Die Stimmabstinenz hat im Kanton Graubünden Tradition, sie ist seit Jahren im Vergleich zu den übrigen Kantonen in der Regel die höchste. Betroffen sind dabei National- und Ständeratswahlen, speziell die Wahlen in unser kantonales Parlament, aber auch Abstimmungen über Sachfragen. Schon im November 1991 reichte Grossrat Martin Jäger ein Postulat in dieser Angelegenheit ein mit Vorschlägen zur Verbesserung der Stimmbeteiligung. Das erwähnte Postulat wurde vom Grossen Rat damals – allerdings nur mit Einschränkungen - mit 72 zu 0 Stimmen überwiesen. Einige der seinerzeit vorgeschlagenen Massnahmen wie die erleichterte briefliche Stimmabgabe wurden anschliessend umgesetzt.
Leider hat sich insgesamt die Höhe der politischen Beteiligung trotzdem nicht wirklich verbessert, Graubünden liegt diesbezüglich schweizweit in der Regel immer noch am Schluss der Kantone. Die Ursachen dafür sind vielfältig und können hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Hinweise liefert aber beispielsweise eine speziell diesem Thema gewidmete Lizenziatsarbeit, verfasst von Manuel Salvator (Referent Prof. Dr. Silvano Moekli von der Universität Zürich).
Stimmabstinenz heisst nicht unbedingt Zustimmung zu den jetzigen Verhältnissen. Sie kann auch Interesselosigkeit, Frustration, mangelnde Attraktivität oder mangelnder Gemeinsinn der Bürgerinnen und Bürger bedeuten. Langfristig ist Stimmabstinenz wohl einer der grössten Feinde der Demokratie. Schon 1981 mahnte der damalige Bundespräsident Fritz Honegger: „Auf die Dauer sind Desinteresse, Überforderung und mangelnder Gemeinsinn der Bürger gefährlich für die direkte Demokratie.“
Unsere Gesellschaft hat eine Verantwortung und auch ein ureigenes Interesse, dass junge und auch ältere Menschen an den politischen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Hier kann ein guter Staatskundeunterricht eine zentrale Rolle spielen. Dieser gehört ganz einfach zu den unverzichtbaren Grössen einer umfassenden Allgemeinbildung. Ein verbindlicher und strukturierter Unterricht im Bereich Staatskunde fehlt allerdings bisher in unserem Kanton auf den Sekundarstufen 1 und 2.
Eine kleine Geste der Wertschätzung gegenüber den aktiven Wählerinnen und Wählern wäre nur schon, wenn die Stimmcouverts zur schriftlichen Stimmabgabe - wie unter anderem auch in unserem Nachbarkanton St. Gallen schon lange selbstverständlich - nicht mehr frankiert werden müssten. Um die jüngere Generation besser zu erreichen, sollte auch die Umsetzung der Abstimmung per e-mail oder anderen elektronischen Kommunikationsmittel unverzüglich an die Hand genommen werden. Erste Versuche mit elektronischen Abstimmungsmöglichkeiten sind in anderen Kantonen bekanntlich erfolgreich durchgeführt worden.
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner bitten die Regierung, dem Rate im Sinne der obigen Ausführungen Vorschläge zur Verbesserung der Stimmbeteiligung in unserem Kanton zu unterbreiten.
Chur, 12. Februar 2008
Name: Trepp, Rathgeb, Augustin, Arquint, Baselgia-Brunner, Bondolfi, Bucher-Brini, Candinas, Casparis-Nigg, Caviezel (Pitasch), Feltscher, Florin-Caluori, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Hartmann (Chur), Jaag, Jäger, Jenny, Kessler, Koch, Krättli-Lori, Kunz, Loepfe, Menge, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Niederer, Peer, Perl, Pfäffli, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Pfister, Portner, Quinter, Ragettli, Tenchio, Thöny, Tuor, Wettstein, Degiacomi, Furrer-Cabalzar, Grendelmeier, Locher Benguerel, Monigatti, Wasescha
Session: 12.02.2008
Vorstoss: dt Auftrag