Navigation

Inhaltsbereich

Session: 12.02.2008
Der Feuerbrand, eine bakterielle Erkrankung von Obstbäumen, macht zurzeit Schlagzeilen. Betroffen sind Obstbaumkulturen und somit auch Hochstammkulturen in der gesamten Schweiz mit Schwergewicht Ostschweiz und Innerschweiz. Als anfälligster Zwischenwirt gelten gewisse Cotoneasterarten. Die Existenz manches Obstproduzenten ist durch das Ausmass des Befalles bedroht. Es ist verständlich, dass in einer solchen Situation drastische Massnahmen in Betracht gezogen werden, zum Beispiel der Einsatz von Antibiotika oder das Ausmerzen des gesamten Obstbaumbestandes mitsamt Wurzeln. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat nun die Anwendung des Antibiotikums Streptomycin unter gewissen Auflagen zugelassen. Einige der betroffenen Kreise, zum Beispiel der Schweizer Obstverband fordern, das Verbot der Anwendung von Antibiotika für die Schweiz generell aufzuheben. Auf der anderen Seite gibt es auch aus landwirtschaftlichen und medizinischen Fachkreisen grosse Bedenken gegen den Einsatz von Antibiotikum. Insbesondere bei Bio Suisse, bei welcher in Graubünden eine Vielzahl von Betrieben angeschlossen sind, stösst dieser Entscheid auf Unverständnis, denn Antibiotika derselben Wirkstoffgruppe werden auch in der Human- und Tiermedizin angewendet, deshalb besteht die Gefahr der Resistenzbildung. In Deutschland wurden nach dem Einsatz des Antibiotikums bei Feuerbrand Rückstände im Honig gefunden. Nach Ansicht von Bio Suisse muss deshalb Honig auf mögliche Rückstände untersucht und allenfalls für den Konsum verboten werden.

Durch den Einsatz von Streptomycin ist das Problem Feuerbrand nicht nachhaltig lösbar. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass der Feuerbrand mit Antibiotika nicht befriedigend unter Kontrolle gehalten werden kann. Für den Bio-Obstanbau steht denn auch eine Anwendung von Antibiotika gegen Feuerbrand aus fachlichen Überlegungen und innerer Überzeugung ausserhalb jeglicher Diskussion. Für den Biolandbau sind nur umfassende Strategien Erfolg versprechend. Dazu gehören Prävention, alternative Mittel und gezielte Forschung.

Zur Prävention gehört weiterhin eine lückenlose amtliche Feuerbrand-Kontrolle aller gefährdeten Gebiete. So können befallene Bäume möglichst früh erkannt und optimale Massnahmen ergriffen werden (z. B. Rückschnitt). Das hilft mit, schmerzliche Rodungen zu vermeiden. Unter keinen Umständen dürfen die amtlichen Feuerbrandkontrollen wegen des Antibiotika-Einsatzes eingeschränkt werden.

In diesem Zusammenhang bitte ich die Regierung folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie viele Schäden wurden im Kanton Graubünden erfasst und wie ist das Meldewesen, respektive die Erfassung organisiert?
2. Nach welchem Konzept handeln die zuständigen kantonalen Stellen?
3. Ist eine systematische Kontrolle in den Gemeinden vorgesehen?
4. Wie lange dauert die Interventionszeit zwischen Meldung und Massnahme?
5. Ist diese Zeit aus Sicht der Experten ausreichend, um eine Verbreitung zu vermeiden?
6. Wer beurteilt abschliessend den Befall der Bäume?
7. Werden betroffenen Bauern für die Rodungen und Entsorgung befallener Anlagen und Einzelbäume entschädigt?
8. Befürwortet die Regierung den Einsatz des Antibiotikums Streptomycin?
9. Werden die Feuerbrandkontrollen auch beim Einsatz von Streptomycin zumindest im bisherigen Umfang aufrecht erhalten oder sogar noch verstärkt?

Chur, 12. Februar 2008

Name: Menge, Arquint, Baselgia-Brunner, Bondolfi, Bucher-Brini, Caviezel (Pitasch), Christoffel-Casty, Dermont, Fasani, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Kleis-Kümin, Kunz, Niederer, Pedrini, Peer, Pfäffli, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Pfister, Tenchio, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Locher Benguerel, Monigatti

Session: 12.02.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Aufgrund der Ausbreitung des Feuerbrandes in Graubünden insbesondere ab dem Jahr 2005 wurde von den Fachstellen Obstbau und Pflanzenschutz des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Plantahof (LBBZ Plantahof) ein Konzept zur Bekämpfung des Feuerbrands erarbeitet. Dieses Konzept wurde per Ende 2006 überarbeitet Die konkreten Fragen lassen sich wie folgt beantworten:

1. Wie viele Schäden wurden im Kanton Graubünden erfasst und wie ist das Meldewesen respektive die Erfassung organisiert?
Im Kanton Graubünden wurde im Jahr 2007 in 63 Gemeinden Feuerbrand festgestellt. Es handelte sich dabei um 223 Hochstamm-Apfelbäume, 953 Apfelbäume in Anlagen, 375 Hochstamm-Birnbäume, 191 Birnbäume in Anlagen, 108 Quittenbäume, 10 cotoneaster salicifolius (Herbstfeuer), 661m2 bodenbedeckender cotoneaster dammeri, 15 Weissdorn, 2 Vogelbeere, 2 Mehlbeerbäume, 3 Feuerdorn und 1 Scheinquitte.
Bei Feuerbrandverdacht werden die kommunalen Feuerbrandkontrolleure aktiv, welche die Überprüfungen vornehmen.

2. Nach welchem Konzept handeln die zuständigen kantonalen Stellen?
Wie erwähnt wurden die Strategie und das Konzept im Jahr 2005 entwickelt und seither mit neuen Personen für die Kontrolle erweitert. Grundsätzlich gibt es pro befallsbetroffene Gemeinde einen Kontrolleur. Derzeit sind 62 vom LBBZ Plantahof ausgebildete Feuerbrandkontrolleure im Einsatz.

3. Ist eine systematische Kontrolle in den Gemeinden vorgesehen?
In den von Befall betroffenen Gemeinden des Rheintals, Prättigaus, Domleschg, Schams, Schanfigg und der Surselva sind seit den ersten Fällen von Feuerbrand Kontrolleure instruiert worden. Bei der Nebenbei-Kontrolle achten Gemeindeangestellte, die öfters unterwegs sind, auf Feuerbrandsymptome. Bei der Grobkontrolle erfolgen die Kontrollen in Befallsgemeinden entlang von Wegen und Strassen; in Gemeinden ohne Befall werden 10% der Wirtspflanzen kontrolliert. Bei der Detailkontrolle kontrollieren die Bewirtschafter von Obstanlagen alle Wirtspflanzen im Umkreis von 250 Metern, während die Feuerbrandkontrolleure die restliche Umgebung der Gemeinde kontrollieren.

4. Wie lange dauert die Interventionszeit zwischen Meldung und Massnahme?
Die Kontrolleure überprüfen Verdachtsmeldungen innert Wochenfrist. Sie können unverzüglich eine Rodung veranlassen. Bei unklarem Befund werden Proben an die Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil gesendet. Die Antwort erfolgt meistens innert zwei bis vier Tagen. Diese Antwort wird den Kontrolleuren sofort per E-Mail weitergeleitet. Zudem wird der zuständige Kontrolleur telefonisch informiert. Der Kontrolleur bzw. die Gemeinde veranlasst die Rodung innert zwei Werktagen und kontrolliert die nähere Umgebung.

5. Ist diese Zeit aus Sicht der Experten ausreichend, um eine Verbreitung zu vermeiden?
Die Richtlinie 3 zur Bekämpfung des Feuerbrandes des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) vom 30. Juni 2006 sieht bei Feuerbrandbefall eine Sanierung mit Entfernung aller Pflanzen mit Befall innert 14 Tagen vor. Es ist geplant, diese Richtlinie zu überarbeiten, mit Erhöhung der Frist auf 30 Tage. Die Kontrolleure wurden im Übrigen im Mai 2007 aufgefordert, unverzüglich die Verdachtsmeldungen zu überprüfen und bei Befall die Rodungen zu organisieren. Schliesslich ist den Kontrolleuren am 3. April 2008 ein neuer FeldSchnelltest zur Feuerbranddiagnose vorgestellt worden.

6. Wer beurteilt abschliessend den Befall der Bäume?
Bei Verdacht sendet der Kontrolleur eine Probe ans Feuerbrandlabor der Agroscope nach Wädenswil. Diese teilt den Befund per Mail innert zwei bis vier Tagen dem LBBZ Plantahof mit.

7. Werden betroffenen Bauern für die Rodungen und Entsorgung befallener Anlagen und Einzelbäume entschädigt?
Die betroffenen Bauern werden gemäss Konzept entschädigt. Meistens roden und vernichten die Gemeinden die befallenen Pflanzen. Sie erhalten Pauschalen von Fr. 50.-- bis 300.-- pro Baum oder Strauch. Landwirte oder Obstbauern werden erst ab Schäden von Fr. 1500.-- entschädigt.

8. Befürwortet die Regierung den Einsatz des Antibiotikums Streptomycin?
Es gelten die Auflagen der Allgemeinverfügung des BLW vom 28. Januar 2008. Das Antibiotikum Streptomycin darf nur in Obstanlagen mit Niederstammbäumen eingesetzt werden. Einen Berechtigungsschein haben zwei Obstbauern mit Anlagen in den Gemeinden Maienfeld, Jenins, Malans und Zizers angefordert. Der Kanton mit seinen Anlagen in Cazis, Landquart und Chur, von denen einige letztes Jahr auch vom Feuerbrand befallen waren, verzichtet zugunsten der Antibiotikafreiheit auf den Einsatz von Streptomycin.

9. Werden die Feuerbrandkontrollen auch beim Einsatz von Streptomycin zumindest im bisherigen Umfang aufrechterhalten oder sogar noch verstärkt?
Die Feuerbrandkontrolleure wurden am 3. April 2008 in Anwesenheit eines Vertreters der Agroscope und von Fachleuten des LBBZ Plantahof auf die neue Tätigkeit vorbereitet. Das Konzept und die Strategie sehen nicht vor, dass die Feuerbrandkontrollen reduziert werden. Es ist weiterhin vorgesehen, Feuerbrandkontrolleure auf Gemeindeebene zu rekrutieren und vom LBBZ Plantahof auszubilden, sobald Feuerbrand auftritt.

Datum: 11. April 2008