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Session: 17.06.2009
Der Grosse Rat hat es in der Juni-Session 2009 abgelehnt, das Mantelgesetz über den neuen Finanzausgleich dem freiwilligen Referendum gemäss Kantonsverfassung Art. 16 Ziff. 6 zu unterstellen. Damit hat der Grosse Rat seit der Einführung dieser Verfassungsbestimmung nie Gebrauch von diesem Instrument gemacht.

Der Ursprung von Art. 16 Ziff. 6 ist mit der Einführung des fakultativen Gesetzesreferendums anlässlich der Totalrevision der Bündner Kantonsverfassung verknüpft, welche vom Volk am 18. Mai 2003/14. September 2003 angenommen wurde. Die Vorberatungskommission des Grossen Rates wollte mit dieser Bestimmung dem Parlament die Möglichkeit geben, wichtige Gesetzesvorlagen von sich aus dem Volksreferendum zu unterstellen. Diese sollte eine flankierende Massnahme zur Einführung des fakultativen Referendums darstellen.

Seit der Einführung des freiwilligen Referendums wurden gemäss breitem Empfinden wichtige Gesetzesvorlagen, wie beispielsweise das Sparpaket des Kantons, das Sprachengesetz, das Wirtschaftsförderungsgesetz und die Steuergesetzrevision vom Grossen Rat nicht dem freiwilligen Referendum unterstellt. Das freiwillige Referendum zeigt sich damit als untaugliches Instrument, da der Grosse Rat bisher nicht willens war, davon Gebrauch zu machen. Gleichzeitig hat die bisherige Erfahrung (Jagdgesetz, Rauchverbot) gezeigt, dass die Hürde für das Ergreifen des fakultativen Referendums gemäss Art. 17 KV so tief liegt, dass die direkte Mitwirkung des Volkes nicht eingeschränkt wurde. In der Ratsdebatte der Juni-Session 2009 wurde von einzelnen Votanten auch offen in Zweifel gestellt, dass das freiwillige Referendum jemals beschlossen werden wird, und sie haben offen dessen Abschaffung gefordert.

Die Unterzeichnenden fordern daher die Regierung auf, bei der nächsten Teilrevision der Kantonsverfassung Ziffer 6 von Artikel 16 ersatzlos zu streichen.

Poschiavo, 17. Juni 2009

Loepfe, Kessler, Peyer, Augustin, Barandun, Berni, Bezzola (Samedan), Bleiker, Blumenthal, Brandenburger, Brüesch, Bucher-Brini, Buchli, Bühler-Flury, Bundi, Caduff, Cahannes Renggli, Casparis-Nigg, Castelberg-Fleischhauer, Casty, Casutt (Falera), Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Claus, Clavadetscher, Donatsch, Fasani, Feltscher, Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Geisseler, Giovanoli, Hartmann (Chur), Hartmann (Champfèr), Jenny, Keller, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Krättli-Lori, Kunz, Mani-Heldstab, Marti, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Michel, Möhr, Nick, Niederer, Nigg, Noi-Togni, Parpan, Peer, Perl, Pfäffli, Pfister, Plozza, Portner, Quinter, Ragettli, Righetti, Rizzi, Stiffler, Stoffel, Thomann, Thurner-Steier, Troncana-Sauer, Tscholl, Tuor, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wettstein, Zanetti, Candinas (Disentis/Mustér), Furrer-Cabalzar, Gunzinger, Märchy-Caduff (Domat/Ems)

Session: 17.06.2009
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Das in Art. 16 Ziff. 6 der Kantonsverfassung geregelte ausserordentliche obligatori-sche Referendum (ausserordentliches Behördenreferendum) ist im Zuge der Totalrevision der Kantonsverfassung erst durch das Parlament eingefügt worden. Die Regierung wollte ursprünglich einer qualifizierten Minderheit von einem Fünftel der Parlamentsmitglieder das Recht einräumen, das Referendum zu ergreifen (vgl. Botschaftenheft Nr. 10/2001- 2002, 509 f.). Das Parlament wollte dieses Recht jedoch nur der Mehrheit übertragen. Es sollte keine Vermischung von parlamentarischen Instrumenten mit Volksrechten erfolgen. Auch befürchtete man, dass die permanent latent vorhandene Referendumsandrohung die Arbeit im Grossen Rat lähmen könnte. Das ausserordentliche Behördenreferendum gemäss Art. 16 Ziff. 6 KV sollte die Streichung des Referendumsrechts für eine Parlamentsminderheit aber kompensieren (vgl. GRP 2002/2003, 261 und 264).

Bis heute hat der Grosse Rat vom ausserordentlichen Behördenreferendum noch keinen Gebrauch gemacht. Bei verschiedenen Geschäften wurde aber der Einsatz dieses Instruments im Grossen Rat heftig diskutiert. So zuletzt in der Junisession 2009 im Zusammenhang mit der NFA-Vorlage. Vor diesem Hintergrund wird mit dem vorliegenden Auftrag die ersatzlose Streichung von Art. 16 Ziff. 6 KV und damit die Abschaffung des ausserordentlichen Behördenreferendums gefordert. Die Regierung spricht sich demgegenüber aus mehreren Gründen für die Beibehaltung dieses Instruments aus. Die dem Parlament mit dem ausserordentlichen Behördenreferendum von der Verfassung eingeräumte Flexibilität, das Volk bei bestimmten Geschäften ausserordentlicherweise partizipieren zu lassen, sollte nicht aufgegeben werden. Künftig können durchaus Konstellationen auftreten, bei denen es vorteilhaft ist, wenn das Parlament über dieses Instrument verfügt. Aus der bisherigen Praxis bereits die Untauglichkeit dieses Instrumentes ableiten zu wollen, erscheint der Regierung jedenfalls verfrüht. Vielmehr sollten noch weitere Erfahrungen gesammelt werden. Bei der Diskussion über die Frage der Abschaffung dieses Instrumentes sollte auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass es seinerzeit zusammen mit der Senkung der nötigen Unterschriftenzahl beim fakultativen Referendum von 3'000 auf 1'500 als Äquivalent zum Wechsel vom obligatorischen zum fakultativen Referendum in die Verfassung Eingang gefunden hat. Die ausgewogene verfassungsmässige Ordnung im Bereiche des obligatorischen und fakultativen Referendums sollte nun aber nicht ohne Not bereits wieder geändert werden.

Aus all diesen Gründen beantragt die Regierung, den Auftrag nicht zu überweisen.

Datum: 4. September 2009