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Session: 08.12.2008
Der Widerstand gegen die Beteiligung der Rätia Energie AG an klima- und umweltpolitisch höchst problematischen Kohlekraftwerken im Ausland wächst. Seit Ende 2007 ist diesbezüglich mehrmals von verschiedener Seite Kritik aufgekommen und das Thema wurde auch in den Medien behandelt.

Nach dem Widerstand gegen das Projekt mit Beteiligung der „Rätia Energie“ in Süditalien, der im September bekannt wurde, ist nun auch beim geplanten Kohlekraftwerk in Brunsbüttel (Norddeutschland) die ganze Problematik sichtbar geworden. Die direkt betroffene Bevölkerung in Norddeutschland ist offenbar nicht bereit, diese CO2-Schleudern zu akzeptieren. Auch viele Bündnerinnen und Bündner wundern sich zunehmend über das Festhalten der Rätia Energie am Ausbau der Kohlekraft im Ausland. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels kann der Bau von Kohlekraftwerken mit einer enorm hohen CO2-Emission nicht verantwortet werden. Kommt dazu, dass in Brunsbüttel offenbar sogar Kohle aus Südamerika verbrannt werden soll, was an Absurdität wohl kaum noch übertroffen werden kann.

Aber auch die Wirtschaftlichkeit dieser Kraftwerke wird mittlerweile stark angezweifelt, steht die Kohlekraft doch in starker Konkurrenz insbesondere zur Windkraft. Investitionen in solche Werke beinhalten viele Unwägbarkeiten; das betrifft insbesondere die Akzeptanz bei der direkt betroffenen Bevölkerung, das Bewilligungsverfahren, Baukosten aber auch bzgl. der Markt- und Preisentwicklung.

Die Expansionsstrategie der Rätia Energie ist umweltpolitisch also nicht verantwortbar und wirtschaftlich hoch riskant. Wohin ungezügelte Wachstums- und Gewinnstrategien führen, mussten wir in den letzten Monaten aufs Schmerzlichste erfahren. Es ist also dringend eine Besinnung der Verantwortlichen bei der Rätia Energie erforderlich. Mit der 46 %-Beteiligung des Kantons an der Rätia Energie AG besteht aber auch seitens der Regierung eine spezielle Verantwortung.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung deshalb auf, bei den Verantwortungsträgern der Rätia Energie all ihren Einfluss geltend zu machen, dass:

1. die Rätia Energie sich von den Projekten und beabsichtigten Beteiligungen im Zusammenhang mit dem Bau von Kohlekraftwerken im Ausland zurückzieht;

2. die Rätia Energie bei Ausland-Engagements (Produktionswerke) sich auf neue erneuerbare Energieträger insbesondere Solar-, Windenergie- und Geothermieanlagen beschränkt;

3. die Rätia Energie im Kanton Graubünden vermehrt Verantwortung im Bereich der Steigerung der Energieeffizienz übernimmt und auch die entsprechenden Investitionen tätigt;

4. die Rätia Energie sich verstärkt für die bessere Nutzung des vorhandenen Potenzials der sogenannten „neuen erneuerbaren Energien“ insbesondere im Bereich der Solarenergie im Kanton Graubünden engagiert;

5. die Stromkonsumentinnen und -konsumenten im Versorgungsgebiet der Rätia Energie uneingeschränkte Transparenz (Deklaration) bezüglich der Herkunft und der Produktionsart der bezogenen elektrischen Energie erhalten.

Chur, 8. Dezember 2008

Pfenninger, Arquint, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Menge, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Brasser, Locher Benguerel, Michel (Chur)


Antwort der Regierung

Mit der internationalen Marktliberalisierung muss sich auch die Rätia Energie AG (RE) den neuen und anspruchsvollen Herausforderungen stellen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei RE um eine börsenkotierte Aktiengesellschaft (AG) handelt. Folglich trägt allein ihr Verwaltungsrat die Verantwortung für die Strategie der Unternehmung, denn das Fällen der grundlegenden Entscheide der Geschäftspolitik gehört zu den unübertragbaren und unentziehbaren Kernkompetenzen des Verwaltungsrats einer AG (Art. 716a OR).

Zu den Forderungen gemäss Auftrag nimmt die Regierung wie folgt Stellung:

1. RE verfolgt als international tätiges Stromunternehmen die Strategie, in den Schlüsselmärkten über eigene Kraftwerke, Kraftwerkbeteiligungen oder langfristige Strombezugsverträge zu verfügen. Wer nämlich im Stromhandel tätig sein will, muss einen ausgewogenen Mix sowohl geographisch als auch bezüglich der Energieträger anstreben, um die Ertragskraft zu sichern und die unternehmerischen Risiken zu reduzieren. Bekanntlich hat Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und setzt für die Stromerzeugung vor allem auf Kohle, Gas und Wind. Weil der Wirkungsgrad neuer Kohlekraftwerke gegenüber alten Anlagen erheblich besser ist und damit weniger Kohle verbraucht wird, fällt auch die CO2-Belastung pro KWh deutlich geringer aus. Zudem steht die schrittweise Ablösung von alten Kohlekraftwerken durch neue Anlagen im Einklang mit der Klimapolitik Deutschlands. Die Regierung hält deshalb dieses Auslandengagement der RE als versorgungs- und regionalpolitisch verständlich. Inwieweit die dafür benötigte Investition finanzielle, technologische oder politische Risiken beinhaltet, ist indessen allein durch den Verwaltungsrat im Rahmen seines Investitionsentscheides zu beurteilen und zu bewerten.

2. RE investiert laufend in Wasserkraftwerke (allein in den letzten 5 Jahren über 70 Mio. Franken im Kanton); sie setzt auch künftig auf die Wasserkraft. Aber auch das Auslandengagement bei der Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien ist bei RE bereits Realität. So hat RE einen Windpark in Süditalien mitrealisiert, der aus 11 Windkraftanlagen besteht und eine installierte Leistung von über 9 MW aufweist. Das entspricht etwa einem Drittel der Leistung sämtlicher Photovoltaikanlagen, die Ende 2007 schweizweit am Netz waren. Eine zuverlässige Stromversorgung kann allerdings mittelfristig nicht allein durch neue erneubare Energien wie Wind- oder Solarenergie sichergestellt werden.

3. Energieeffizienzmassnahmen bilden Bestandteil der Energieberatung von RE, die sich nach den Bedürfnissen und Anforderungen ihrer 75'000 Kunden im Kanton richtet. So analysiert RE im Rahmen ihres Kundenservices laufend und flächendeckend den Strombedarf von Grosskunden, um Lastspitzen beim Strombezug zu vermeiden und den Konsum auf Niedriglastzeiten zu verlegen. Dies ermöglicht RE, ihren Kraftwerkspark sinnvoll einzusetzen, was sich auch ökologisch positiv auswirkt.

4. RE fördert die Solarenergie und auch die Stromproduktion aus Photovoltaik, Biogas und Windenergie. So ist mit dem Kauf von "PurePower Graubünden" gewährleistet, dass mindestens 2.5 % der verkauften Energie aus neuen erneuerbaren Energien stammen. Durch eine langfristig angelegte Vermarktung und durch den Verkauf dieses Ökostromprodukts konnten bereits verschiedene solcher Anlagen finanziert werden. Die zunehmende Zahl an Ökostromkunden erachtet zudem die RE als Verpflichtung, weitere Anlagen dieser Art zu realisieren.

5. Die Transparenz bezüglich Herkunft der Elektrizität ist gesetzlich geregelt und wird auch durch RE gewährleistet. Mit der geltenden Vorschrift zur Stromkennzeichnung werden seit 2006 alle Lieferanten von Elektrizität verpflichtet, der Kundschaft ihren "Strommix" bekannt zu geben.

Abschliessend betrachtet wäre es wirtschaftspolitisch unverantwortbar, die Handlungsfähigkeit der RE als unternehmerisch tätige Elektrizitätsgesellschaft durch politische Vorgaben unnötig einzuschränken. Aus den dargelegten Gründen beantragt die Regierung, den Auftrag abzulehnen.

13. März 2009