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Session: 29.08.2008
Das Gesamtprojekt der Bündner Tourismusreform läuft derzeit Gefahr, als Ganzes aus dem Ruder zu laufen. Die vorgesehene Finanzierung der Tourismusvermarktungs-Organisationen (5 DMOs; 9 zTOs) geniesst in der Bevölkerung, in Wirtschaftskreisen und in der Politik zu wenig Rückhalt. Einfallstor für Kritik gegen das Gesamtprojekt bildet die gemäss Projektstand per erstes Halbjahr 2008 vom DVS bzw. AWT vorgesehene Art der Finanzierung über eine kantonsflächendeckende, komplex aufgebaute Kantonale Tourismusförderungsabgabe (KTA). Stichworte sind: neue Steuer für rund 40% der Bevölkerung bzw. für derzeit 87 von 203 Gemeinden; Erhöhung des Steuersubstrats um ca. 30% von heute CHF 44.6 Mio. auf neu CHF 58.5 Mio.; neue Steuerobjekte und Steuersubjekte.

Zum steuerpolitisch geprägten Unmut kommen weitere Insuffizienzen des Konzepts hinzu. Den vorgesehenen Tourismusvermarktungs-Organisationen (DMO; zTO) werden komplexe und inneffiziente Schnittstellen zur kantonalen, regionalen und kommunalen Politik zugemutet. Stichworte sind: Corporate Governance, Erfahrung aus rechtlich verselbständigten Betrieben (selbständige Anstalten des kantonalen öffentlichen Rechts). Ausserdem liegt dem Konzept ein beachtliches Demokratiedefizit zugrunde. Stichworte sind: Subsidiaritätsprinzip, politische Mitwirkungsverfahren bei der Mittelverwendung - CHF 58.5 Mio. alljährlich, Tendenz steigend - im Generellen sowie im Bündner Rheintal im Besonderen.

Das Gesamtprojekt der Bündner Tourismusreform, Stand 1. Halbjahr 2008, bietet zahlreiche Ansätze zu wertvollen und teils sogar unverzichtbaren Verbesserungen für die bündnerische Tourismuswirtschaft. Das DVS bzw. das AWT haben anerkennenswerte Vorarbeit geleistet. Im Enthusiasmus sind allerdings auch Überdehnungen entstanden, die nun dringend zu kurieren sind. Es ist mit anderen Worten ein Zwischenstopp geboten, damit die Gesamtregierung einige politisch feinfühlige und nachhaltig wirkende Grundsatzbeschlüsse mit ins Gesamtprojekt einfliessen lassen kann.

Es ergeben sich für die Unterzeichneten daher folgende Fragen:

1. Trifft es zu, dass sich die Tourismusvermarktungs-Bedürfnisse in den verschiedenen Tourismus-Grossregionen (5 DMOs; 9 zTOs) unterscheiden und dass letztlich eine kantonal zentralisierte Organisation nicht wünschbar ist? Ist dem namentlich auch zuzustimmen, wenn der Leistungsauftrag an Graubünden Ferien ergänzend zur Tätigkeit in den Tourismus-Grossregionen weiter entwickelt wird?

2. Trifft es demnach zu, dass es nach der Ansicht der Regierung angebracht ist, die Tourismusvermarktungs-Organisationen in den zu Tourismus-Grossregionen bündelbaren Regionen (5 DMO’s; 9 zTO’s) operativ ohne originären Miteinbezug des Kantons aufzubauen und zu führen (1 Aufgabe, 1 Kompetenz, 1 Verantwortung) und dass der Kanton nur subsidiär unterstützend wirken soll?

3. Trifft es zu, dass die heutigen, mehrheitlich kommunalen Tourismusorganisationen gemessen an den grossregionalen Bedürfnissen im Sinne der DMO’s (5) bzw. zTO’s (9) Unwirtschaftlichkeiten und Ineffizienzen aufweisen und damit zusammenhängend auch finanziell zu teuer sind?

Rechtfertigt es sich im Hinblick auf die Finanzierung der Tourismusreform und ausgehend vom heute in den Tourismusgemeinden generierten Abgabesubstrat von rund CHF 70.6 Mio. (CHF 45 Mio. aus Kurtaxen/Tourismusförderungsabgaben; CHF 25.6 Mio. weitere Mittel; exkl. CHF 3.8 Mio. Kantonsbeitrag an Graubünden Ferien) ein zweistufiges Konzept? Nämlich, dass den DMO’s und zTO’s in einer ersten Phase der Beweis aufzuerlegen ist, dass sie die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel auf der Basis des bestehenden Volumens wirtschaftlich einsetzen, und dass erst in einer zweiten Phase eine Mittelerhöhung verbunden mit einer Ausdehnung des Kreises der Abgabeverpflichteten zu prüfen ist?

4. Trifft es zu, dass der Mitteleinzug ebenso wie die Mittelverwendung in den Tourismus-Grossregionen (9 DMO’s; 5 zTO’s) demokratisch legitimiert sein muss? Konkret bspw.:

- dass der Bevölkerung in der jeweiligen Region ein angemessenes Recht auf Mitwirkung und Kontrolle bei der Erteilung der Aufträge, der Übertragung der Kompetenzen und der Wahrnehmung der Verantwortung zustehen muss (Legitimation; Subsidiarität; Volksnähe)?

- dass es weder das DVS bzw. das AWT noch eine einzelne DMO oder zTO sein kann, welche über die Verwendung der in einer Vorleister-Grossregion (v.a. Bündner Rheintal) eingezogenen Mittel verfügen können soll (Legitimation; Rechtmässigkeit der Abgabe als Kostenanlastungssteuer)?

- dass diesem Zweck eine rahmengesetzliche Rechtsgrundlage nach dem Beispiel der Handänderungssteuer im kantonalen Gemeinde- und Kirchensteuergesetz (GKStG) im Grundsatz besser dient als die Einführung einer kantonsflächendeckenden neuen kantonalen Steuer (1 kantonales Rahmengesetz anstelle von 116 kommunalen Gesetzesgrundlagen)?

5. Trifft es zu, dass eine rahmengesetzliche Rechtsgrundlage mit dem Ziel, den Tourismusgemeinden die heutige Steuerhoheit zum Erheben einer Tourismusförderungsabgabe bzw. Kurtaxe zu belassen und die kommunale Steuergesetzgebung aber zu vereinheitlichen, auch mit einer Mittelverwendungsbindungsklausel verbunden werden kann?

Chur, 29. August 2008

Cavigelli, Nick, Augustin, Berni, Berther (Disentis), Bezzola (Zernez), Bondolfi, Buchli, Bühler-Flury, Cahannes Renggli, Casparis-Nigg, Casty, Claus, Clavadetscher, Conrad, Donatsch, Dudli, Fallet, Fasani, Federspiel, Feltscher, Florin-Caluori, Geisseler, Hartmann (Chur), Keller, Kleis-Kümin, Kunz, Loepfe, Marti, Möhr, Parpan, Pfäffli, Plozza, Quinter, Ragettli, Righetti, Tenchio, Thomann, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wettstein, Zanetti (Li Curt), Bürkli, Furrer-Cabalzar, Mainetti, Zanetti (Igis)

Session: 29.08.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Die Bündner Tourismusreform ist auf gutem Weg. Mit der Bildung der ersten zwei Destinationsmanagement-Organisationen (DMO) (Engadin St. Moritz, Davos Klosters) ist es gelungen, bedeutende Schritte für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in die Wege zu leiten. Ebenfalls konnten verschiedene zukünftige Tourismusorganisationen (zTO) geschaffen werden, welche die Kriterien der Tourismusreform erfüllen. Der weitere Erfolg der Tourismusreform ist auch von einer nachhaltigen Finanzierungskonzeption abhängig.

1. Das mit Tourismusfachpersonen aus Graubünden erarbeitete Konzept einer zukünftigen Tourismusorganisation sieht keine zentralistische kantonale Organisation vor. Notwendig sind durch Zusammenschlüsse gebildete Destinationen und neue Tourismusorganisationen, welche die Bearbeitung der Märkte und die Produktebündelung mit vereinten Kräften vornehmen können. Der Leistungsauftrag für Graubünden Ferien wurde auf der Grundlage dieses Konzeptes festgelegt und wird den Entwicklungen des Marktes und den Bedürfnissen der DMO's und zTO's periodisch angepasst.

2. Ziel der Tourismusreform ist eine konsequente Bündelung der Kräfte und eine klare Aufgabenteilung zwischen den DMO's, zTO's und Graubünden Ferien. Die Verantwortung für die Umsetzung der Tätigkeiten, die Verwendung der finanziellen Mittel und die Überprüfung der erzielten Wirkung liegt bei den jeweiligen DMO's, zTO's resp. Graubünden Ferien.

3. Durch den Zusammenschluss der Tourismusorganisationen in 4 - 6 DMO's und 7 - 10 zTO's, eine koordinierte Marktbearbeitung und ein neues einfacheres Finanzierungsmodell mit einer Kantonalen Tourismusabgabe (KTA) können beträchtliche Effizienzgewinne erzielt werden. Die daraus frei werdenden Mittel sollen in die Bearbeitung bestehender und neuer Märkte zur Gewinnung zusätzlicher Gäste eingesetzt werden. Um im immer globaleren Tourismusmarkt nicht weiter stark an Marktanteilen zu verlieren, reichen die vorhandenen Mittel trotz Effizienzsteigerung nicht aus. Der Einbezug aller vom Tourismus direkt oder indirekt profitierenden Unternehmen in diese Finanzierung ist aus diesem Grunde und unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gerechtfertigt.

4. Im Gesetz über die Gemeinde- und Kirchensteuer wird in Art. 22 und 23 den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, Kurtaxen und Tourismusförderungsabgaben zu erheben. Neu sollen dieselben Abgaben anstelle von den Gemeinden kantonal erhoben werden. Bereits heute werden das Mitwirkungsrecht und die Kontrolle vorwiegend durch die Tourismusorganisationen vorgenommen, teilweise wird die Mittelverwendung in den Gemeindebudgets resp. -rechnungen ausgewiesen. Daran soll auch inskünftig nichts geändert werden. Lediglich ein kleiner Teil der KTA-Mittel aus einer Vorleister-Region - ca. 2 - 3% - wird für Projekte von gesamtkantonaler Bedeutung verwendet. Auch bei diesen Projekten, welche dem Bündner Tourismus insgesamt zugute kommen, ist die Rechtmässigkeit des Mitteleinsatzes durch die gesetzliche Zweckbindung sichergestellt. Überlegungen zu einer rahmengesetzlichen Rechtsgrundlage werden im Vernehmlassungsbericht zur KTA aufgearbeitet. Dabei werden Vor- und Nachteile dieses Lösungsansatzes aufgezeigt.

5. Die Aussage trifft aus zwei Gründen zu. Einerseits sind Kurtaxe und Tourismusförderungsabgabe steuerdogmatisch Kostenanlastungssteuern. Unter diesen Begriff fallen Sondersteuern, welche einer bestimmten Gruppe von Pflichtigen auferlegt werden, weil diese Personen zu bestimmten Aufwendungen des Gemeinwesens eine nähere Beziehung haben als die Gesamtheit der Steuerpflichtigen. Damit muss die Kostenanlastungssteuer auch genau für den bestimmten Zweck eingesetzt werden, andernfalls der Konnex zu den Steuersubjekten verloren ginge. Andererseits verfügen die Bündner Gemeinden nur über eine Steuerhoheit, soweit sie ihnen in der kantonalen Gesetzgebung verliehen wird. Der Kanton kann somit im Gemeinde- und Kirchensteuergesetz die Mittelverwendung der beiden Steuerarten vorschreiben.

Datum: 31. Oktober 2008