Die Publikation der neuen Szenarien für die Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum von 2025-2055 zeigt auf wie sich die Kantonsbevölkerung in den nächsten 30 Jahren entwickeln wird. Das Referenzszenario für Graubünden errechnet ein in der Tendenz abnehmendes Bevölkerungswachstum bis ins Jahr 2043. In den letzten zwölf Jahren des Prognosezeitraums soll die Kantonsbevölkerung gar schrumpfen. Hauptverantwortlich dafür sind der zunehmende Todesfallüberschuss und die erwarteten Veränderungen in den internationalen und interkantonalen Migrationsbewegungen.
Die Berechnung der Bevölkerungsszenarien beruht auf verschiedenen Hypothesen welche sich je nach Ausprägung unterschiedlich stark in den ausgewiesenen Szenarien entfalten. Verschiedene übergeordneten Trends beeinflussen die jeweiligen Komponenten der Bevölkerungsperspektiven, so ist neben der Geburtenhäufigkeit und der Sterblichkeit auch die Migration ein gewichtiger Faktor des künftigen Bevölkerungswachstums. Letztere bildet den wohl am schwierigsten zu prognostizierenden Teil der Szenarien, zumal eine Vielzahl von externen Faktoren und Entwicklungen im In- und Ausland, beispielsweise geopolitische Verwerfungen, veränderte Lebensbedingungen (Hitzewellen, Klimawandel, Ressourcenknappheit, Katastrophen, etc.) diese entscheidend mitbeeinflussen können.
Die nachfolgend ausgewiesenen Szenarien: Referenzszenario, Hohes Szenario, Tiefes Szenario gehen von einer jeweils unterschiedlich starken Ausprägung und Entwicklung der vorhergenannten Trends aus. Wobei das hohe Szenario gegenüber den letzten Beobachtungen von einer in allen Faktoren des Bevölkerungswachstums deutlich positiveren Entwicklung ausgeht. Das Referenzszenario richtet die bisherigen Entwicklungen nach den neuen Erkenntnissen betreffend die künftigen Veränderungen in den einzelnen Dimensionen aus, während dem das tiefe Szenario einer im Vergleich zu den Beobachtungen negativeren Veränderung bei den zugrundeliegenden Hypothesen ausgeht.
Einer der Hypothesen betrifft dabei die Geburtenhäufigkeit. Diese nimmt im Referenzszenario künftig leicht zu, zumal Faktoren wie die bessere Vereinbarkeit vom Familie und Beruf, sowie die Entwicklungen bei der medizinisch unterstützen Fortpflanzung einen positiven Einfluss auf die Zahl der Geburten haben sollen. Lediglich im tiefen Szenario geht man von einem leichten Rückgang bei der Geburtenhäufigkeit aus, dies, weil die berufliche Karriere für beide Geschlechter wichtiger wird und somit kinderreiche Familien in ihrer Zahl weiter abnehmen könnten. Aufgrund der fortgeschrittenen Alterung der Bündner Bevölkerung nimmt die Zahl der Geburten, trotz leicht höherer Geburtenhäufigkeit, künftig weiter ab. Im tiefen Szenario kommt ergänzend dazu, dass die internationale Migration stagniert, respektive in der ferneren Zukunft sogar leicht abnehmen soll, womit auch die Zahl der erfahrungsgemäss eher kinderreicheren Familien mit ausländischer Staatsangehörigkeit rückläufig sein könnte. Die zweite Komponente der natürlichen Bevölkerungsentwicklung betrifft die Sterblichkeit. Im Referenzszenario geht man von einer Verlangsamung beim Anstieg der Lebenserwartung aus. Dazu kommt, dass sich die Differenz der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern verkleinert, zumal die Generation in der das Gesundheitsverhalten bei den Geschlechtern noch sehr unterschiedlich war, zunehmend ablebt. Das hohe Szenario geht von noch weitaus grösseren Fortschritten in der Medizin, aber auch einer effizienteren Gesundheitsprävention aus, beide erhöhen die Lebenserwartung somit zusätzlich. Im tiefen Szenario wird von einer weniger positiven Entwicklung beim künftigen Gesundheitsverhalten in der Gesellschaft ausgegangen, dies könnte beispielsweise auch durch eine verschlechterte wirtschaftliche Situation induziert werden.
Der Zusammenzug der prognostizierten Todesfälle und Geburten im Referenzszenario geht von einem stetig wachsenden Todesfallüberschuss für den Bezugszeitraum der Bevölkerungsszenarien in Graubünden aus. Bis ins Jahr 2055 wächst der Todesfallüberschuss im Kanton auf über 1'400 Personen pro Jahr an.
Mitentscheidend für diese Entwicklung in Graubünden ist auch die Altersstruktur der Bevölkerung im Kanton. Bereits heute ist der Jungenquotient, also die Zahl der 0-19-jährigen pro 100 Personen im Alter von 20-64 Jahre tiefer als im nationalen Mittel. Zwar wird sich die Differenz künftig nur noch marginal vergrössern, aber ähnlich wie im gesamtschweizerischen Kontext nimmt in Graubünden der Jugendquotient, auch wegen der tieferen Geburtenziffer in Zukunft nochmals ab.
Der Altersquotient, also die Zahl der über 65-jährigen pro 100 Einwohnerinnen und Einwohner im Alter von 20-64 Jahre, nimmt hingegen in Graubünden in den nächsten zehn Jahren, gemäss den Szenarien, nochmals deutlich zu. Wachsen wird folglich auch die Differenz des Bündner Altersquotienten in der Gegenüberstellung zum Schweizer Mittelwert. Ab dem Jahr 2033 bedeutet dies für Graubünden, dass der Altersquotient die Schwelle von 50 Prozent überschreitet.
Für die Veränderungen in der Altersstruktur verantwortlich sind nicht nur die rückläufige Geburtenzahl und die fortschreitende Alterung der Bestandes Bevölkerung, aber auch die Wanderungssaldi von und nach Graubünden. Aus den Beobachtungen hervor gehen die bekannten Migrationstrends in Graubünden: Die höchste Zuwanderung findet nämlich aus dem Ausland statt und dabei handelt es sich vorwiegend um Personen im Erwerbsalter. Dieser internationale Zufluss trägt bereits heute entscheidend zur Verjüngung der Bündner Bevölkerung bei. Für die Zukunft geht man davon aus, dass die Migration aus dem Ausland nach Graubünden sich stabilisieren wird, respektive leicht rückläufig sein wird. Grund dafür ist, dass die heutigen Hauptzuwanderungsländer, wie beispielsweise Italien eine weitaus ältere Bevölkerungsstruktur als die Schweiz aufweisen, wodurch diese Arbeitskräftereservoirs in ihrer Bedeutung als Zuwanderungsländer künftig auch rückläufig sein werden. Die Schwierigkeit bei der Hypothesenfindung zur internationalen Migration besteht aber zweifelsohne darin, dass diese Komponente von einer Vielzahl von schwierig vorherzusehenden Faktoren beeinflusst werden kann. Jüngst und in der Grafik gut ersichtlich hat die Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine zu einem sehr starken Anstieg der internationalen Migration geführt, dies war eine kaum vorherzusehende Entwicklung. Auch künftig werden Konflikte, Krisen und Notsituationen für eine erhöhte Variabilität in der Zuwanderung führen.
Die zweite Komponente der Wanderungssaldi bilden die interkantonalen Migrationsströme, also die Personen, welche von anderen Kantonen nach Graubünden ziehen oder umgekehrt. Die Bevölkerungsperspektiven gehen von einer Abnahme der interkantonalen Wanderungssaldi in den nächsten Jahren aus. Verantwortlich dafür ist einerseits der Rückgang bei der jungen Bevölkerung, und somit der Population, welche gegenwärtig zu Berufs- und Ausbildungszwecken am meisten aus Graubünden abwandert. Dazu kommt, dass die Kohorten der 55-65-jährigen, welche gegenwärtig die höchste Zuwanderungsdichte für Graubünden darstellen, künftig zahlreicher sein werden, die potentiellen interkantonalen Zuwanderer also in ihrer Zahl mehr werden. Für Graubünden im speziellen von Bedeutung könnten auch die klimatischen Veränderungen sein. Sollten künftig die Hitzeperioden in den Sommermonaten zunehmen, könnte dies unter anderen Faktoren auch die Wahl des Wohnortes im Pensionsalter beeinflussen. Pensionärinnen und Pensionäre könnten also häufiger ihren Wohnsitz in die Berggebiete verlegen.
Detaillierte Daten zu den Bevölkerungsszenarien: Zukünftige Bevölkerungsentwicklung