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Session: 22.10.2008
Rückwirkend auf den 1.9.2008 hat die Regierung eine Revision der Verordnung über das Aufnahmeverfahren an den Mittelschulen in Kraft gesetzt. Die Sprach- und Kulturorganisationen Lia Rumantscha (LR) sowie die Pro Grigioni Italiano (Pgi), unterstützt von verschiedenen weiteren Gruppierungen (so verschiedene Lehrerkonferenzen) können sich vor dem Hintergrund der Vorgaben der Kantonsverfassung als auch des Sprachegesetzes in drei Punkten mit dieser Teilrevision nicht einverstanden erklären. Die neue Verordnung berücksichtigt den Umstand nicht, dass die sprachlichen Voraussetzungen der romanischen bzw. italienischen als auch der zweisprachigen (romanisch/deutsch bzw. italienisch/deutsch) Primarschulen und der 1./2. Sekundarschule andere sind als jene der deutschen Schulen. Die Teilrevision möchte offensichtlich alle Schultypen über den gleichen Leisten schlagen, was im Ergebnis dazu führt, dass Ungleiches gleich behandelt wird, was einer Diskriminierung gleichkommt. Konkret geht es in Art. 6 um die in der Anmeldung anzugebende „Erstsprache“, um die Prüfungsfächer gemäss Art. 18 sowie um die Prüfungsfachnoten gemäss Art. 19. Die Unterzeichnenden ersuchen und beauftragen die Regierung um umgehende Korrektur der entsprechenden Artikel im nachfolgenden Sinn:

Art. 6 Abs. 2:
Für romanische und italienische Schulen gilt Rumantsch bzw. Italiano als Erstsprache. Für zweisprachige Schulen gelten beide Sprachen gleichwertig als Erstsprachen.

Art. 18 Abs. 1 Ziff. 2 bzw. Art. 18 Abs. 3:
Schülerinnen und Schüler von romanischen bzw. italienischen sowie zweisprachigen Schulen sind in beiden Sprachen (rumantsch/tudestg bzw. italiano/tedesco) analog der Lösung von Art. 18 Abs. 1 Ziff. 1 zu prüfen.

Art. 19 Abs. 2:
Das Bewertungsmodell schmälert die Bedeutung der beiden Minderheitensprachen (romanisch/italienisch), weshalb eine Änderung der Bewertungsform wie folgt zwingend ist:

Für Schülerinnen und Schüler von romanischen bzw. italienischen Schulen wird die romanische/italienische Note zu 60%, die deutsche Note zu 40% gewertet. Für Schüler und für Schülerinnen aus zweisprachigen Schulen werden die beiden Erstsprachen zu je 50% gewertet.

Ergänzendes:
Für alle Varianten ist eine eigene angepasste Prüfung vorzusehen, die die unterschiedliche Ausgangslage angemessen berücksichtigt. Die Prüfungssprache hat sich dabei auch nach der Schulsprache (RG/Idiome) der Schüler und Schülerinnen zu richten. Die Vorgabe von Art. 18 Abs. 1 betreffend Prüfung ausschliesslich schriftlich vernachlässigt die mündlichen Kenntnisse der Bewerberinnen und Bewerber völlig.


Chur, 22. Oktober 2008

Thomann, Fasani, Parolini, Arquint, Augustin, Berther (Sedrun), Bezzola (Samedan), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Caduff, Candinas (Rabius), Casutt, Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Dermont, Fallet, Giovanoli, Hartmann (Champfèr), Keller, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Montalta, Niederer, Pedrini, Peer, Perl, Pfister, Plozza, Portner, Quinter, Ratti, Righetti, Sax, Thurner-Steier, Toschini, Troncana-Sauer, Tuor, Zanetti, Candinas (Disentis/Mustér), Grendelmeier

Session: 22.10.2008
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Im April 2008 hat sich der Grosse Rat dafür ausgesprochen, das Untergymnasium beizubehalten und Massnahmen zur Erhöhung der Ausbildungsqualität und zur Qualitätssicherung zu ergreifen. Der Gesetzgeber hat die konkrete Ausgestaltung dieser Massnahmen dem Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Regierung zugeordnet. Zu diesen Massnahmen zählt auch das Aufnahmeverfahren. Entsprechend der geltenden Zuständigkeitsordnung erfüllt die Regierung die ihr übertragene Aufgabe im Bestreben, für die betroffenen Jugendlichen ein möglichst faires Aufnahmeverfahren zu schaffen. Sie beachtet bei der Ausgestaltung des Verfahrens in erster Linie die Vorgaben aus der Gesetzgebung und der Rechtsprechung, weiter aber auch politische Anliegen.

Der vorliegende Vorstoss ist auf die geltende Zuständigkeitsordnung kaum abgestimmt, soweit er vorsieht, dass der Grosse Rat mit weitgehend ausformulierten Bestimmungsentwürfen den Inhalt einer Regierungsverordnung festlegt. Zudem sind die im Vorstoss enthaltenen Vorgaben kaum umsetzbar, wenn die einschlägige Rechtsprechung und die in der Vergangenheit vorgebrachten politischen Anliegen beachtet werden. Bei der Ausgestaltung der Aufnahmeprüfung in die erste Gymnasialklasse für Romanisch- und Italienischsprachige in den Kantonssprachen war zu beachten:

• Die ursprüngliche Regelung des Jahres 2000, wonach die Fächer Romanisch/Italienisch und Deutsch zu einer Prüfungsnote zusammengefasst wurden - alle Kandidatinnen und Kandidaten erhielten so gleich viele Prüfungsnoten - wurde seitens der romanischen Interessenverbände und Gemeinden heftig bekämpft, weil damit Romanisch als Erstsprache nur zu 50% gewichtet werde.

• Diese Einwände berücksichtigend legte die Regierung fest, dass die Fächer Ro-manisch/Italienisch und Deutsch als zwei Prüfungsnoten voll zählen; diese Regelung wurde 2006 mit einer Beschwerde aus der Rumantschia umgestossen.

• Aufgrund eines neuen rechtskräftigen Beschwerdeentscheids muss Deutsch als Zweitsprache in Beachtung der Vorbildung und nicht in Beachtung der Bedürfnisse des gymnasialen Unterrichts geprüft werden.

Die Forderung, die unterschiedliche Vorbildung zu berücksichtigen, führte beim Übertritt von der 2. oder 3. Sekundarklasse in eine Mittelschulabteilung zu kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten. So wurde die Prüfung von Romanisch als Zweitsprache mit einem oberen und einem unteren Niveau und einer Differenzierung nach Idiomen durchgeführt. 2008 waren von insgesamt 40 Prüfungsstellungen 16 verschiedene Prüfungen in Romanisch als Zweitsprache erforderlich - teilweise für einen Kandidaten.

Das Aufnahmeverfahren und vorab die Prüfungsdurchführung wurden vereinfacht. Neu werden beim Übertritt von der 2. Sekundarklasse in eine Mittelschulabteilung die Sprachen und die Naturwissenschaften gleich gewichtet, die Kantonssprachen einander gleichgestellt und im Fach Englisch wegen dem zu erreichenden Niveau leistungsorientierte Vorgaben gemacht. Beim Übertritt von der 2. Sekundarklasse in eine Mittelschulabteilung werden Deutsch, Romanisch und Italienisch geprüft. In Englisch sollte, sofern die obligatorischen Lehrmittel eingesetzt wurden, eine Koordination im Kanton realisierbar sein.

Die Regierung hat das sensible Aufnahmeverfahren nach sorgfältigem Abwägen aller massgebenden rechtlichen und praktischen Aspekte, insbesondere in Berücksichtigung rechtskräftiger Beschwerdeentscheide angepasst. Sie hat sich am Ziel des Aufnahmeverfahrens orientiert und geeignete Prüfungsfächer bestimmt. Mit der Wahl der Prüfungssprache bei der Anmeldung hat sie zudem die Interessenlage der in das Aufnahmeverfahren involvierten Kinder prioritär gewichtet. Auf die Einführung mündlicher Prüfungen – bisher wurde nur schriftlich geprüft – will die Regierung verzichten.

Die Überweisung des Auftrags könnte frühestens 2010 Wirkung entfalten; gleichwohl könnte sie Lehrpersonen und Jugendliche in ihren Vorbereitungen auf die Prüfung 2009 beeinträchtigen. Die Regierung will mit dem revidierten Verfahren wenigstens drei Jahre lang Erfahrungen sammeln und anschliessend Anpassungen prüfen. Aus all diesen Gründen beantragt Ihnen die Regierung, den Auftrag nicht zu überweisen.

Datum: 9. Januar 2009