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Session: 10.06.2008

In den letzten zehn Jahren haben sehr viele Gemeinden zum Wohle der schwächsten Verkehrsteilnehmer, den Kindern und den Seniorinnen und Senioren innerorts Tempo 30 eingeführt. Die Signalisationsverordnung Art. 2a, 22a, die Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen sowie die kant. Richtlinie „Verkehrsberuhigung innerorts“ bilden die gesetzlichen Grundlagen. Die kantonale Kommission für die Festlegung differenzierter Höchstgeschwindigkeiten im Strassenverkehr (Geschwindigkeitskommission) und die Fachleute der Kantonspolizei haben in der jüngeren Praxis durchaus auch Kantonsstrassen mit untergeordnetem Verbindungscharakter, ja sogar Hauptstrassenabschnitte in den Tempo-30-Perimeter eingeschlossen. Die Unfälle in Tempo 30-Zonen im Kanton haben sich in etwa halbiert. Mit Tempo 30 nimmt die Lärmbelastung erheblich ab und sogar die Luftqualität wird etwas besser.

Im Gegensatz zu den Gemeindestrassen schreibt der Kanton auf seinen Strassen beim Überschreiten des V-85 Wertes, d.h. wenn 15 % der überprüften Fahrzeuge auf einem bestimmten Strassenabschnitt schneller als 42 bzw. 44 km/h fahren, automatisch min. zwei sog. horizontale Versätze (Trottoirausweitungen) vor. Diese „Schikanen“ führen für die betroffenen Anwohner punktuell zu Lärmmehrbelastung und hemmen den Verkehrsfluss. Die baulichen Massnahmen verursachen zudem nicht zu vernachlässigende Investitionen und sind oft der einzige Grund für eine politische Ablehnung von Tempo 30. Der V-85 Wert vor der Tempo-30-Einführung scheint mit 42 bzw. 44 km/h zudem etwas tief angesetzt zu sein. Eine Erhöhung um ca. 5 km/h würde dazu führen, dass die Temporeduktion auf wirklich gefährlichen Strassen auch eingeführt würde.

Ein Jahr nach Einführung einer Tempo-30-Zone wird deren Wirksamkeit überprüft. Ob die Temporeduktion auch ohne bauliche Massnahmen zum Erfolg geführt hätte, kann auf benannten Kantonsstrassenabschnitten leider nicht mehr überprüft werden.

Tempo-30-Zonen sollen gemäss kantonaler Praxis auf Strassen mit beidseitigem Gehweg grundsätzlich nicht eingerichtet werden. Handelt es sich um eine Quartierstrasse mit spielenden Kindern oder einen wichtigen Schulweg erscheint diese Einschränkung nicht zielführend. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass das Queren der Strasse durch wichtige Schulwege nicht als Kriterium zugunsten der Einführung von Tempo 30 berücksichtigt ist. Immerhin passieren die meisten Unfälle mit Fussgängern, wenn diese die Strasse queren.

Wir fragen die Regierung deshalb an, ob sie

1. gedenkt, die Richtlinien für Verkehrsberuhigungen dahingehend anzupassen, dass bauliche Massnahmen zu Tempo 30 erst im Rahmen der obligatorischen Nachkontrolle umgesetzt werden müssen?

2. bereit ist, den V85-Wert vor der Temporeduktion um ca. 5 km anzuheben?

3. die Kriterien beidseitiger Gehwege und die Überquerung in den genannten Richtlinien zu überdenken bereit ist?

Chur, 10. Juni 2008

Name: Feltscher, Thöny, Geisseler, Arquint, Berni, Brantschen, Bucher-Brini, Casutt, Caviezel-Sutter (Thusis), Clavadetscher, Conrad, Donatsch, Felix, Frigg-Walt, Jaag, Jenny, Kleis-Kümin, Kollegger, Krättli-Lori, Mani-Heldstab, Menge, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Michel (Davos Monstein), Niederer, Noi-Togni, Perl, Peyer, Pfiffner-Bearth, Pfister, Ragettli, Rathgeb, Ratti, Rizzi, Sax, Stiffler, Trepp, Wettstein, Furrer-Cabalzar, Locher Benguerel, Michel (Chur), Patt, Scartazzini

Session: 10.06.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Am 15. März 2005 erliess die Regierung auf Antrag des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit eine Richtlinie für Langsamfahrzonen. Die Richtlinie dient der Kommission für differenzierte Höchstgeschwindigkeiten und den Gemeinden und Verkehrsplanern als Leitplanke bei der Entscheidungsfindung und garantiert eine rechtsgleiche Behandlung der Gesuche um Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit zur Einführung einer Langsamfahrzone im Kanton. Sie unterscheidet einerseits zwischen Gemeindestrassen und kantonalen Verbindungsstrassen, wo bauliche Massnahmen grundsätzlich möglich sind, und kantonalen Hauptstrassen andererseits.

Gemäss Art. 108 Abs. 2 SSV können die allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten herabgesetzt werden, wenn eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist (lit. a ), bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen (lit. b), auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann (lit. c) oder dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit vermindert werden kann (lit. d).

1. In Tempo-30-Zonen kann – in Übereinstimmung mit der Auffassung der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung eine Geschwindigkeit (V85) von rund 38 km/h akzeptiert werden. Erfahrungen zeigen, dass die gefahrene Geschwindigkeit mit der Einführung von Langsamfahrzonen und der damit zusammenhängenden erforderlichen Markierung und Signalisation zwischen vier bis sechs km/h gesenkt werden kann. Aus diesem Grund setzte die Regierung die Geschwindigkeit für die Einführung von Tempo-30-Zonen in der Richtlinie auf 42 bzw. 44 km/h fest. Bei höheren Geschwindigkeiten werden bauliche Gestaltungsmassnahmen bereits bei Einführung der Langsamfahrzone notwendig, um die geforderte Geschwindigkeit zu erreichen. Eine Änderung der Richtlinien für Verkehrsberuhigung innerorts drängt sich aufgrund der Erfahrungen nicht auf. Sinnvoll und richtig ausgeführte Beruhigungsmassnahmen erhöhen Sicherheit und Lebensqualität.

2. Nein, eine Anhebung der V85-Werte um ca. fünf km/h erscheint nicht sinnvoll, da letztlich die Vorgabe von 38 km/h angestrebt werden muss.
Auf kantonalen Hauptstrassen sollen Tempo-30-Zonen die Ausnahme bilden und nur bei besonderen Verhältnissen eingeführt werden. Bei diesem Strassentyp werden keine baulichen Massnahmen in der Fahrbahn toleriert. Eine Anhebung des V85-Wertes um ca. fünf km/h beinhaltet die Gefahr, dass eine Zone bereits nach einem Jahr wieder aufgehoben werden müsste, sofern der Schlusswert von 38 km/h nicht erreicht wird. Ein Rückbau bzw. die Aufhebung einer Zone würde bei der Bevölkerung wohl kaum auf Akzeptanz stossen.

3. Nein, eine grundsätzliche Änderung der Richtlinie und der Praxis ist nicht notwendig. Das Bestehen eines Schulweges – mit oder vor allem ohne Gehwege – kann ein Kriterium für die Gewährung einer Langsamfahrzone im Sinn von Art. 108 Abs. 2 lit. b SSV bilden. Gleiches gilt für allfällige Querungen. Die Kantonspolizei prüft die Gefahren sowie Querungsbedürfnisse im Einzelfall und entscheidet im Zweifelsfall auch über die Beibehaltung eines bestehenden Fussgängerstreifens. Grundsätzlich dürfen Fussgängerstreifen nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen (SR 741.213.3) in Tempo-30-Zonen nur ausnahmsweise, beispielsweise bei Schulen und Heimen, angebracht werden.

Datum: 28. August 2008