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Session: 10.06.2008
Bund, Kantone und Gemeinden beschaffen pro Jahr für rund 34 Milliarden Franken verschiedenste Waren, Dienst- und Bauleistungen. Diese Summe entspricht 25% der Staatsausgaben und etwa 8% des Bundesinlandprodukts. Diese gewichtige Nachfragemacht bedeutet Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung, faire Arbeitsbedingungen und Verbesserung der Lebensqualität der Menschen lokal und weltweit.

Bereits heute enthält das Beschaffungsrecht soziale Kriterien: So darf ein Auftrag beispielsweise nur an Anbieterinnen und Anbieter vergeben werden, welche die lohnmässige Gleichstellung von Frau und Mann gewährleisten. Der Bund fasst die Instrumente zur Umsetzung ökologischer und sozialer Normen im öffentlichen Beschaffungswesen unter dem Begriff «Integrierte Produktepolitik» (IPP) zusammen. Produkte und Dienstleistungen sollen über ihren gesamten Lebenszyklus (Planungs-, Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungsphase) hohen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Anforderungen genügen, wie der Bundesrat in seinem Strategiebericht „Nachhaltige Entwicklung 2002“ dargelegt und in seiner Bilanz 2007 bekräftigt hat. Namentlich sollen die acht von der Schweiz ratifizierten Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zum Schutz fundamentaler Arbeitsnormen von den Anbietenden eingehalten werden müssen. Die IAO hat diese Übereinkommen 1998 zum menschenrechtlichen Grundstandard erhoben. Sie müssen auch von Staaten eingehalten werden, die sie nicht ratifiziert haben. Sie betreffen u. a. das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Verbot der Zwangsarbeit, das Verbot der Kinderarbeit sowie die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz.

Unter verschärften Wettbewerbsbedingungen verhindert ein fairer Handel einerseits, dass soziale und ökologische Dumpingangebote bei uns KMU aus dem Markt werfen und unsicheren, schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen Vorschub leisten. Andererseits fördert ein fairer Handel das wirtschaftliche Gedeihen der Länder des Südens. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen bekämpft die Armut in diesen Ländern und entzieht den Ursachen für Migration und Terrorismus den Boden. Dazu kann auch der Kanton Graubünden einen Beitrag leisten: Was für das Beschaffungswesen des Bundes gilt, ist auch für Kantone gültig. Darum soll die kantonale Submissionsverordnung im Gleichschritt mit der Bundesgesetzgebung angepasst werden. Dies rechtfertigt sich um so mehr, als die Kantone mit einem Anteil von 38% am jährlichen Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand die grössten Auftraggeber sind, weit vor dem Bund mit einem Anteil von 19%.

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung daher, die notwendigen entsprechenden Anpassungen vorzunehmen, um im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens die Lieferanten und Leistungserbringer gesetzlich und vertraglich darauf zu verpflichten, bei der Ausführung des Auftrags die Bestimmungen der Kern-Übereinkommen der Internationalen Arbeits-Organisation (IAO) einzuhalten.

Chur, 10. Juni 2008

Name: Trepp, Peyer, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Menge, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Locher Benguerel, Michel (Chur), Pedrini (Soazza)

Session: 10.06.2008
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Mit dem Vorstoss soll die Regierung beauftragt werden, die Lieferanten und Leistungserbringer im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens gesetzlich und vertraglich darauf zu verpflichten, bei der Auftragsausführung die Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) einzuhalten.
 
Die acht von der Schweiz ratifizierten IAO-Kernübereinkommen haben den Schutz fundamentaler Arbeitsnormen zum Ziel (Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Kinder- und Zwangsarbeit, Diskriminierungsverbot in Beschäftigung und Beruf). Diese Konventionen wurden von der IAO als Sonderorganisation der UNO zu grundlegenden und für alle Mitglieder verpflichtenden Mindeststandards erklärt. Abgesehen davon ist die Schweiz auf staatsvertraglicher Ebene an das plurilaterale WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen gebunden. Kernelemente dieses Abkommens sind das Prinzip der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung ausländischer Anbieter. Mittels öffentlicher Ausschreibung der Aufträge sollen der Wettbewerb, die Transparenz und der wirtschaftliche Einsatz öffentlicher Mittel in den Vertragsstaaten gefördert werden.

Die Kantone haben ihrerseits mit der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) das Vergaberecht untereinander harmonisiert und darin die staatsvertraglichen Verpflichtungen direkt umgesetzt. Art. 11 IVöB verpflichtet die Behörden, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen auch die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen und -bedingungen sowie die Gleichbehandlung von Mann und Frau zu beachten. Daraus abgeleitet bestimmt Art. 10 unseres kantonalen Submissionsgesetzes (SubG), dass der Auftraggeber diese Forderungen im Rahmen einer Selbstdeklaration durchzusetzen hat. So hat er sicherzustellen, dass der Anbieter diese Bestimmungen einhält und Dritte, denen er Aufträge weitergibt, ebenfalls vertraglich zur Einhaltung dieser Vorschriften verpflichtet. Im Kanton Graubünden übernimmt ein Anbieter bei öffentlichen Beschaffungen folglich mit der Unterzeichnung der Selbstdeklaration die Verantwortung, dass nicht nur er, sondern auch seine Subunternehmer und Lieferanten sämtliche für sie geltenden Mindestarbeitsvorschriften einhalten. Bei Falschangaben oder Missachtung der in der Selbstdeklaration aufgeführten Grundsätze drohen einem Anbieter empfindliche Sanktionen (Entzug des Auftrages, Konventionalstrafe sowie Ausschluss von bis zu fünf Jahren bei künftigen Beschaffungen). Darüber hinaus ermöglicht die geltende Submissionsgesetzgebung mittels entsprechender Zuschlagskriterien den Aspekten der Nachhaltigkeit sowohl in wirtschaftlicher, ökologischer wie auch sozialer Hinsicht bei einer Auftragsvergabe Rechnung zu tragen.
 
Schwieriger gestaltet sich in der von der Globalisierung geprägten Arbeitswelt jedoch zugegebenermassen der Gesetzesvollzug: Die Überprüfung der Herstellungsprozesse von Gütern bzw. der Arbeitsbedingungen von Dienstleistungen übersteigt in der Regel die Möglichkeiten der Vergabebehörde. Die Kontrolle wird nicht zuletzt dadurch erschwert, dass die meisten Produkte (und teilweise auch Dienstleistungen) Bearbeitungsprozesse bei verschiedenen Unternehmen in unterschiedlichen Ländern durchlaufen oder Bestandteile externer Zulieferer enthalten. Deshalb lassen sich die Arbeitsbedingungen und Herstellungsprozesse kaum je mit vertretbarem Aufwand zurückverfolgen. Anders verhält es sich, wo auf allgemein anerkannte Labels mit unabhängigen Kontrollorganen abgestellt werden kann.

Gestützt auf diese Erwägungen ist die Regierung der Auffassung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährleistung der Mindestanforderungen im Bereiche der Arbeitsbestimmungen und -bedingungen bereits hinreichend verankert sind. Die Regierung ist deshalb nicht bereit, den Auftrag entgegenzunehmen.

Datum: 28. August 2008