Nach der Erfahrung von Anwälten, Betreuern und Freunden von Betroffenen werden Bedingungen für den Familiennachzug in Graubünden sehr rigide gehandhabt und nach dem Buchstaben und nicht nach dem Sinn angewendet. So ging es offenbar bei einem Gesuchsteller, der über die Jahre drei Familiennachzugsgesuche einreichen musste, letztlich noch um ein Fehlein-kommen von 20 Franken monatlich, das zur erneuten Ablehnung führte. Erst nachdem eine billigere Wohnung gefunden war, musste das Gesuch dann einige Monate später bewilligt werden.
Ebenfalls problematisch ist nach Ansicht der SP-Fraktion die Handhabung des Wechsels vom Asylstatus zur Ausländerbewil-ligung. Potenzielle Familiennachzüger ziehen im Konfliktfall als Flüchtlinge zu ihren Verwandten, so geschehen z. B. im Fall der Balkankriege. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Familie Kolic aus Wiesen.
Von der Fremdenpolizei wird in solchen Fällen offenbar immer wieder betont, dass ohne vorgängige Wiederausreise die Ein-leitung des Familiennachzugverfahrens nicht möglich sei. Dies bedeutet in Fällen, wo der Familiennachzug eigentlich un-bestritten ist, eine unnötige Härte und für die Antragsteller auch eine enorme Verteuerung des Verfahrens.
Offene Fragen stellen sich auch im Falle des Familiennachzugs von Minderjährigen. Der Bund kennt in diesem Bereich nur eine Minimalvorschrift: Nur Minderjährige Kinder können als Familiennachzug einreisen.
Der Kanton Graubünden scheint jedoch eigene Regeln anzuwenden. Offenbar ist ein Fall bekannt, bei dem ausgeführt wurde, dass für Kinder über 14 Jahren keine Bewilligung ausgestellt werden könne. Im gleichen Fall wurde das Verfahren mit juristi-schen Hürden so sehr in die Länge gezogen, dass Kinder die Grenze zum 18. Altersjahr zwischenzeitlich überschritten hatten. Es entsteht der Eindruck, dass mit bürokratischen Mitteln das Recht auf Nachzug vereitelt wird, da das Datum des Entscheids und nicht das Datum des Antrags für die Alterslimite entscheidend ist.
Die unterzeichnenden Mitglieder der SP-Fraktion ersuchen die Regierung um die Beantwortung der folgenden Fragen:
1. Wie sieht die Praxis im Vergleich mit den anderen Schweizer Kantonen aus? Wie kommt es, dass ein Familiennachzug im Kanton Graubünden verweigert wird, der anderswo dann problemlos bewilligt wird?
2. Könnte mit einer Regelung, nach der ein mutmassliches Ergänzungseinkommen des nachziehenden Familienteils angerechnet würde, die Situation entschärft werden?
3. Wie könnte nach Ansicht der Regierung und im Sinne der humanitären Tradition des Kantons Graubünden im Fall einer kinderreichen Familie wie der Familie Kolic eine menschenfreundliche zukünftige Praxis aussehen?
4. Was ist die Regierung bereit zu tun, um in Fällen, wie sie eingangs geschildert wurden, das Verfahren zu vereinfachen und im Interesse der Betroffenen zu verbessern?
5. Ist die Regierung bereit, das Recht auf Familiennachzug nach den Minimalanforderungen des Bundes auszurichten und auf eigene verschärfende Regeln bezüglich Alterslimite zu verzichten?
6. Ist der Kanton bereit, im Sinne juristischer Fairness und Beschleunigung des Verfahrens das Antragsdatum (ausser bei offensichtlich chancenlosem Antrag) als für die Alterslimite massgebendes Datum zu anerkennen?
Chur, 24. April, 2006
Name: Pfiffner, Peyer, Trepp, Arquint, Baselgia, Bucher-Brini, Frigg, Jaag, Jäger, Meyer Persili (Chur), Noi, Pfenninger, Schütz, Zindel, Brasser, Caviezel (Chur)
Session: 26.04.2006
Vorstoss: dt Anfrage