Mit dem italienischen Gesetz Nr. 516 vom 17. Juli 1910 wurde Livigno als zollfreie Zone erklärt. Der Bericht, mit welchem der damalige Finanzminister Arlotta den Gesetzesentwurf der Abgeordnetenkammer vorstellte, basierte auf der extremen geographischen Absonderung der Gemeinde Livigno und der extremen Armut seiner wenigen Einwohner.
Während den letzten dreissig Jahren konnte man eine tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Umwandlung des Dorfes und eine touristisch-gewerbliche Entwicklung beobachten, welche aus Livigno eine Ortschaft von internationalem Ruf gemacht haben, u.a. auch dank den guten Verbindungen zur Schweiz.
Die unzähligen Geschäfte, welche die Möglichkeit bieten, eine ganze Reihe an mehrwertsteuer-, zoll- und treibstoffzollfreien Waren zu kaufen (Zigaretten, Tabakwaren, Liköre, Fotoapparate, Elektronik, Benzin usw.), bilden die Hauptattraktion für die "Sonntagstouristen", welche vor allem aus der Metropole der Lombardei kommen.
Insbesondere der günstige Treibstoff zieht enorm viele Autos an, welche nach Livigno fahren, um dort zu tanken. Wie absurd dies aus ökologischer Sicht ist, ist offensichtlich: Unzählige mit Treibstoff gefüllte Tankwagen und andere Lastwagen fahren auf 1900 müM. in den Supermarkt der Alpen und eine Lawine von Autos bringen diese Waren wieder zurück, mit verheerenden Folgen für die sensible alpine Umwelt und mit einer besorgniserregenden Beschädigung der Umwelt zu Schaden der einheimischen Bevölkerung. Dazu kommt noch der Schaden für die wirtschaftlichen Tätigkeiten in den angrenzenden Gebieten.
Der Verkehr durch das Puschlav wächst von 30-40'000 monatlichen Durchfahrten im Winter (Forcola di Livigno gesperrt) auf 100-180'000 monatliche Durchfahrten im Sommer, wenn die Forcola di Livigno offen ist (Quelle: Zählstelle 216 S. Carlo, Jahr 2002).
Auch die Einwohner des Veltlins kennen die von der zollfreien Zone verursachte Problematik. Die Senatorin Adria Bartolich hat, zusammen mit weiteren sieben Senatoren, einen Änderungsvorschlag des italienischen Gesetzes Nr. 762 vom 1. November 1973 betreffend die Sonderrechte zugunsten der Gemeinde Livigno vorgestellt, welcher die Hälfte der Sondereinnahmen der Gemeinde Livigno der Provinz Sondrio zukommen lassen möchte, damit diese sie für Werke und Infrastrukturen im öffentlichen Interesse und für Umweltschutzmassnahmen braucht.
Die Gemeinde Livigno hat das Unbehagen der angrenzenden italienischen Gebiete wahrgenommen und hat bereits einige Werke finanziert: Zum Beispiel hat sie den Kreisel in Tirano mitfinanziert und für den Bau der Umfahrung Bormio, mit welchem im Jahr 2008 begonnen werden soll, hat sie 3,39 Millionen Euro bereitgestellt.
Gestützt auf diese Erwägungen fragen wir die Regierung an:
1. Wusste die Regierung, dass das italienische Gesetz Nr. 384 vom 11. Juni 1954 und das Folgegesetz Nr. 762 vom 1. November 1973 betreffend die Sonderrechte zugunsten der Gemeinde Livigno abgeändert werden und die Verpflichtung eingeführt wird, gemäss welcher die Mittel zugunsten von Werken und Infrastrukturen im öffentlichen Interesse und für Umweltschutzmassnahmen bestimmt werden, nach dem Verteilschlüssel 50 Prozent für die Gemeinde Livigno und die restlichen 50 Prozent für die Provinz Sondrio?
2. Ist die Regierung bereit, bei den zuständigen (schweizerischen und italienischen) Instanzen vorstellig zu werden, um die Problematik, die Verkehrsbeschränkungsmassnahmen und die Bereitstellung der Gelder für Werke und Massnahmen zugunsten des Umweltschutzes, welche anteilsmässig dem Puschlav zukommen sollten, zu besprechen?
Chur, 11. Juni 2007
Name: Mengotti, Koch, Zanetti, Arquint, Bondolfi, Caduff, Casutt, Cavigelli, Fallet, Geisseler, Giovanoli, Keller, Kleis-Kümin, Kollegger, Niederer, Noi-Togni, Pedrini (Roveredo), Plozza, Tenchio, Toschini, Troncana-Sauer
Session: 11.06.2007
Vorstoss: dt Anfrage