Das Gesamtprojekt der Bündner Tourismusreform läuft derzeit Gefahr, als Ganzes aus dem Ruder zu laufen. Die vorgesehene Finanzierung der Tourismusvermarktungs-Organisationen (5 DMOs; 9 zTOs) geniesst in der Bevölkerung, in Wirtschaftskreisen und in der Politik zu wenig Rückhalt. Einfallstor für Kritik gegen das Gesamtprojekt bildet die gemäss Projektstand per erstes Halbjahr 2008 vom DVS bzw. AWT vorgesehene Art der Finanzierung über eine kantonsflächendeckende, komplex aufgebaute Kantonale Tourismusförderungsabgabe (KTA). Stichworte sind: neue Steuer für rund 40% der Bevölkerung bzw. für derzeit 87 von 203 Gemeinden; Erhöhung des Steuersubstrats um ca. 30% von heute CHF 44.6 Mio. auf neu CHF 58.5 Mio.; neue Steuerobjekte und Steuersubjekte.
Zum steuerpolitisch geprägten Unmut kommen weitere Insuffizienzen des Konzepts hinzu. Den vorgesehenen Tourismusvermarktungs-Organisationen (DMO; zTO) werden komplexe und inneffiziente Schnittstellen zur kantonalen, regionalen und kommunalen Politik zugemutet. Stichworte sind: Corporate Governance, Erfahrung aus rechtlich verselbständigten Betrieben (selbständige Anstalten des kantonalen öffentlichen Rechts). Ausserdem liegt dem Konzept ein beachtliches Demokratiedefizit zugrunde. Stichworte sind: Subsidiaritätsprinzip, politische Mitwirkungsverfahren bei der Mittelverwendung - CHF 58.5 Mio. alljährlich, Tendenz steigend - im Generellen sowie im Bündner Rheintal im Besonderen.
Das Gesamtprojekt der Bündner Tourismusreform, Stand 1. Halbjahr 2008, bietet zahlreiche Ansätze zu wertvollen und teils sogar unverzichtbaren Verbesserungen für die bündnerische Tourismuswirtschaft. Das DVS bzw. das AWT haben anerkennenswerte Vorarbeit geleistet. Im Enthusiasmus sind allerdings auch Überdehnungen entstanden, die nun dringend zu kurieren sind. Es ist mit anderen Worten ein Zwischenstopp geboten, damit die Gesamtregierung einige politisch feinfühlige und nachhaltig wirkende Grundsatzbeschlüsse mit ins Gesamtprojekt einfliessen lassen kann.
Es ergeben sich für die Unterzeichneten daher folgende Fragen:
1. Trifft es zu, dass sich die Tourismusvermarktungs-Bedürfnisse in den verschiedenen Tourismus-Grossregionen (5 DMOs; 9 zTOs) unterscheiden und dass letztlich eine kantonal zentralisierte Organisation nicht wünschbar ist? Ist dem namentlich auch zuzustimmen, wenn der Leistungsauftrag an Graubünden Ferien ergänzend zur Tätigkeit in den Tourismus-Grossregionen weiter entwickelt wird?
2. Trifft es demnach zu, dass es nach der Ansicht der Regierung angebracht ist, die Tourismusvermarktungs-Organisationen in den zu Tourismus-Grossregionen bündelbaren Regionen (5 DMO’s; 9 zTO’s) operativ ohne originären Miteinbezug des Kantons aufzubauen und zu führen (1 Aufgabe, 1 Kompetenz, 1 Verantwortung) und dass der Kanton nur subsidiär unterstützend wirken soll?
3. Trifft es zu, dass die heutigen, mehrheitlich kommunalen Tourismusorganisationen gemessen an den grossregionalen Bedürfnissen im Sinne der DMO’s (5) bzw. zTO’s (9) Unwirtschaftlichkeiten und Ineffizienzen aufweisen und damit zusammenhängend auch finanziell zu teuer sind?
Rechtfertigt es sich im Hinblick auf die Finanzierung der Tourismusreform und ausgehend vom heute in den Tourismusgemeinden generierten Abgabesubstrat von rund CHF 70.6 Mio. (CHF 45 Mio. aus Kurtaxen/Tourismusförderungsabgaben; CHF 25.6 Mio. weitere Mittel; exkl. CHF 3.8 Mio. Kantonsbeitrag an Graubünden Ferien) ein zweistufiges Konzept? Nämlich, dass den DMO’s und zTO’s in einer ersten Phase der Beweis aufzuerlegen ist, dass sie die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel auf der Basis des bestehenden Volumens wirtschaftlich einsetzen, und dass erst in einer zweiten Phase eine Mittelerhöhung verbunden mit einer Ausdehnung des Kreises der Abgabeverpflichteten zu prüfen ist?
4. Trifft es zu, dass der Mitteleinzug ebenso wie die Mittelverwendung in den Tourismus-Grossregionen (9 DMO’s; 5 zTO’s) demokratisch legitimiert sein muss? Konkret bspw.:
- dass der Bevölkerung in der jeweiligen Region ein angemessenes Recht auf Mitwirkung und Kontrolle bei der Erteilung der Aufträge, der Übertragung der Kompetenzen und der Wahrnehmung der Verantwortung zustehen muss (Legitimation; Subsidiarität; Volksnähe)?
- dass es weder das DVS bzw. das AWT noch eine einzelne DMO oder zTO sein kann, welche über die Verwendung der in einer Vorleister-Grossregion (v.a. Bündner Rheintal) eingezogenen Mittel verfügen können soll (Legitimation; Rechtmässigkeit der Abgabe als Kostenanlastungssteuer)?
- dass diesem Zweck eine rahmengesetzliche Rechtsgrundlage nach dem Beispiel der Handänderungssteuer im kantonalen Gemeinde- und Kirchensteuergesetz (GKStG) im Grundsatz besser dient als die Einführung einer kantonsflächendeckenden neuen kantonalen Steuer (1 kantonales Rahmengesetz anstelle von 116 kommunalen Gesetzesgrundlagen)?
5. Trifft es zu, dass eine rahmengesetzliche Rechtsgrundlage mit dem Ziel, den Tourismusgemeinden die heutige Steuerhoheit zum Erheben einer Tourismusförderungsabgabe bzw. Kurtaxe zu belassen und die kommunale Steuergesetzgebung aber zu vereinheitlichen, auch mit einer Mittelverwendungsbindungsklausel verbunden werden kann?
Chur, 29. August 2008
Cavigelli, Nick, Augustin, Berni, Berther (Disentis), Bezzola (Zernez), Bondolfi, Buchli, Bühler-Flury, Cahannes Renggli, Casparis-Nigg, Casty, Claus, Clavadetscher, Conrad, Donatsch, Dudli, Fallet, Fasani, Federspiel, Feltscher, Florin-Caluori, Geisseler, Hartmann (Chur), Keller, Kleis-Kümin, Kunz, Loepfe, Marti, Möhr, Parpan, Pfäffli, Plozza, Quinter, Ragettli, Righetti, Tenchio, Thomann, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wettstein, Zanetti (Li Curt), Bürkli, Furrer-Cabalzar, Mainetti, Zanetti (Igis)
Session: 29.08.2008
Vorstoss: dt Anfrage