die Auffassung, dass solche Missstände der Ausländerfeindlichkeit in der Bevölkerung Vorschub leisten können. Sie misst deshalb der raschen Abwicklung der Asylverfahren sowie dem konsequenten Vollzug der Asylentscheide seit Jahren grosse Bedeutung zu.

2. Rechtskräftige Asylentscheide, die nicht vollzogen werden können, sind aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch. Vollzugsprobleme im Asylbereich können zu einem nicht zu unterschätzenden gesellschaftlichen Problem führen, wenn sich abgewiesene Asylbewerber nicht an die geltende Rechtsordnung halten oder sich dissozial verhalten.

3. Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungs- und Gerichtsbehörden ist soweit sie aufgrund der Unabhängigkeit der Justiz und der verschiedenen Aufgaben überhaupt möglich ist im Grossen und Ganzen als gut zu bezeichnen.

4. Eine Verbesserung der Situation liesse sich vor allem durch eine Optimierung der Zusammenarbeit mit den ausländischen Botschaften und kritischen Herkunftsstaaten erzielen. Dafür sind aber vor allem der Bund und das EJPD zuständig. Die Bündner Regierung hat sich wiederholt für eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Vollzugsbereich eingesetzt. Sie hat zudem den Vorsteher des Amtes für Polizeiwesen und Zivilrecht als Co-Präsidenten für die aus Bundes- und Kantonsvertretern bestehende Arbeitsgruppe „Wegweisungsvollzug“ freigestellt, welche den Weisungsvollzug koordiniert und optimiert.

5. Gemäss Art. 121 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung im Ausländer- und Asylrecht Sache des Bundes. Die Kantone verfügen über keine Rechtsgrundlage zum Erlass eigener, strengerer Zwangsmassnahmen. Beim Vollzug der Zwangsmassnahmen ist überdies die Praxis des Bundesgerichtes zu beachten. Im Rahmen der Reorganisation der Verwaltung wird das Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht ab dem 1. Januar 2006 auch für die Unterbringung der Asylsuchenden zuständig sein. Dabei soll auch das aus dem Jahre 1994 stammende Unterbringungskonzept überarbeitet werden. Es ist insbesondere vorgesehen, für Personen mit abgeschlossenen Verfahren nur noch bescheidene Unterkünfte mit einem niederschwelligen Betreuungsangebot anzubieten und zentrumsnahe Liegenschaften aufzugeben. Ob neue Betreuungsstrukturen an abgeschiedener Lage erstellt werden können, wird massgeblich von den verfügbaren Objekten sowie der Zustimmung der jeweiligen Standortgemeinden abhängen.

Datum: 24. Juni 2005