Navigation

Inhaltsbereich

Session: 18.04.2007
Aktuelle entwicklungspsychologische Annahmen gehen davon aus, dass Kinder grundsätzlich neugierig und lernfreudig sind. Im Familienbericht (Seite 1711 ff.) wird darauf hingewiesen, dass diese natürliche Neugierde und Lernfreudigkeit so früh wie möglich zu fördern sei. Als Folge davon wurden als Massnahmen die Einführung von zwei obligatorischen Kindergartenjahren sowie die Vorverlegung des Schuleintritts auf das sechste Altersjahr vorgeschlagen und vom Grossen Rat inzwischen auch so beschlossen.

Je nach Entwicklungsstand des Kindes ist dieser natürliche Wissensdrang sehr unterschiedlich ausgeprägt. Deshalb wird der heute starre Übertritt vom Kindergarten in die Schule oft als künstliche Trennung empfunden. Diese Tatsache verlangt nach einer flexiblen Einschulungslösung, damit auf den individuellen Wissens- und Entwicklungsstand der Kinder angemessen reagiert werden kann. Ein Erfolg versprechendes Schulmodell sind so genannte Basis- oder Grundstufen. In diesen Schulmodellen werden die beiden Kindergartenjahre und die ersten beiden oder lediglich das erste Primarschuljahr zusammengefasst. Dabei geht es darum, den Kindern im Alter von 4-8 Jahren auf spielerische Art den Erwerb von sprachlichen und mathematischen Grundkenntnissen zu ermöglichen. Spielen und Lernen werden nicht mehr künstlich getrennt, sondern gehen fliessend ineinander über. Die Kinder werden auf diese Weise bedeutend optimaler auf ihren individuellen Lernwegen unterstützt.

In verschiedenen Kantonen (AG, BE, GL, LU, SG, TG, ZH, etc.) werden seit einigen Jahren Schulversuche zu diesen beiden Schulmodellen durchgeführt. Die Pilotklassen werden wissenschaftlich begleitet und es finden regelmässige Evaluationen statt. Verschiedene Zwischenberichte und Konzepte stehen inzwischen zur Verfügung und zeigen auch deutlich auf, dass sich die neue Form offensichtlich in städtischen wie ländlichen Verhältnissen bestens zu bewähren scheint.

Der Kanton Graubünden beteiligt sich bisher nicht mit Schulversuchen an dem durch die EDK-Ost geleiteten Pilotprojekt. Im Kernprogramm Bündner Schule 2010 ist der Handlungsbedarf bezüglich dem flexibilisierten Schuleintritt durchaus erkannt worden, und es wird auch ein so genanntes „Bündner Modell“ vorgeschlagen, wonach die ersten beiden Jahre der Primarschule als Kombiklassen geführt werden könnten. Aus unserer Sicht nimmt dieses Bündner Modell die eigentliche Schnittstellenproblematik zwischen Kindergarten und Primarschule allerdings nur sehr ungenügend auf. Zudem würde in der momentanen Zeit der schweizweiten Harmonisierung im Bildungswesen (HARMOS) der Kanton Graubünden ein Modell im Alleingang einführen. In der Zusammenfassung der Rückmeldungen zum Kernprogramm (Seite 23) ist das Modell der Einführung einer Basisstufe im Übrigen lediglich als Alternative aufgeführt.

Aufgrund dieser Ausgangslage und der bevorstehenden Revision des Kindergartengesetzes sowie der Revision der Vollziehungsverordnung zum Schulgesetz ersuchen wir die Regierung zur Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Inwieweit verfolgt die Regierung den Verlauf und die Evaluation der Basis-/Grundstufenmodelle der EDK-Ost?

2. Der Kanton hat die Arbeitsgruppe „Schuleintritt“ beauftragt, konkrete Massnahmen basierend auf dem Kernprogramm Bündner Schule 2010 auszuarbeiten. Ist dabei die Einführung von Basis-/oder Grundstufen ein Thema?

3. Wie gedenkt die Regierung die Schnittstellenproblematik Kindergarten-Primarschule mit dem Bündner Modell ausreichend zu berücksichtigen?

4. Sieht die Regierung die Möglichkeit, anhand der gemachten Erfahrungen in den Nachbarkantonen, die Einführung von Basis- oder Grundstufen auch für den Kanton Graubünden zu prüfen?

5. Welche Probleme kommen auf die Ausbildungssituation an der PH Graubünden zu, wenn sich die Berufssituation der traditionellen Kindergärtnerinnen in der übrigen Schweiz stark verändert?

Chur, 18. April 2007

Name: Locher Benguerel, Bucher-Brini, Jäger, Arquint, Augustin, Baselgia-Brunner, Bundi, Butzerin, Caduff, Cahannes Renggli, Cavigelli, Darms-Landolt, Dermont, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Hanimann, Jaag, Koch, Marti, Menge, Meyer-Grass (Klosters), Niederer, Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Righetti, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Troncana-Sauer, Candinas (Disentis), Luzio

Session: 18.04.2007
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Die Regierung vertritt heute gegenüber der Grund- bzw. Basisstufe in den Grundsätzen dieselbe Haltung, welche bereits in ihren Antworten zu den parlamentarischen Vorstössen Gartmann (Januarsession 2000), Jäger (Januarsession 2000) und Frigg (Dezembersession 2004) zum Ausdruck kommt. Sie ist überzeugt, dass sich für den Kanton die eigene, auf die konkrete Situation abgestimmte Lösung sehr gut eignet, um den Übergang zwischen Kindergarten und Primarschule zu optimieren. Dieses Modell kombiniert den flexibilisierten Kindergarten- bzw. Schuleintritt mit Kombiklassen (1. und 2. Primarklasse). Dadurch wird es möglich, dass jedes Kind das Programm der ersten Ausbildungsphase (4. bis 8. Lebensjahr) in seinem individuellen Entwicklungstempo durchlaufen kann, ohne dass deshalb der Kindergarten als eigene Stufe aufgegeben werden muss.

Die Vor- und Nachteile der Grund- bzw. Basisstufe, welche die beiden Kindergartenjahre und die erste Primarklasse bzw. die ersten beiden Primarklassen umfasst, werden zurzeit im Rahmen eines Pilotprojektes der EDK-Ost geprüft. Im Kanton Zürich wurden die Versuche mit der Grundstufe verlängert und ein entsprechender Grundsatzentscheid vertagt. Dies hat zur Folge, dass auch dort mit einer allfälligen generellen Einführung nicht vor 2012 zu rechnen ist.

Die Regierung ist sich bewusst: Sollte die Grund- bzw. Basisstufe nach Abschluss des Pilotprojektes der EDK-Ost (2010) in den umliegenden Kantonen eingeführt werden, so müsste auch der Kanton Graubünden deren Einführung prüfen. Aus diesem Grund ist der Kanton am Pilotversuch der EDK-Ost seit Beginn als „Beobachter“ beteiligt. Ausserdem wird bei den anstehenden Gesetzesrevisionen darauf geachtet, dass sich auf den revidierten Rechtsgrundlagen sowohl der Kindergarten als auch längerfristig eine allfällig einzuführende Grund- bzw. Basisstufe abstützen lassen.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann zu den konkreten Fragen folgendermassen Stellung genommen werden:

1. Der Kanton Graubünden ist am Pilotprojekt betreffend Basis-/Grundstufe der EDK-Ost von Anfang an als „Beobachter“ beteiligt und verfolgt dessen Verlauf und Evaluation mit grossem Interesse.

2. Das Erziehungsdepartement prüft zurzeit, auch im Zusammenhang mit der Umsetzung des Familienberichtes, verschiedene Möglichkeiten, um den Schuleintritt zu optimieren. Die Grund- bzw. Basisstufe ist dabei insofern ein Thema, dass die neu zu formulierenden gesetzlichen Grundlagen zu einem späteren Zeitpunkt - bei Bedarf - auch die Einführung einer Grund- bzw. Basisstufe ermöglichen sollen.

3. Der Kindergarten als eigene Stufe sollte bis auf Weiteres beibehalten werden. Zurzeit wird ein Modell entwickelt, das die unterschiedlichen Situationen im Kanton berücksichtigt. Es beinhaltet einen grossen Teil der mit der Grund- bzw. Basisstufe angestrebten Vorteile (verbesserte Durchlässigkeit etc.), ohne die zu erwartenden Mehrkosten einer Grund- bzw. Basisstufe zu verursachen.

4. Die Entwicklung und Evaluation der Grund- bzw. Basisstufe in den Nachbarkantonen wird intensiv verfolgt. Sollte sie dort - längerfristig -eingeführt werden, ist deren Einführung auch im Kanton Graubünden zu prüfen.

5. Sollte die Grund- bzw. Basisstufe in den anderen Kantonen eingeführt werden, so würde das Arbeitsfeld der an der Pädagogischen Hochschule Graubünden (PHGR) ausgebildeten Kindergartenlehrpersonen längerfristig auf den Kanton begrenzt. In diesem Fall wäre die PHGR in der Lage, innerhalb von maximal zwei Jahren nach dem Grundsatzentscheid mit einer Ausbildung und einer Nachqualifizierung für Grund- bzw. Basisstufenlehrpersonen zu beginnen. In diesem Zusammenhang wären u. a. auch die Zulassungskriterien zur Ausbildung der Grund- bzw. Basisstufenlehrperson zu diskutieren.

Datum: 22. Juni 2007