Im Gegensatz zu den Kantonen, welche ihre Verfassungen in jüngster Vergangenheit total revidiert haben, hat der Kanton Graubünden das sog. Öffentlichkeitsprinzip nicht in seiner Verfassung verankert.
Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat am 24. Oktober 2006 die Änderung der Kantonsverfassung mit 106 zu 4 Stimmen gutgeheissen. Und das Aargauer Stimmvolk nahm am 11.3.2007 mit einem Ja-Stimmenanteil von 79.5% die folgende Verfassungsänderung an: § 72 Abs. 1 "Jede Person ist befugt, Einsicht in amtliche Akten zu nehmen." Die Kantone ZH, BE, FR, SO, AR, VD und NE haben ähnliche Verfassungsbestimmungen.
Im Gegensatz zu praktisch allen Kantonsverfassungen, welche verschiedene Grundrechte in ihrer Verfassungen aufführen, hat der Kanton Graubünden darauf verzichtet und verweist in Art. 7 lediglich auf die Grundrechte und Sozialziele der Bundesverfassung und auf die internationalen Abkommen.
Die Bundesverfassung hält in Art. 16 Abs. 3 zum Thema Informationsfreiheit lediglich fest: "Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten." Diese Bestimmung ist sehr marginal und restriktiv. Das Öffentlichkeitsprinzip geht viel weiter.
Mit dem Öffentlichkeitsprinzip tritt zur behördlichen Informationspflicht vor allem der freie Zugang zu amtlichen Dokumenten hinzu. Damit erhält jede Person ein Recht auf Einsichtnahme in Behördenakten, wenn nicht ausdrücklich eine Geheimhaltungspflicht entgegensteht. Bisher ist staatliches Handeln grundsätzlich geheim. Bürgerinnen und Bürger haben kein Recht, Informationen über die gesamte Verwaltungstätigkeit zu erhalten. Das verfassungsmässige Recht der Informationsfreiheit garantiert einzig, sich aus allgemein zugänglichen Quellen informieren zu können.
Mit der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips soll ein Systemwechsel erfolgen: Neu ist ein Dokument grundsätzlich öffentlich zugänglich, ausser sein Inhalt sei auf Grund überwiegender öffentlicher oder privater Interessen (zum Beispiel Arzt- oder Berufsgeheimnisse, öffentliche Sicherheit etc.) oder auf Grund einer entgegenstehenden Gesetzesvorschrift geheim zu halten.
Durch den erleichterten Zugang zu amtlichen Akten und der Regelung der Informationsrechte erhalten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, selber aktiv Informationen zu beschaffen. Damit dem Schutz der Persönlichkeit und überwiegender Interessen aber dennoch weiterhin Rechnung getragen werden kann, findet das Öffentlichkeitsprinzip seine Grenzen im Datenschutz beziehungsweise im Geheimhaltungsvorbehalt.
Das Öffentlichkeitsprinzip schafft Transparenz und erhöht dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und seine Behörden. Information bedeutet nicht zuletzt auch Vermittlung von Kenntnissen über die Vorgänge im Staat, die für die aktive politische Beteiligung der Bevölkerung von Bedeutung sind.
Dank verbesserter Information zwischen den einzelnen öffentlichen Organen unterstützt das Öffentlichkeitsprinzip ausserdem die Wirksamkeit der Verwaltungstätigkeit.
Das Öffentlichkeitsprinzip entfaltet Wirksamkeit für alle öffentlichen Organe (inklusive Landeskirchen) auf kantonaler und kommunaler Ebene. In den Systemwechsel eingeschlossen sind alle drei Staatsgewalten. Damit dieser grundsätzlichen Bedeutung Rechnung getragen werden kann, ist das Öffentlichkeitsprinzip in der Kantonsverfassung zu verankern.
Die Regierung wird deshalb ersucht, dem Grossen Rat eine Botschaft zur Änderung der Kantonsverfassung vorzulegen, welcher die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips vorsieht.
Chur, 17. April 2007
Name: Menge, Pfenninger, Jäger, Arquint, Augustin, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Casutt, Dermont, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jenny, Mengotti, Michel, Noi-Togni, Peyer, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Troncana-Sauer, Candinas (Disentis), Locher Benguerel
Session: 17.04.2007
Vorstoss: dt Auftrag