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Session: 13.06.2007
Sonderwirtschaftszonen sind gemäss einschlägiger Literatur geographische Bereiche innerhalb eines Staates, in welchen die Gesetzgebung in Bezug auf das Wirtschafts- und Steuerrecht anders ist als im Rest des Staates. Als Sonderwirtschaftszonen könnten beispielsweise Zollausschlussgebiete wie das Samnaun bezeichnet werden. Die Absicht der Einrichtung solcher Zonen ist die Steigerung von in- und ausländischen Investitionen. Sonderwirtschaftszonen wurden u.a. erfolgreich eingerichtet in China, Indien. Russland und Polen. In Deutschland wurde und wird diskutiert, ob in bestimmten Gebieten Ostdeutschlands, der ehemaligen DDR, eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet werden soll. Eine regierungsamtlich bestellte Expertenrunde rund um den Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi plädiert für die Einrichtung solcher Zonen.

Die Frage, wie in peripheren Lagen mit unausgewogener Wirtschaftsstruktur neue Arbeitsplätze mittels zielgerichteter Anlockung von Investitionen geschaffen werden können, stellt sich insbesondere für den Kanton Graubünden. Der Föderalismusbericht der Denkfabrik „Avenir Suisse„ hat aufgezeigt, dass in weiterer Zukunft nicht mit freundeidgenössischer Unterstützung der peripheren Gebiete durch die wirtschaftlich starken Metropolitangebiete zu rechnen sein dürfte. In diesem Zusammenhang wurde bereits von der „würdevollen Entleerung der Täler“ gesprochen. Zugleich fordert die neue Regionalpolitik des Bundes die aktive Hilfe zur Selbsthilfe. Die Idee der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen wurde in einem Positionspapier der CVP Graubünden im Jahre 2006 erstmals vorgebracht und im März 2007 vom Wirtschaftsforum Graubünden im Rahmen eines Vortrags zur wirtschaftlichen Situation in der Surselva aufgenommen und auf bestimmte Gebiete eingeschränkt.

Die Anfragenden wenden sich daher an die Regierung mit dem Ziel, das Potenzial und die Machbarkeit von Sonderwirtschaftszonen im Sinne der Selbsthilfe zur Vermeidung der Entleerung der Täler und der dezentralen Besiedelung in peripheren Lagen zu eruieren. Solche Sonderwirtschaftszonen sollen auf folgende Ziele ausgerichtet sein:

- Wirtschaftliche Entwicklung eines Teils des Kantonsgebiets durch Entwicklung bestimmter exportorientierter Gewerbezweige, Entwicklung neuer technischer und technologischer Lösungen und ihre Anwendung in der Volkswirtschaft

- Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit von hergestellten Waren und erbrachten Leistungen

- Schaffen neuer Arbeitsplätze

- Bewirtschaftung der nicht genutzten Ressourcen unter Wahrung
der Grundsätze des ökologischen Gleichgewichts

Der Regierung werden in diesem Zusammenhang folgende Fragen gestellt:

1. Wie könnten Sonderwirtschaftszonen im Kanton Graubünden im Rahmen des Bundesrechts und der kantonalen Verfassung definiert werden mit Bezug auf wirtschaftliche Nutzung, fiskalische Rahmenbedingungen, Umweltschutzanforderungen, raumplanerischen
Vorgaben, Verfahrensvereinfachungen und Fördermitteln?

2. Welche kantonalen rechtlichen Grundlagen wären in diesem Zusammenhang zu revidieren oder zuschaffen?

3. Welche Regionen und Gebiete kämen nach Ansicht der Regierung für die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen in Frage unter Berücksichtigung von vorhandenen Ressourcen, Knowhow und Verkehrserschliessung?

4. Mit welchem zeitlichen Horizont wäre für die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen in Graubünden zu rechnen?

Chur, 13. Juni 2007

Name: Loepfe, Geisseler, Hartmann (Champfèr), Augustin, Bachmann, Barandun, Berni, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Bezzola (Zernez), Bleiker, Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Brantschen, Brüesch, Buchli, Bundi, Butzerin, Caduff, Cahannes Renggli, Campell, Candinas, Casparis-Nigg, Castelberg-Fleischhauer, Casty, Casutt, Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Farrér, Felix, Florin-Caluori, Hanimann, Hartmann (Chur), Hasler, Kessler, Kleis-Kümin, Kollegger, Kunz, Marti, Mengotti, Parolini, Pfäffli, Pfister, Plozza, Portner, Quinter, Sax, Stoffel, Tenchio, Thomann, Thurner-Steier, Troncana-Sauer, Tuor, Valär, Zanetti, Joos, Just, Kunz (Fläsch), Hauser

Session: 13.06.2007
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Der Bund thematisiert im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) den zukünftigen Umgang mit „peripheren, schlecht erreichbaren Gebieten“. Zur Entwicklung und Förderung solcher Gebiete schlägt der Bund ein Vorgehen vor, nach welchem vorerst eine Selektion und Kategorisierung erfolgen und anschliessend eine kantonale Strategie festgelegt werden soll. Der Kanton Graubünden hat zusammen mit dem Kanton Uri diese Thematik aufgenommen und ein entsprechendes Pilotprojekt „Potenzialarme Räume Graubünden/Uri, Umgang mit ungenutzten Potenzialen“ gestartet. Der Bericht aus der ersten Phase (Definition und Grundlagen) liegt seit Herbst 2006 vor, die Ergebnisse der zweiten Phase (Konkretisierung) werden bis Ende 2007 der Regierung unterbreitet.

Eine mögliche Entwicklungsstrategie für potenzialarme Räume befasst sich mit „veränderten Grundlagen für die Entwicklung“. Darunter können auch Sonderzonen respektive Sonderwirtschaftszonen verstanden werden. Eine solche „Spezialbehandlung“ sollte in einem direkten Zusammenhang mit den regionalen Potenzialen stehen. Eine differenzierte Auslegung beziehungsweise räumlich abgestimmte Geltungsbereiche sind beispielsweise vom Bundesgesetz über Investitionshilfe für Berggebiete oder vom Bundesbeschluss über wirtschaftliche Erneuerungsgebiete (Bonny-Beschluss) bekannt.

Der Ansatz der Sonderwirtschaftszone basiert auf der Überlegung, dass die Gesetzgebung in der Regel auf die Verhältnisse und Bedürfnisse der Agglomerationen, in denen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung stetig weitergeht, ausgerichtet ist und damit den Gegebenheiten in Regionen, die sich kaum entwickeln oder sogar entvölkern, nicht gerecht wird. Ungleiches soll nicht gleich behandelt werden.

Die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen könnte eine Massnahme im Rahmen der Umsetzung von Strategien im Umgang mit potenzialarmen Räumen sein. Somit stehen diese Räume im Mittelpunkt. Ob das Instrument „Sonderzone“ auch für andere Regionen oder Talschaften anwendbar ist, müssen die weiteren Abklärungen ergeben. Beispielsweise im Zusammenhang mit der Thematik der Zweitwohnungen könnte eine räumlich abgestimmte Vorgehensweise angebracht sein.

Zu den Fragen:

1. Der zweite Bericht „Strategien zum Umgang mit potenzialarmen Räumen Graubünden/Uri“, bei welchem auch Bundesstellen aus verschiedenen Sektoralpolitiken mitwirken, wird erst gegen Ende 2007 der Regierung unterbreitet. Aufträge zur weiteren Konkretisierung von Sonderwirtschaftszonen werden erst in der folgenden Projektphase erteilt. Konkrete Überlegungen zu einer räumlich differenzierten Auslegung von Gesetzen wurden demzufolge noch nicht angestellt. Vorstellbar ist, dass in ausgewählten Gesetzen eine Sonderbestimmung aufgenommen wird, welche in definierten Räumen eine generelle oder situative, auf die Nutzung von spezifischen Potenzialen abgestimmte Abweichung von der Norm ermöglichen würde.

2. Im aktuellen Projektstand liegt keine Zusammenstellung der zu revidierenden oder zu schaffenden kantonalen rechtlichen Grundlagen vor.

3. Die derzeitigen Überlegungen konzentrieren sich auf die sogenannten potenzialarmen Räume. Ob auch andere Gebiete in Graubünden für die Einrichtung von Sonderzonen in Betracht gezogen werden sollen, ist derzeit offen. Im Fokus der aktuellen Überlegungen steht die Nutzung von Potenzialen, um der ungünstigen Entwicklung in gewissen Räumen entgegen wirken zu können.

4. Dem Projektstand entsprechend liegt noch kein Zeitplan für die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen in Graubünden vor. Die Regierung wird sich im Rahmen der weiteren Schritte des Projekts „potenzialarme Räume“ mit der Konkretisierung des Umgangs mit ungenutzten Potenzialen in Graubünden und der Thematik „Sonderwirtschaftszonen“ auseinandersetzen. Kurzfristige Lösungen können nicht erwartet werden, denn es ist davon auszugehen, dass Gesetze geändert werden müssten.

Datum: 7. September 2007