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Session: 22.10.2008
Am 1. Januar 2009 tritt die neue Gerichtsorganisation mit je fünf vollamtlichen Richtern am Kantons- und am Verwaltungsgericht in Kraft. Der Grosse Rat hat in der Juni Session 2008 die Wahlen der Richter vorgenommen. Bei der Wahl des höchsten Organs der Justiz im Kanton ist es von grosser Bedeutung, dass man Rücksicht auf die sprachlichen und kulturellen Verhältnisse im Kanton Graubünden nimmt. Leider sind die Wahlen so ausgegangen, dass im Kantonsgericht eine Richterin oder ein Richter fehlt, der der italienischen Sprache mächtig ist. In der Vergangenheit wurde immer wieder auf diesen Mangel hingewiesen, sei es in den Berichten der Gerichte oder der Justizkommission, sei es bei der Behandlung des Gerichtsorganisationsgesetzes oder bei der Behandlung des Sprachengesetzes. Dass die Justiz für alle gleich sein sollte, beginnt schon bei der Voraussetzung, dass das Gericht die Sprache versteht, welche die Rechtssuchenden sprechen.

Bei den letzen Wahlen wurden aber die politischen Überlegungen stärker gewichtet als die sprachlichen und kulturellen. Das, obwohl die Kantonalen Gerichte stets unabhängig entscheiden sollen, allein nach Gesetz und Recht, fern von parteipolitischen Einflüssen. In Fragen der Rechtsprechung dürfen übergeordneten Gerichtsinstanzen, Parlament, Regierung, Verwaltungsbehörden oder Parteien den Gerichten weder Vorschriften machen noch Weisungen erteilen.

Art. 16 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) regelt das Wahlverfahren. Abs. 1 dieser Bestimmung sieht vor, dass die zuständige Kommission für Justiz und Sicherheit des Grossen Rates (KJS) freie Richterstellen öffentlich ausschreibt. Dann hat die KJS sie gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung die Bewerberinnen und Bewerber auf ihre persönliche und auf ihre fachliche Eignung zu prüfen und dem Grossen Rat eine Empfehlung abzugeben.

Sechzehn Kandidatinnen und Kandidaten wurden bei den letzten Wahlen im Sinne des Gesetzes von der KJS geeignet qualifiziert. Darunter waren acht Kandidaten, die sich für das Kantonsgericht beworben hatten, drei davon waren der italienischen Sprache mächtig. Die Präsidentenkonferenz bestimmte sodann den parteipolitischen Schlüssel und leitete die einzelnen Bewerbungsdossiers an den entsprechenden politischen Fraktionen zur Selektion und Antragsstellung an den Grossen Rat weiter. Mit diesem Vorgehen geht die Gesamtübersicht betreffend der Ausgewogenheit der Richterämter verloren.

Dieser Missstand ist besonders stossend, da gerade in letzter Zeit das Sprachengesetz des Kantons Graubünden vom Volke angenommen wurde, das im Art. 3 (Grundsätze) folgendes vorschreibt: „Die Amtssprachen des Kantons finden Anwendung in Rechtssetzung, Rechtsanwendung und Rechtsprechung. Jede Person kann sich in einer Amtssprache ihrer Wahl an die kantonalen Behörden wenden.“

Voraussetzung ist es aber auch, dass die Sprache von den kantonalen Behörden verstanden wird.

Aber auch einem Gericht ist mit diesen Wahlen ein schlechter Dienst erwiesen worden, weil es auf fachkundige Richter angewiesen ist, die die gleiche Sprache der Rechtssuchenden sprechen, um so objektiv zu einer besseren Rechtskultur beizutragen.

Zu bedenken gibt auch, dass die Bewerber für diese wichtige Stelle, sich zu einer Partei bekennen müssen, sonst haben sie keine Wahlchancen, obwohl sie fachlich und sprachlich kompetent sind.

Wir beauftragen hiermit die Regierung, die Organisation der Wahlen der Kantonsgerichte, einer näheren Betrachtung zu unterziehen, dem Grossen Rat darüber Bericht zu erstatten und konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Wahlverfahren, das eine bessere Vertretung der Sprachen und Kulturen in den beiden Kantonsgerichten ermöglichen soll.


Chur, 22. Oktober 2008

Mengotti, Augustin, Marti, Arquint, Berther (Sedrun), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Caduff, Candinas (Rabius), Casutt, Caviezel (Pitasch), Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Dermont, Fallet, Fasani, Giovanoli, Hartmann (Champfèr), Jäger, Jenny, Keller, Koch, Kollegger, Montalta, Niederer, Noi-Togni, Parolini, Pedrini, Peer, Perl, Pfister, Plozza, Righetti, Stiffler, Tenchio, Thöny, Thurner-Steier, Toschini, Tronaca-Sauer, Vetsch (Pragg-Jenaz), Zanetti, Grendelmeier

Session: 22.10.2008
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Mit Botschaft vom 30. Mai 2006 unterbreitete die Regierung dem Grossen Rat eine Vorlage für eine Optimierung der kantonalen Gerichtsorganisation (Justizreform; Heft Nr. 6/2006-2007, Seite 457 ff.). In diesem Zusammenhang wurden auch Wahlorgan und Wahlverfahren sowie Wählbarkeitsvoraussetzungen hinsichtlich des Kantons- und des Verwaltungsgerichts überprüft und teilweise neu geregelt (vgl. Seiten 490-492 und 495 f.). Der Grosse Rat hat die Vorlage anlässlich der August-Session 2006 behandelt und die verschiedenen Erlasse einstimmig oder nur mit wenigen Gegenstimmen verabschiedet (GRP 2006-2007, 28 f.). Die einzelnen Erlasse und Bestimmungen der Justizreform sind zwischen 1. Januar 2007 und 1. Januar 2009 gestaffelt in Kraft getreten. Die Mitglieder des Kantons- und des Verwaltungsgerichts wurden in der Juni-Session 2008 vom Grossen Rat für die Amtsperiode 2009 – 2012 erstmals nach den neuen Verfahrens- und Organisationsbestimmungen gewählt.

Gemäss Art. 3 Kantonsverfassung sind die drei Landes- und Amtssprachen des Kantons gleichwertig. Dies gilt auch für die Verfahren vor den kantonalen Gerichten (vgl. Art. 3, 7 und 8 Sprachengesetz). Aufgrund der rechtlichen Vorgaben müssen das Kantons- und das Verwaltungsgericht über die nötige Sprachkompetenz verfügen, damit sich die Rechtsuchenden in einer der drei Amtssprachen an das Gericht wenden können und Gewähr besteht, dass sie dort richtig verstanden werden und ein Urteil in der gewählten Sprache erhalten. Diese sprachliche Minimalkompetenz ist nicht nur beim Verwaltungsgericht, sondern auch beim Kantonsgericht vorhanden, wie die beiden kantonalen Gerichte ausdrücklich versichern. Denn die sprachenrechtlichen Vorgaben verlangen nicht, dass jede Sprachgruppe durch ein muttersprachliches Mitglied vertreten sein muss. Der Grosse Rat hat beim Gerichtsorganisationsgesetz und beim Sprachengesetz ausdrücklich darauf verzichtet, eine entsprechende Wählbarkeitsvoraussetzung aufzunehmen (GRP 2006-2007, 224 ff., 335 und 509 f.).

Für die Regierung ist es sehr wünschbar, dass die Landes- und Amtssprachen am Kantons- und am Verwaltungsgericht angemessen vertreten sind. Dieses Anliegen wird auch von beiden kantonalen Gerichten unterstützt. Hingegen erachtet es die Regierung für nicht sachgerecht und mit den Zielen der Justizreformen nicht vereinbar, die Sprachkompetenz der Richterinnen und Richter über ihre persönliche und fachliche Eignung zu stellen. Aufgrund der geringen Grösse der beiden Gerichte und der Vorgabe von Art. 57 Grossratsgesetz (Parteienproporz) würde eine solche gesetzliche Vorgabe die Auswahl an Kandidierenden erheblich einschränken, die den hohen Anforderungen an Magistratspersonen entsprechen. Nachdem der Grosse Rat deswegen erst vor kurzem entsprechende Anträge abgelehnt hat, sieht die Regierung im jetzigen Zeitpunkt keine Gründe für eine Neubeurteilung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die sprachliche Kompetenz bei Kantons- und Verwaltungsgericht gewährleistet ist und dass sich bislang keine Probleme ergeben haben. Deshalb beantragt die Regierung, den Auftrag abzulehnen.

Datum: 14. Januar 2009